Shakespeare im kleinen "Globe"

Von Ulrike Gondorf |
Zur Hitze passte das Auftaktstück "A Midsummer Night's Dream" vorzüglich. Generell ist das Shakespeare-Festival in Neuss wegen seiner tollen Atmosphäre im nachempfundenen "Globe"-Theater ungebrochen erfolgreich, auch im 20. Jahr.
Angesichts der Hitzewelle hätte es keine bessere Stückwahl zur Eröffnung geben können: "A Midsummer Night's Dream", Shakespeares Sommermärchen über die Verwirrungen der Liebe und die Delirien der Fantasie, spielt auf hohe Temperaturen. Und die alten Bäume auf der Neusser Rennbahn, wo seit 20 Jahren ein kleinerer Nachbau des Globe-Theaters steht, trugen auch bei zum Aufbau der nächtlichen Atmosphäre im Athener Wald. Aus dem großen "Globe" in London, dessen Rekonstruktion freilich um einiges jünger ist, war die Globe Touring Company gekommen: Sieben junge Schauspieler, die mit faszinierender Vielseitigkeit, unbändiger Spiellust und einem ungeheuren Elan spielend, singend und tanzend das Verwirrspiel in Gang hielten.

Aus dem Stand verwandelten sie sich in die betrügenden und betrogenen Liebenden, die Elfen und Geister in Oberons Zauberreich und die theaterbesessenen Handwerker, die während ihrer Proben im Wald in das Spiel der überirdischen Mächte hineingezogen werden. Ein Shakespeare, der aus der Tradition des Volkstheaters kam, die Zuschauer einbezog und vor allem das komödiantische Element bediente. Die Energie, mit der die Londoner Schauspieler die Geschichte aufluden, sprang sofort auf die Zuschauer über, die in dem hohen zylindrischen Holzbau im Halbkreis um die Bühne sitzen und alle das Geschehen aus nächster Nähe verfolgen.

Diese dichte Atmosphäre ist sicher der wichtigste Grund für den ungebrochenen Erfolg dieses Festivals, der vor 20 Jahren wohl kaum so vorherzusehen war. In einer kleineren Stadt wie Neuss Publikum zu finden für ein Shakespeare-Festival mit vorwiegend englischsprachigen, im Laufe der Jahre dann immer weiter international ausgreifenden Aufführungen – das ist ja keine Selbstverständlichkeit. Mit einem guten Gespür für originelle Aufführungen und interessante Truppen haben die Macher um den Kulturamtsleiter Rainer Wiertz es verstanden, sich das Vertrauen und die Neugier des Publikums zu sichern, auch wenn sie Shakespeare auf Japanisch oder – wie jetzt im Jubiläumsjahr – auf Ungarisch präsentieren.

Es gibt also Grund zum Feiern: Bis zum 14. August läuft die 20. Ausgabe des Neusser Shakespeare-Festivals. Mit dabei auch wieder die bremer shakespeare company, die 1991 die allererste Vorstellung bestritt, die Compagnie Irina Brook auf Frankreich, und als besonderes Highlight des Jubiläumsjahrs auch Irinas prominenter Vater, Sir Peter Brook. In Neuss wird die Deutschlandpremiere seiner theatralischen Recherche "Warum warum" zu sehen sein.