Sheera Frenkel, Cecilia Kang: "Inside Facebook. Die hässliche Wahrheit"
Aus dem Englischen von Henning Dedekind, Marlene Fleißig, Frank Lachmann und Hans-Peter Remmler
S. Fischer, Frankfurt am Main 2021
384 Seiten, 24 Euro
Das autoritäre Innenleben des Internet-Riesen
06:41 Minuten
Datenmissbrauch und die Verbreitung von Hate Speech und Verschwörungsmythen sorgen seit Jahren für Empörung gegen Facebook. Nun zeigt ein neues Buch, wie unzureichend das Unternehmen intern auf die Skandale reagiert hat.
Ist Facebook am Ende? Klingt unvorstellbar, ist es aber nicht. Seit Dezember letzten Jahres läuft in den USA ein Kartellverfahren gegen den Konzern. Damit steht die Zerschlagung als Möglichkeit im Raum. Aber könnte es nicht auch eine Nummer kleiner gehen, um den Machtmissbrauch zu unterbinden, der dem sozialen Netzwerk vorgeworfen wird? Offenbar nicht, wie die Investigativjournalistinnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang belegen. Denn Facebook hält sich nicht an die Regeln.
Psychogramm einer unberechenbaren Führung
Wie undurchsichtig der Internet-Riese bis heute seine unternehmerischen Entscheidungen fällt, dazu haben die beiden Reporterinnen der New York Times über vierhundert Menschen interviewt, die für das Netzwerk tätig waren oder es noch sind. Zusätzlich wurden Gespräche mit Politikern und Aufsichtsbehörden ausgewertet.
Entstanden ist das Psychogramm einer autoritären, unberechenbaren Führung, die zwar oft das Gegenteil behauptet, aber alles dem einen Unternehmensziel unterordnet: dass Nutzer oft und lange auf der Plattform sind – egal, welche gesellschaftlichen Folgen das hat. Dagegen hilft, so wird klar, nur maximaler politischer Druck.
Frust der Facebook-Mitarbeiter
Die Fälle, die Frenkel und Kang heranziehen, sind allesamt bekannt. Doch erst jetzt, da sie die Perspektive von innen liefern, wird das Bild vollständig. Prominenteste Beispiele: die Beeinflussung der Präsidentschaftswahl 2016 durch von Russland bezahlte Anzeigen, wovon auch Donald Trump profitiert hat, der Datenmissbrauch im Cambridge-Analytica-Skandal oder der Genozid an den Rohingya in Myanmar, der durch soziale Medien maßgeblich befeuert wurde.
Detailliert geben die Journalistinnen die unternehmensinternen Debatten zu Protokoll, die aus diesen Skandalen erwachsen sind, die aber kaum dazu führen, dass die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Immer wieder kommt der Frust der Facebook-Mitarbeiter darüber zur Sprache. 2016 etwa, im Wahlkampf, dürfen sie keine Falschmeldungen löschen. Besonders empörend: Auch 2020 habe Mark Zuckerberg persönlich zugelassen, dass Politiker in ihren Wahlkampagnen Lügen auf der Plattform verbreiten können. Die Begründung: Es gelte Meinungsfreiheit.
Russische Desinformations-Aktivitäten
Frenkel und Kang nennen aber auch konkrete Namen, nämlich wenn sie zeigen, wie auch hochrangige Manager bei Zuckerberg auf Granit stoßen. Wie Alex Stamos, mehrere Jahre Sicherheitschef bei Facebook, der mit seinem Team schon frühzeitig die russischen Desinformationsaktivitäten aufgedeckt hatte. Lange dringt er mit diesen Informationen in der Unternehmensbürokratie gar nicht durch, dann eckt er mit seinen Verbesserungsvorschlägen an, und schließlich wird er gefeuert. Und auch Vertreter der Zivilgesellschaft, die gemeinsam mit Facebook gegen Desinformation in Myanmar vorgehen wollen, prallen ab.
Weil die Fülle der Beispiele so groß ist, sind sich Sheera Frenkel und Cecilia Kang sicher: Ein Wandel von Facebook wird nicht von innen heraus kommen. Dazu sei der Algorithmus, der die Menschen über Facebook verbinde, einfach zu lukrativ. Genau deshalb ist ihr Enthüllungsbuch so wichtig. Es wird den politischen Druck auf Facebook erhöhen.