Shortlist Deutscher Buchpreis 2024

Stilistisch unterschiedlich, literarisch überzeugend

Die sechs Romane der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024
Das dickste Buch der Shortlist hat in diesem Jahr Clemens Meyer mit "Die Projektoren" beigetragen - über 1000 Seiten stark. © Christof Jakob / Deutscher Buchpreis
Von Carsten Hueck |
Auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises sind neben etablierten Autoren wie Clemens Meyer auch weniger bekannte wie Markus Thielemann. Die Auswahl unterstreicht nach Meinung unseres Kritikers in jedem Fall eines: die erzählerische Vielfalt.
Die Jury des Deutschen Buchpreises hat ihre Shortlist bekanntgegeben. Die nominierten sechs Titel sind:
Die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024 unterstreicht in jedem Fall eines: die erzählerische Vielfalt. Stilistisch unterschiedlich, immer aber literarisch überzeugend wie „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“ von Martina Hefter, Ronya Othmanns „Vierundsiebzig“, „Die Projektoren“ von Clemens J. Meyer oder Iris Wolffs Roman „Lichtungen“ über ein Liebespaar, das die Veränderungen in Europa als Freiheit und Last erlebt.

Starke Erzählungen

Starke Erzählungen weitgehend bekannter Autoren und Autorinnen: Iris Wolff, Clemens Meyer, Ronya Othmann, Martina Hefter. Aber auch solche, die mit ihrem zweiten bzw. dritten Buch jetzt zum ersten Mal auf der Shortlist nominiert sind, wie Maren Kames und Markus Thielemann. Gemeinsam ist allen Nominierten, dass sie die jüngere Gegenwart erfassen, sie dabei aber auch aus der Historie ableiten.
Wohl am deutlichsten tut das Clemens Meyer mit „Die Projektoren“, einem Mammutwerk, das einen Bogen schlägt von Karl May zum Zweiten Weltkrieg, den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien zu den Brüchen der heutigen Zeit.
Oder auch Ronya Othmann, die mit „Vierundsiebzig“ in einem Mix von Reportage, Protokoll und Autobiografischem sich dem Grauen von Massenverbrechen literarisch nähert. Reine Unterhaltungskultur kommt in diesem Jahr auf der Shortlist nicht vor. Es geht darum, kraft unterschiedlicher Ästhetiken zu zeigen, wie die deutsche Gegenwartsliteratur mit Gewalt, Bedrohung, Manipulation und einer verstörenden Welt umgeht.

Die nominierten Titel kurz vorgestellt:

Martina Hefter: "Hey, guten Morgen, wie geht es dir?"
Um göttliche Namen und sehr irdische Probleme geht es in diesem Roman. Jupiter ist schwer an Multipler Sklerose (MS) erkrankt. Seine Frau Juno, eine Tänzerin, hilft ihm nach Kräften und versucht, mit der Realität einer Liebesbeziehung zu einem Kranken klarzukommen. Einer ihrer Fluchtmomente sind die nächtlichen Chats mit sogenannten Love-Scammern. Martina Hefter verarbeitet hier auch die Geschichte ihres Mannes Jan Kuhlbrodt, der an MS erkrankt ist.

Ronya Othmann: „Vierundsiebzig“
Der Völkermord an den Jesiden 2014 durch den IS gehört wohl zu den grausamsten Ereignissen der jüngeren Geschichte. Ronya Othmann, selbst jesidischer Abstammung, ist für ihren Roman an die Tatorte gereist - und versucht, das Unsägliche in Worte zu fassen.

Maren Kames: „Hasenprosa“
Sprachkunst mit Oma: Maren Kames, bekannt für ihre hybriden Texte, die in gleichem Maße Lyrikbände wie Drehbücher, Songbooks oder Mini-Dramen sind, liefert in ihrem Roman „Hasenprosa“ frei flottierende Prosa mit einem Schuss Familienkonstellation.

Clemens Meyer: "Die Projektoren"
Acht Jahre hat Clemens Meyer an dem Roman „Die Projektoren“ geschrieben. Entstanden ist ein Epos, das von Krieg, Krisen und Gewalt in Europa erzählt und dabei Karl May huldigt. 

Markus Thielemann: „Vom Norden rollt ein Donner“
In seinem zweiten Roman "Vom Norden rollt ein Donner" erzählt der Autor Markus Thielemann von der Lüneburger Heide als einem Ort dunkler Geheimnisse, deutscher Mythen und wortkarger Hirten. Ein spannungsreiches Panorama mit erzählerischen Längen.

Iris Wolff: „Lichtungen"
Die Schriftstellerin Iris Wolff widmet ihren neuen Roman „Lichtungen“ der Geschichte einer Freundschaft: Lev und Kato freunden sich im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien als Kinder an, verlieren sich aus den Augen und finden sich wieder.
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