Aufruhr in Chinas Internet

Proteste gegen die Corona-Politik

09:04 Minuten
Personen in voller Schutzmontur überprüfen Ankömmlinge an einem Bahnhof in Schanghai auf negative Coronatestbescheinigungen.
Die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen in Shanghai empören viele Menschen in China. Das zeigt sich auch im Netz. © imago / Kyodo News
Katharin Tai im Gespräch mit Jenny Genzmer und Marcus Richter |
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Empörung und Wut brechen sich momentan in Chinas sozialen Medien Bahn. Auslöser sind die drastischen Maßnahmen während des Corona-Lockdowns in Schanghai. Videos und Artikel gehen viral, ernten viele Kommentare. Bröckelt die Zensur?
Shanghai hat aktuell ein massives Corona-Problem. Die Regierung bekommt es bisher nicht in den Griff – trotz einem drastischen Lockdown. Wut und Frustration darüber machen sich gerade in Chinas Internet breit, das eigentlich für seine starke Zensur bekannt ist.
"Shanghai ist eine unheimlich moderne Metropole", sagt Katharin Tai. Die Journalistin promoviert am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu chinesischer Internet- und Außenpolitik. Bislang hätten eher laxe Regeln geherrscht und die Menschen seien nun zum ersten Mal im richtig harten Lockdown.

Zensur gerät an ihre Grenzen

„Die Situation ist extrem schwierig. Es zirkulieren unheimlich viele Videos, und die Leute sind natürlich besonders empört, wenn man Gewalt oder Leid sieht.“ Es habe ein Video gegeben, wo ein Hund von Mitarbeitenden des Gesundheitssystems erschlagen worden sei. Jeden Tag gehe ein neuer Artikel viral, darunter jüngst „eine Liste von Leuten, die während des Lockdowns gestorben sind – aus Gründen, die nicht Corona sind, sondern weil sie zum Beispiel keine Medizin kriegen konnten oder weil es im Krankenhaus keinen Platz gab".
Die Zensur gerate hier an ihre Grenzen. „Es ist einfach für so einen Artikel, sehr schnell viral zu gehen und dann sogar teils auf Weibo zu trenden, bevor die Zensor*innen das alles löschen können“, sagt Tai. „Und die Leute wissen das auch und kommentieren das. Unter manchen Artikeln steht dann: ‚Schnell weiterleiten, bevor der Titel gelöscht wird.‘ Oder: ‚Das ist ein guter Artikel, in fünf Minuten ist der garantiert weg.“

Fortschritte in Sachen Meinungsfreiheit?

Doch was haben diese Menschen zu befürchten? „Was einem ehesten passiert, ist, dass die eigenen Posts gelöscht werden.“ Die Regierung könne ja nicht jede Person, die Kritik übt, festnehmen. „Diese härteren Maßnahmen sind eher für prominentere Leute reserviert, die dann wirklich vor Ort aktiv werden, um Proteste zu organisieren.“
Dass die Meinungsfreiheit durch die aktuelle Situation vorangetrieben werde, glaubt Katharin Tai nicht. Ein gewisses Level an Kritik sei durchaus immer möglich in China, aber es gebe „so eine unausgesprochene Grenze, und hinter der halten sich die Leute meistens zurück“. Empörung könne sich – wie im Moment – aber auch Bahn brechen. Neu sei das nicht.
„Ich glaube, die Tendenz, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, ist, dass tatsächlich eher weniger möglich ist.“
(cwu)

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