Große Oper als Kunst-Experiment
Bei den Salzburger Festspielen inszeniert die Foto- und Filmkünstlerin Shirin Neshat erstmals Verdis Aida. Doch trotz glänzender Besetzung bleibt das Experiment hinter den Erwartungen zurück.
Anna Netrebko als Aida und Riccardo Muti mit den Wiener Philharmonikern - das hätte schon gereicht, um den Hype um die spektakulärste diesjährige Festspielpremiere zu schüren. Doch Intendant Markus Hinterhäuser setzte noch eins drauf, indem er die hoch geschätzte iranische Videokünstlerin Shirin Neshat für die Regie verpflichtete.
Zum ersten Mal inszenierte die preisgekrönte Filmregisseurin von "Women without Men" eine Oper. Im Vorfeld erklärte sie, die Aida-Thematik habe sehr viel mit ihrem eigenen Schicksal als Vertriebene zu tun, sie können sich gut in den Stoff einfühlen. So stiegen die Erwartungen und die Kartenpreise für die Salzburger Aida ins Exorbitante. Was dann auf der Bühne im Großen Festspielhaus zu sehen war, erinnerte mehr an Oberammergauer Passionsfestspiele und enttäuschte durch mangelnde Personenführung und Rampensingen von vorgestern. Viel zu selten kamen Neshats Videos mit Flüchtlingsbildern der besiegten Äthiopier auf dem dreh- und teilbaren weißen Kubus von Bühnenbildner Christian Schmidt zum Einsatz, stattdessen marschierte der Chor der Ägypter in strengen Prozessionen und wallenden geistlichen Gewändern auf und blieb schön symmetrisch zum Triumphmarsch aufgereiht stehen.
Herausragende Sänger, schwache szenische Leistung
Das zahlungskräftige Publikum mit Rang und Namen saß und schaute, die Sänger standen und sangen. Das taten sie ausgezeichnet zusammen mit Riccardo Mutis ausgefeiltem Verdiklang aus dem Orchestergraben. Anna Netrebko bestätigt einmal mehr ihren Rang der Diva assoluta unserer Zeit. Rund und strahlend ihr Klang, makellos ihre Gestaltung von profunder Tiefe bis hin zu schwebenden Spitzentönen. Francesco Meli als Radames ist ihr mit kerniger Mittellage beinahe ebenbürtig, Luca Salsi gibt den Amonasro souverän und Ekaterina Semenchuk wirkt als Amneris etwas blasser als die Titelheldin.
Insgesamt erfüllt die musikalische Seite die hohen Erwartungen und wird durch die schwache szenische Leistung wenigstens nicht gestört. Schade, dass Shirin Neshat ihre sonst so starke Aussagekraft auf der Opernbühne nicht visualisieren konnte. Den Mut zum Experiment kann man anerkennen, aber dieser erste Versuch ist nicht geglückt.