"This is Venice (Othello & Der Kaufmann von Venedig)" von Shakespeare in der Regie von Sebastian Nübling, bearbeitet und übersetzt von Elisabeth Bronfen und Muriel Gerstner am Burgtheater in Wien - weitere Vorstellungen bis Ende März 2020.
Ein Venedig-Mashup, das nicht richtig zündet
08:25 Minuten
Am Burgtheater hat Regisseur Sebastian Nübling zwei große Venedig-Stücke von Shakespeare in neu übersetzten Versionen auf die Bühne gebracht. Ein langatmiger Abend mit einzelnen erfreulichen Schauspielleistungen.
Sogenannte Mashups sind mittlerweile am Theater gar nicht mehr selten. Dass sie von akademisch höchster Stelle abgesegnet sind, eher schon. Die Anglistin und Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen hat gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Muriel Gerstner unter dem Titel "This Is Venice" Shakespeares in Venedig angesiedelte Stücke neu übersetzt und miteinander verschränkt.
So sitzt der Doge (Rainer Galke), die einzige Nebenfigur, die sowohl in "Othello" als auch im "Kaufmann von Venedig" vorkommt, über den Juden Shylock Gericht und wundert sich gleichzeitig über den eifersüchtigen schwarzen General Othello.
Spiegel einer elitären Gesellschaft
Indem sie die Komödie und die Tragödie in einer Welt zusammenführen, wollen Bronfen und Gerstner den Kosmos Venedig als eine heute (leider) leicht identifizierbare westliche Elitengesellschaft zeichnen, die Fremde ausnutzt und demütigt.
Ganz nebenbei sollen in der neuen, der poetischen Sprache der alten Shakespeare-Übersetzungen entledigten Textfassung die Frauenfiguren gestärkt werden - hier Desdemona und Elvira, da Jessica und vor allem Portia. Die Bemühungen in diese Richtung sind erkennbar, kommen angesichts des Shakespeareschen Handlungskorsetts aber nicht immer sehr weit.
Hinter dem Glitzervorhang
Für die Uraufführung im Wiener Burgtheater hat Ko-Autorin Gerstner eine schlichte Bühnenidee umgesetzt: zwei gegenläufige Drehbühnen, ein Podest und ein Glitzervorhang zeichnen das grausam-schicke Venedig. Der Regisseur Sebastian Nübling lässt die Figuren der beiden Stücke der Reihe nach aus Gruppenchoreografien heraustreten, erzählt dann abwechselnd die eine und die andere Geschichte, zieht den Figuren zunehmend karnevaleske Kostüme an (schließlich sind wir ja in Venedig) und verlässt sich ansonsten auf das Spiel seines Ensembles.
Roland Koch gibt etwa einen herrischen, manchmal lächerlichen, aber selbst im Eifersuchtszorn erstaunlich in sich ruhenden Othello mit einem genüsslich teuflischen Norman Hacker als Gegenspieler Jago und Marie-Luise Stockinger als einer modernen, geradlinigen Desdemona. Dass er ein Schwarzer ist (das Wort "Mohr" wurde ersetzt), wird einfach nur behauptet. Als Shylock dagegen wurde mit Itay Tiran tatsächlich ein aus Israel stammender Schauspieler besetzt.
Ensemble ohne Einheit
Alle Spieler und Spielerinnen machen ihre Sache gut, doch lässt Nübling nach dem dichten Beginn alle einzeln nach ihrer Façon agieren. Es entsteht kein einheitliches Ensemblespiel, zu verkopft bleibt letztlich dieses dramaturgische Unterfangen einer Zusammenführung. Am Ende hat man statt zweier Shakespeare-Stücke ein sehr, sehr langes mit doppelt so vielen Handlungssträngen wie üblich gesehen.