Karunatilaka: "Sieben Monde"
© Rowohlt
Totentanz im Bürgerkrieg
06:02 Minuten
Shehan Karunatilaka
Aus dem Englischen von Hannes Meyer
Die sieben Monde des Maali AlmeidaRowohlt Verlag, Hamburg 2023544 Seiten
30,00 Euro
Maali ist tot, doch er muss die Machenschaften seiner Regierung offenlegen. Sieben Monde hat er Zeit. Zwischen Leben und Tod, Mythologie und historischer Realität wirbelt Booker-Preisträger Shehan Karunatilaka durchs Sri-Lanka der 1990er-Jahre.
40 Jahre ist es her, dass in Sri Lanka mit dem sogenannten Schwarzen Juli 1983 ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit begann. Rund 100.000 Menschen, so vermutet man, sind diesem Krieg bis 2009 zum Opfer gefallen.
Lange waren die Gräuel, die von den Kriegsparteien verübt wurden, ein Tabu. Mit umso größerem Staunen liest man deshalb Shehan Karunatilakas Roman „Die sieben Monde des Maali Almeida“, mit dem der Autor an die vielen namenlosen Toten erinnert und für den er vergangenes Jahr den britischen Booker Prize gewann.
Ein Toter mit Mission
Der Roman spielt 1990; die Hauptfigur heißt Maali Almeida. Er ist der Sohn eines Singhalesen und einer eurasischen Burgherin. Er verdingt sich im Krieg als Fotograf und Fixer für ausländische Reporter ebenso wie für die eigene Regierung. Vor allem aber ist er tot.
Soeben wurde seine malträtierte Leiche in Colombo, dem Schauplatz des Romans, in einem See versenkt. Nun befindet er sich zwischen Leben und Tod, zwischen Erinnern und Vergessen. Sieben Monde hat er dort Zeit, um herauszufinden, wer ihn ermordet hat.
Um sein Vermächtnis zu retten: brisante Fotos, die die blutigen Machenschaften der Regierung offenlegen. So will er auch die einzigen beiden Menschen retten, die er je geliebt hat: seinen Lover Dilan, der Sohn eines Kabinettministers, und seine beste Freundin Jaki, Dilans Cousine.
Mythologie trifft historische Figuren
Maali erzählt seine eigene Geschichte, adressiert sich aber bis zum Ende des Romans als „du“. Das ist ein gewagtes, oft manieriert anmutendes Stilmittel. Nicht so bei Karunatilaka, einem der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Sri Lankas, der hier einen ambitionierten literarischen Totentanz entbietet. Mit Rasanz, mit mal abgründigem, mal wüstem Witz erzählt er das Trauma des Bürgerkriegs, vor allem die Pogrome an den Tamilen im Juli 1983.
Er macht zugleich klar: Beteiligte, das heißt Mitschuldige, gab es viele. An der Front kämpfte nicht nur die Separatistenbewegung „Tamil Tiger“ (LTTE) gegen Regierungstruppen. Zahlreiche andere ausländische Mächte von Indien bis Israel wirkten im Hintergrund. Die einen schickten Militär, die anderen Menschenrechtsorganisationen, Reporter, Waffendealer oder Spione.
Kämpfen fürs Erinnern
Wild wirbelt der Autor dabei Figuren der Mythologie mit realen historischen Figuren und Fakten zusammen; die Toten wandeln unter den Lebenden. Als der siebte Mond aufsteigt, kommt es zum Showdown – zwischen denen, die vergessen wollen, und denen, die für das Erinnern kämpfen.
Zu Letzteren zählt auch der Autor selbst. Sein Roman „Die sieben Monde des Maali Almeida“, von Hannes Meyer mit Esprit und Tempo ins Deutsche übertragen, legt Zeugnis ab: von den Toten, vom Gewicht der Zeugenschaft und von der Rolle, die der Literatur hierbei zukommen kann.