Wie Immobilienkonzerne den Fiskus prellen
07:39 Minuten
Wer gewieft ist, besitzt keine Immobilie, sondern Anteile an der Firma, die diese besitzt. So muss er bei Immobiliengeschäften keine Grunderwerbssteuer zahlen. Das Steuerschlupfloch ist bekannt. Eine Gesetzesinitiative kommt trotzdem nicht voran.
Ein Gebäude das vor Kurzem bundesweit Schlagzeilen machte: ein schlichter Altbau in Berlin Neukölln. Die Decken sind hoch, das Treppenhaus unsaniert. Benjamin Steffens, der eigentlich anders heißt, sitzt an seinem Küchentisch. Vor ihm ein Blatt mit bunten Pfeilen, Abkürzungen und Zahlen wie Preise an der Supermarktkasse: 89,9 oder 4,97. "Es ist etwas verworren, aber das liegt daran, dass es eben auch verworren sein soll."
Mit einem Brief vor gut einem Jahr fing alles an: "In diesem Brief stand drin, dass die Miete ab jetzt an die A.R.O. 54 GmBH zu überweisen sei, und das lässt sich schnell herausfinden: Das ist eben eine Gesellschaft deren einziger Vermögensbestand sozusagen dieses Haus ist, soweit wir das herausfinden konnten." Benjamin und die Mieter werden stutzig. Sie fangen an zu recherchieren. Was ist das, die A.R.O. 54 GmBH? Wem gehört das Haus wirklich?
Die Antwort ist überraschend kompliziert. "Hinter diesem Kürzel steckt aber eben Akelius, so viel haben wir herausfinden können, zu 89,9 Prozent. Die restlichen 10,1 Prozent gehören einer vermeintlich unabhängigen Gesellschaft auf Zypern." Die A.R.O.54 GmbH ist also eine Tochtergesellschaft von Akelius. Und Akelius eins der großen weltweit operierenden Immobilienkonzerne.
Mit einem Brief vor gut einem Jahr fing alles an: "In diesem Brief stand drin, dass die Miete ab jetzt an die A.R.O. 54 GmBH zu überweisen sei, und das lässt sich schnell herausfinden: Das ist eben eine Gesellschaft deren einziger Vermögensbestand sozusagen dieses Haus ist, soweit wir das herausfinden konnten." Benjamin und die Mieter werden stutzig. Sie fangen an zu recherchieren. Was ist das, die A.R.O. 54 GmBH? Wem gehört das Haus wirklich?
Die Antwort ist überraschend kompliziert. "Hinter diesem Kürzel steckt aber eben Akelius, so viel haben wir herausfinden können, zu 89,9 Prozent. Die restlichen 10,1 Prozent gehören einer vermeintlich unabhängigen Gesellschaft auf Zypern." Die A.R.O.54 GmbH ist also eine Tochtergesellschaft von Akelius. Und Akelius eins der großen weltweit operierenden Immobilienkonzerne.
Firmenanteile anstelle von Immobilien kaufen
Allein in Berlin besitzt die Gruppe rund 14.000 Wohnungen. Das Neuköllner Haus zählt auch dazu. "Wir als Akelius besitzen das Objekt zu Anteilen, das haben wir zusammen mit einem Co-Investor erworben", sagt Jordan Milewicz, der Europachef von Akelius.
Share Deal nennt sich das. Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit: "Ein Share Deal ist im Prinzip ganz einfach. Bei einem normalen Immobiliengeschäft wechselt der Eigentümer, der im Grundbuch steht. Bei einem Share Deal passiert das nicht. Da steht im Grundbuch eine Firma, in die das Haus oder die Immobilie gepackt ist, und wechselt, wie gesagt, nicht der Eigentümer. Die Firma bleibt im Grundbuch stehen, aber es werden die Anteile dieser Firma verkauft."
Doch warum so kompliziert? Akelius selbst behauptet im Interview nur, dass der Verkäufer des Hauses es so gewollt habe. Tatsächlich aber könnte der Grund ein ganz anderer sein. Denn dank Share Deal können Käufer viel Geld sparen.
"Sie müssen nicht ins Grundbuch gehen. Sie müssen keine Grunderwerbssteuer zahlen. Sie müssen sich nicht ans Vorkaufsrecht halten. Und dadurch wird eben eine Immobilie, die in eine Firma gepackt ist, zu einem ganz flexiblen und leichten Handelsgut und nicht mehr zu einer Immobilien-Immobilie."
Dem Staat entgehen eine Milliarde Euro an Steuern
Wer ein Haus kaufen will, muss Grunderwerbssteuer zahlen, und zwar bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises. Bei einem Share Deal dagegen fällt keine Grunderwerbssteuer an, denn offiziell wechselt der Eigentümer der Immobilie nicht. Es werden lediglich Anteile an dem Unternehmen verkauft, das die Immobilie besitzt.
Die Grunderwerbssteuer hierfür: null Prozent. "Share Deals sind ein großer, wichtiger Bestandteil von professionellen Immobilienhandel, und umso professioneller der Immobilienhandel wird, umso größer wird auch der Anteil der Share Deals." Schätzungen zufolge wird gut die Hälfte großer Immobilienkäufe mit Share Deal abgewickelt. Dem Staat entgehen so jährlich eine Milliarde Euro an Steuern, vermuten Experten.
Die Grunderwerbssteuer hierfür: null Prozent. "Share Deals sind ein großer, wichtiger Bestandteil von professionellen Immobilienhandel, und umso professioneller der Immobilienhandel wird, umso größer wird auch der Anteil der Share Deals." Schätzungen zufolge wird gut die Hälfte großer Immobilienkäufe mit Share Deal abgewickelt. Dem Staat entgehen so jährlich eine Milliarde Euro an Steuern, vermuten Experten.
Genau wissen aber tut das keiner. Denn das ist ja der Sinn von Share Deals: Der Eigentümer wechselt offiziell nicht. Der Staat also bekommt davon überhaupt nichts mit. Noch einmal Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit:
"Die Share Deals machen – und das ist im Bereich der Steuergerechtigkeit so das größte Schimpfwort – die Grunderwerbsteuer zu einer Dummensteuer. Also eine Steuer, die der kleine Immobilienkäufer bezahlt. Also jeder, der eine Eigentumswohnung kauft. Jeder, der in kleinem Umfang Immobilien erwirbt, zahlt die Grunderwerbssteuer. Und große professionelle Investoren, oder die dies darauf anlegen, eben Steuern möglichst aggressiv zu vermeiden, zahlen sie nicht."
"Die Share Deals machen – und das ist im Bereich der Steuergerechtigkeit so das größte Schimpfwort – die Grunderwerbsteuer zu einer Dummensteuer. Also eine Steuer, die der kleine Immobilienkäufer bezahlt. Also jeder, der eine Eigentumswohnung kauft. Jeder, der in kleinem Umfang Immobilien erwirbt, zahlt die Grunderwerbssteuer. Und große professionelle Investoren, oder die dies darauf anlegen, eben Steuern möglichst aggressiv zu vermeiden, zahlen sie nicht."
Share Deals sind legal
An einer Ausfallstraße am Rand von Berlin. Es ist ein grauer Donnerstagvormittag, um acht Uhr. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe steht vor der Steuerfahndungsbehörde Berlin. In der Hand ein unscheinbarer Umschlag.
"Soll ich es einwerfen? Toi, toi, toi" – Medien werden später schreiben, die Abgeordnete hätte Akelius angezeigt. Tatsächlich aber wirft Kiziltepe bei der Steuerfahndung lediglich eine Bitte um Prüfung ein.
"Das ist eben wieder so ein Beispiel. Es gibt in der Vergangenheit viele solcher Beispiele, wie hier Millionen von Steuern umgangen werden. Das ist legal, das muss man auch sagen. Aber dieser Steuerumgehungstatbestand wird dann illegal, wenn es sich bei dem Co-Investor um ein Unternehmen handelt, das nicht unabhängig ist."
"Soll ich es einwerfen? Toi, toi, toi" – Medien werden später schreiben, die Abgeordnete hätte Akelius angezeigt. Tatsächlich aber wirft Kiziltepe bei der Steuerfahndung lediglich eine Bitte um Prüfung ein.
"Das ist eben wieder so ein Beispiel. Es gibt in der Vergangenheit viele solcher Beispiele, wie hier Millionen von Steuern umgangen werden. Das ist legal, das muss man auch sagen. Aber dieser Steuerumgehungstatbestand wird dann illegal, wenn es sich bei dem Co-Investor um ein Unternehmen handelt, das nicht unabhängig ist."
Schnell fanden Benjamin und die anderen Mieter über LinkedIn und Google zwei Dinge heraus: Erstens, die drei Geschäftsführer des Co-Investors, der Gesellschaft auf Zypern, sind alle auch bei Akelius tätig. Zweitens hält diese Gesellschaft auch Anteile an der Akelius-Mutter, sagt Christoph Trautvetter.
"Was wir jetzt bei Akelius in Neukölln sehen, ist eine typische Variante des Share Deals, dass ein Käufer einfach zwei verschiedene Firmen gegründet, die auf dem Papier unabhängig sind, aber faktisch doch ihm gehören oder unter seiner Kontrolle stehen – und dann mit diesen zwei Firmen auf Einkaufstour geht."
Ein festgefahrenes Gesetzgebungsverfahren
Drei Jahre lang versuchte eine Bund-Länder-Kommission, Share Deals neu zu regeln. Es gab Anhörungen, Sachverständige kamen. Und alle – selbst die Lobbyisten der Immobilienwirtschaft – waren sich beim Grundproblem einig, sagt die Sozialdemokratin Cansel Kiziltepe: "Jeder normale Mensch, der sich Eigentum anschafft, muss die Grunderwerbssteuer zahlen, und das ist ein großer Betrag, und in solchen Fällen müssen es große Unternehmen eben nicht. Das ist legal."
Die SPD-Fraktion will das ändern. Steuerfrei sollen Share Deals unter anderem nur noch sein, wenn ein Käufer maximal 75 Prozent der Anteile hält. Zurzeit liegt diese Schwelle noch bei 95 Prozent.
Die Abgeordnete Kiziltepe wirft der Union vor, eine gesetzliche Lösung seit einem Jahr zu blockieren. Aus Unionskreisen wiederum heißt es: Die Sozialdemokraten seien sich selbst doch gar nicht einig. Der Vorschlag der SPD-Fraktion stünde im Widerspruch zu dem Vorschlag des SPD-Finanzministers und der Länder. Die hatten in einem Gesetzesentwurf zunächst eine Schwelle von 90 Prozent vorgeschlagen.
Klar ist nur: Das Gesetzgebungsverfahren ist schon jetzt "chaotisiert" und festgefahren. Und das, obwohl sich mit Share Deals schlecht Wahlkampf machen lässt.
"Ich finde, das ist ungerecht, dass man das eben umgehen kann durch Konstrukte, die jetzt nicht jedem offenstehen. Das finde ich ungerecht. Da würde ich schon von einer Dummensteuer sprechen, ja", sagt der Mieter Benjamin Steffens.
Akelius sieht einer möglichen Prüfung ihres Share Deals übrigens gelassen entgegen. Der Brief der SPD Bundestagsabgeordneten Kiziltepe sei eine politisch motivierte PR-Aktion gewesen.
Ob es die Koalition vor dem Ende der Legislaturperiode noch schafft, die Grenze für Share Deals abzusenken, weiß keiner. Eine niedrige Prozentzahl scheint auf jeden Fall keine Lösung zu sein. Denn Akelius besitzt an dem Haus in Neukölln genau 89,9 Prozent. Fast so, als hätten sie da was geahnt.
Die SPD-Fraktion will das ändern. Steuerfrei sollen Share Deals unter anderem nur noch sein, wenn ein Käufer maximal 75 Prozent der Anteile hält. Zurzeit liegt diese Schwelle noch bei 95 Prozent.
Die Abgeordnete Kiziltepe wirft der Union vor, eine gesetzliche Lösung seit einem Jahr zu blockieren. Aus Unionskreisen wiederum heißt es: Die Sozialdemokraten seien sich selbst doch gar nicht einig. Der Vorschlag der SPD-Fraktion stünde im Widerspruch zu dem Vorschlag des SPD-Finanzministers und der Länder. Die hatten in einem Gesetzesentwurf zunächst eine Schwelle von 90 Prozent vorgeschlagen.
Klar ist nur: Das Gesetzgebungsverfahren ist schon jetzt "chaotisiert" und festgefahren. Und das, obwohl sich mit Share Deals schlecht Wahlkampf machen lässt.
"Ich finde, das ist ungerecht, dass man das eben umgehen kann durch Konstrukte, die jetzt nicht jedem offenstehen. Das finde ich ungerecht. Da würde ich schon von einer Dummensteuer sprechen, ja", sagt der Mieter Benjamin Steffens.
Akelius sieht einer möglichen Prüfung ihres Share Deals übrigens gelassen entgegen. Der Brief der SPD Bundestagsabgeordneten Kiziltepe sei eine politisch motivierte PR-Aktion gewesen.
Ob es die Koalition vor dem Ende der Legislaturperiode noch schafft, die Grenze für Share Deals abzusenken, weiß keiner. Eine niedrige Prozentzahl scheint auf jeden Fall keine Lösung zu sein. Denn Akelius besitzt an dem Haus in Neukölln genau 89,9 Prozent. Fast so, als hätten sie da was geahnt.