Wasserschlachten, Käsekuchen und Tora
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An Schawuot soll Moses das jüdische Gesetz, die Tora, auf dem Berg Sinai empfangen haben. In Israel ist der Feiertag fast überall präsent, als Fest der Milchprodukte: An jeder Ecke werben Plakate für köstlichen Käse, Kuchen und Speiseeis.
Es sind in Israel die letzten frühlingshaften, angenehm warmen Tage, in denen die Bäume, Pflanzen und Blumen noch sprießen, bevor die Sommerhitze über das Land hereinbricht. Genau in diese Zeit fällt das Fest Schawuot. Ein buntes, fröhliches und naturnahes, aber auch ein religiöses Fest. Selbst im säkularen Tel Aviv weiß jeder, wie es gefeiert wird:
"Die meisten bereiten Milchspeisen zu. Es ist ein Grund, mit der ganzen Familie zusammen zu feiern und Spaß zu haben", sagt eine Frau. Eine andere meint: "Vor allem in den Dörfern wird gefeiert, die Landwirte bringen Körbe mit den ersten Früchten, denn jetzt an Schawuot ist Erntezeit. Es gibt alle möglichen leckeren Früchte." Eine dritte Person sagt: "Man isst Käse, Milchprodukte, Aufläufe, Kuchen, und es gibt Wasserspiele."
Wasserschlachten zum Sommerbeginn
Wasserschlachten an Schawuot? Auch Omri und Shaked erinnern sich an ihre Kindheit zurück: "Ja, genau, der Wassertag - wir haben Ballons mit Wasser gefüllt, uns hinter Autos versteckt und uns gegenseitig beschossen", erinnert sich Omri. Shaked ergänzt: "In der Stadt, in der ich groß wurde, haben wir immer schon eine Woche vorher geplant. Alle hatten Wasserpistolen, immer hat sich einer verletzt an diesem Tag, es war immer ein Durcheinander."
Doch woher kommen all diese Traditionen und was haben sie mit Schawuot zu tun? Rabbi Ariel Konstantyn leitet eine orthodoxe Gemeinde im Herzen von Tel Aviv. Er erklärt, worum es an diesem Feiertag geht:
"Schawuot wird 49 Tage nach Pessach gefeiert, als wir Ägypten verließen. Wir wanderten durch die Wüste, nachdem wir das Rote Meer durchquert hatten, und dann kamen wir am Berg Sinai an. Dort hieß es, würden wir die Zehn Gebote empfangen. Und diese Gebote würden uns von Moses gegeben, aber durch die Worte Gottes. Wir würden Gott direkt sprechen hören, während Moses auf der Bergspitze steht. Das war eine sehr starke Erfahrung."
Noch heute ist es Brauch, die Nacht vorher durchzuwachen und bis zum Morgengrauen die Tora zu lesen, die den Juden damals von Gott gegeben wurde. Tel Aviv, die Stadt, die niemals schläft, ist zwar eher für ihre Partys bekannt als für ihre Gottesfürchtigkeit. Doch auch hier sitzen in dieser Nacht überall Menschen zusammen und diskutieren, nicht nur Religiöses, sondern auch gesellschaftliche und philosophische Themen.
Wachbleiben als Wiedergutmachtung
Tikkun Leil Schawuot wird das genannt. Tikkun bedeutet Wiedergutmachung - das hat mit jener Nacht vor Schawuot am Berg Sinai zu tun. Die Tora sollte dem jüdischen Volk in den frühen Morgenstunden des 6. Siwan im jüdischen Kalender übergeben werden. Wie es weiterging, weiß Rabbi Arie Konstantin:
"Keiner war da! Alle schliefen. Als ob sie den Schlummerknopf am Wecker gedrückt haben, Moses sagte: "Um Gottes willen, wo sind denn alle?" Er rannte umher, schrie: "Leute, aufstehen, es ist an der Zeit! Kommt, kommt!" Wir möchten also einen Tikkun machen, wir möchten es wiedergutmachen, deshalb sagen wir: Wir gehen noch nicht einmal ins Bett in jener Nacht, wir werden die Tora die ganze Nacht durch lernen und beim ersten Morgengrauen gehen wir beten, lesen die Zehn Gebote in der Tora. Das ist eine Wiedergutmachung."
Milch, Speiseeis und Käsekuchen
Und am nächsten Tag dann wird gefeiert, mit jeder Menge Käse, Aufläufen und Käsekuchen. In den Wochen zuvor hängen überall in Israel riesige Werbeplakate der Molkereien im Land. Welche Zeitung man auch aufschlägt, überall ist Käse im Angebot. Doch was haben Milchspeisen mit dem Erhalt der Tora und den zehn Geboten zu tun?
Für diesen Brauch gibt es nicht den einen wahren Grund, wohl aber mehrere Theorien, sagt Rabbi Konstantyn. Zum Beispiel die, dass bis zu jenem Zeitpunkt die Speisevorschriften eher als Brauch gehandhabt wurden. Tiere zu schächten und das Fleisch koscher zuzubereiten, war so kompliziert, dass man lieber auf die genauen schriftlichen Regeln warten wollte, und kurz davor lieber Milchprodukte aß.
Rabbi Konstantyn kennt noch eine andere Theorie: "Es gibt den Vers: "Milch und Honig unter Deiner Zunge." Es steht also für das Süße. Und wenn wir einem Kind die Tora beibringen, dann bekommt es ein bisschen Honig, damit das Studium versüßt wird. Milch ist auch süß, und deshalb essen wir Milchprodukte, weil wir damit das Studium der Tora an Schawuot verbinden."
Jüdisches Fest für Anti-Religiöse
Doch Schawuot ist auch eine Art Erntedankfest und daher ein Fest, dass vor allem auf dem Land, in den Dörfern und den Kibbuzim, eine große Bedeutung hat. Die Deutsche Claudia Adada lebt schon seit vielen Jahrzehnten im Kibbuz Ramat Rachel nahe Jerusalem. Sie weiß, warum Schawuot ausgerechnet in den sehr säkularen Kibbizum groß gefeiert wird:
"Die ersten Pioniere, die waren nicht nur nicht religiös, sondern anti-religiös. Aber Schawuot, weil das mit der Ernte und der Erde zu tun hat, war trotzdem ein Fest, das gefeiert wurde. Nicht mit religiösem Hintergrund, aber mit Volkstänzen, und dann vor allen Dingen die Ernte, die gefeiert wurde. Die ersten Früchte, das erste Korn, und dann auch die Kinder, die ersten Kinder, die geboren wurden. Und deswegen ist das auch für Kibbuzim besonders wichtig."
In vielen Kibbuzim dürfen frischgebackene Mütter daher auch die neugeborenen Kinder an Schawuot stolz auf der Bühne präsentieren. Überhaupt ist das Fest vor allem für Kinder ein ein großes Vergnügen:
"Bevor Erev Schawuot, der Abend, anfängt, sammeln sich die Kinder und die Erwachsenen irgendwo und schmücken die Traktoren und die Geräte, die wir haben, mit bunten Bändeln. Und dann bringen wir große Wagen, wo die Kinder draufsitzen und mitfahren können, in den letzten Jahren haben wir einen kleinen Zug gebaut."
Erntefest seit alter Zeit
Schon zur Zeit des zweiten Tempels vor mehr als 2000 Jahren wurde Schawuot auch als Erntedankfest gefeiert. Schließlich wird in Israel bereits zum Ende des Frühlings geerntet, bevor die große Sommerhitze beginnt. Und damals war die Ernte mit einer Fahrt nach Jerusalem, zum Tempel verbunden, sagt Rabbi Konstantyn:
"Es gibt diese Zeremonie der ersten Früchte, die wir zum Tempel gebracht haben, um Gott zu danken, für alle, was wir bekommen haben. Deshalb geht die erste Ernte stellvertretend an die Cohanim, die Hohenpriester. Nach 2000 Jahren in der Diaspora sind wir wieder zu einer Gesellschaft mit Landwirtschaft geworden. Plötzlich sind wir wieder zurück in unserem eigenen Land und haben mit dem Anbau begonnen. Das Erntefest ist in der heutigen israelischen Gesellschaft wieder sehr beliebt, überall wird mit Weizen geschmückt und Jungen und Mädchen tragen Weiß."
Und auch Erwachsene tragen an Schawuot weiß, so ist es auch an hohen jüdischen Feiertagen wie Yom Kippur oder Rosch HaSchana üblich. Auch für diesen Brauch gibt es verschiedene Erklärungsansätze: Weiß ist beispielsweise ein Symbol der Freude, aber auch der Reinheit.
Kein jüdischer Grund für Wasserspiele
Bleibt noch die Frage, was es mit den Wasserspielen an Schawuot auf sich hat. Doch hier ist Rabbi Konstantyn mit seinem rabbinischen Wissen am Ende:
"Wasser wird eigentlich eher mit dem Sukkoth-Fest in Verbindung gebracht. Wie es sich in das Schawuot-Fest eingeschlichen hat, kann höchstens damit erklärt werden, dass man den Beginn des Sommers feiert, das ist wohl ein netter Dreh."
Die Wasserschlachten in den Straßen der Dörfer und Städte, das ist dann wohl, neben den landwirtschaftlichen Umzügen in den Kibbuzim, die israelischste Art, Schawuot zu feiern - und wohl auch ziemlich moderne und säkulare Art. Aber eben auch eine, die den wirklich heißen Sommer in diesem Land erfrischend einläutet.