Matthias Lilienthal inszeniert in München das Wohnen
Wer in München wohnen möchte, muss improvisieren. Für viele eine bittere Erfahrung, die ab Mitte September der ganzen Stadt vor Augen geführt werden soll: mit Apartments in einem Baumhaus, einer Parklücke oder einem Fußgängertunnel. Ein Projekt der Kammerspiele und eines Architekturkollektivs.
Marstallplatz, München - direkt hinter der Staatsoper, abseits der Luxusmeile Maximilianstraße. Hier wurde in den letzten zehn Tagen gesägt, gefräst und gehämmert. Benjamin Foerster-Baldenius vom Architektur-Kollektiv „raumlaborberlin" steht vor einem haushohen Kubus aus stählernem Baugerüst und zerfetzen Altpapierballen. Der Regen prasselt auf die mit weißen Planen bespannte Dachkonstruktion: "Hier ist die Zentrale von diesem Projekt Shabbyshabby Apartments, wo die Erbauer der Apartments wohnen und arbeiten."
22 skurrile Wohneinheiten für den Münchner Stadtraum. Die Materialkosten pro Apartment liegen bei nur 250 Euro. Vergilbte Balken und Bretter, ausgediente Badewannen, Schränke und Türen. Baumaterial vom Recyclinghof - Shabbyshabby eben. Ein gezimmertes Loft in einer Parklücke auf der Maximilianstraße, ein aus Badewannen verschraubtes U-Boot an der Isar, eine zeltförmige Erdhütte vor der Staatsoper.
Das erste Projekt als neuer Intendant
Während auf dem Marstallplatz noch die letzten Hölzer zurechtgeschnitten werden, sitzt Mathias Lilienthal bei einer Tasse Tee zwischen unausgepackten Umzugskartons in seinem neuen Büro. Das Projekt "Shabbyshabby Apartments" ist seine erste Inszenierung als neuer Intendant der Münchner Kammerspiele. 2014 hat er es schon in ähnlicher Form in Mannheim umgesetzt: "In Mannheim bei dem Festival war der Zusammenhang, dass die Mannheimer von so einem Festival Exotismen erwarten und es im internationalen Theater gar keine Exotik mehr gibt, und dass das eigentliche Unbekannte ihre eigene Stadt ist. Und der gedankliche Zusammenhang hier ist, dass die Münchner die Hälfte ihres Einkommens für Miete zahlen, und dass das einfach scheiße ist zum leben."
Mathias Lilienthal nennt die Dinge beim Namen. Ein Theaterintendant, der lautstark in der Münchner Stadtpolitik mitmischt - Berliner Schnoddrigkeit inklusive: "Ist mir noch nicht aufgefallen. Wenn man was macht, dann gibt es auch ein paar Leute, die es kacke finden."
Mit dem Projekt „Shabbyshabby Apartments" möchte Lilienthal die Münchner vor den Kopf stoßen und den Diskurs um bezahlbaren Wohnraum anheizen. Wem gehört die Stadt? Was bedeutet uns der öffentliche Raum? Wie wollen wir leben? Fragen, die die Kammerspiele nun im Stadtraum verhandeln, wo hinter schicken Fassaden die Mietpreise durch die Decke gehen und die Immobilenpreise explodieren. "Ich bin Christine Bock und ich komme aus Berlin wie meine Gruppe auch. Wir bauen das Achrip(el)artment. Archip(el)artment, das kommt natürlich von Archipelago."
Das Schlafzimmer - eine Art Baumhaus
Im ehemaligen Münchner Arbeiterviertel Untergiesing bastelt Christine Bock mit ihrem Team noch ihrem "Shabbyshabby Apartment": An einer Straßenkreuzung funktionieren sie kleine Grünflächen zu öffentlichen Wohnräumen um, dazu lassen sie aus Baumkronen Vorhänge herabfallen. Passanten und Nachbarn sollen eingeladen werden, Küche und Wohnzimmer miteinander zu teilen. Nur das Schlafzimmer ist privat - eine Art Baumhaus auf zwei Metern Höhe: "Das Dach ist Well-Plastik, das heißt, man kann in den Baum schauen und auch in den Himmel. Dann gibt es hier so kleine lustige Fenster, die sich dann so drehen lassen, also kleine Luken zum raus kucken."
- "Könnten wir mal rein steigen?"
- "Natürlich, wir brauchen allerdings die Leiter."
Sofort werden Kindheitserinnerungen wach, an das unbekümmerte Spielen im Baumhaus. Wie wohnen wir? Was brauchen wir eigentlich zum Wohnen? Was ist ein menschenwürdiger Wohnraum? Und vor allem: Welchen Raum gestehen wir den tausenden Flüchtlingen ein, die derzeit in München stranden? Es wird spannend, was den Theaterbesuchern wohl die nächsten vier Wochen alles durch den Kopf geht, wenn sie sich in eines der "Shabbyshabby Apartments" einmieten.
- "Natürlich, wir brauchen allerdings die Leiter."
Sofort werden Kindheitserinnerungen wach, an das unbekümmerte Spielen im Baumhaus. Wie wohnen wir? Was brauchen wir eigentlich zum Wohnen? Was ist ein menschenwürdiger Wohnraum? Und vor allem: Welchen Raum gestehen wir den tausenden Flüchtlingen ein, die derzeit in München stranden? Es wird spannend, was den Theaterbesuchern wohl die nächsten vier Wochen alles durch den Kopf geht, wenn sie sich in eines der "Shabbyshabby Apartments" einmieten.
"Die Leute können beim Frühstück in der Kantine den Kammerspielen dann beim Croissant extrem viel erzählen, was sie erlebt haben."