Shoval: Netanjahu wird Ministerpräsident

Zalman Shoval im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Zalman Shoval, ehemaliger israelischer Botschafter in den USA, rechnet damit, dass Benjamin Netanjahu neuer israelischer Ministerpräsident wird. Nach der Gesetzeslage sei zunächst der Kandidat mit der Regierungsbildung zu betrauen, der die besten Chancen habe, eine Koalition zu schmieden, und da verfüge der "Zentrum-Rechts-Block" um Netanjahu über eine Mehrheit.
Birgit Kolkmann: Es war eine für den Nahost-Friedensprozess entscheidende Parlamentswahl und das Ergebnis ist knapp ausgefallen zwischen den beiden großen Parteien, aber die Parlamentsmehrheit ist klar rechts. Jetzt hat der Präsident das Sagen. Er muss den Auftrag für die Regierungsbildung vergeben und diese dürfte schwer werden, wenn es denn Zipi Livni wird, die die Regierung bilden soll. Dann hätte sie vier Wochen Zeit. – Zalman Shoval ist ehemaliger Botschafter Israels in den USA. Ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!

Zalman Shoval: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Shoval, ist Zipi Livni eine Wahlsiegerin, die zwar erste wurde, aber es wahrscheinlich trotzdem nicht aufs Treppchen schafft?

Shoval: Ja, ich glaube, das ist ziemlich klar, denn laut der gesetzlichen Lage in Israel ist es nicht die Partei, die die meisten Stimmen bekommen hat, die die erste Chance zur Regierungsbildung hat, sondern der Kandidat, der die besten Chancen hat, die besten Möglichkeiten hat, eine Koalition zu schaffen, also eine Regierung, und das ist ganz klar der Block Zentrum-Rechts, also von Netanjahu angeführt, ein Block, eine Gruppe, die eine Mehrheit von zirka 20 Mitgliedern hat. Die Lage ist also sehr klar.

Kolkmann: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass Benjamin Netanjahu der neue Ministerpräsident Israels wird?

Shoval: Ja. Ich glaube, das ist zweifellos.

Kolkmann: Ist das eine Katastrophe für den Friedensprozess?

Shoval: Nein! Wissen Sie, Israel hat heute zwei Friedensverträge mit arabischen Ländern; beide wurden von Likud-Regierungen entweder verhandelt, unterschrieben oder wie gesagt verhandelt, Ägypten wie auch Jordanien, und man könnte vielleicht sogar sagen, gerade wenn eine Regierung vom Zentrum rechts ist, hat sie eine bessere Chance, weil das Zentrum links wird dann jeden Friedensvertrag oder jede Konditionen oder sogenannte Themen und so weiter fast automatisch unterstützen. Nein, ich denke, die Chancen sind vielleicht verbessert, aber wissen Sie, das ist wirklich nicht das Hauptproblem, das heute vor Israel steht. Das Hauptproblem ist Iran und zur Frage Iran sind keine Unterschiede zwischen den großen Parteien in Israel, zwischen Likud, zwischen der Kadima und der Arbeiterpartei. Das wäre vielleicht auch die Basis für eine zukünftige große Koalition, denn das ist das Hauptproblem für Israel heute: Iran und nach dem vielleicht die Wirtschaftsfrage.

Kolkmann: Nun sprachen wir ja eben über eine Rechtskoalition und da wäre dann auch "Israel Beitenu" dabei mit dem Ultranationalisten Liebermann an der Spitze, der gesagt hat, den Gazastreifen sollte man am besten plattwalzen, und der auch, wenn Sie Iran ansprechen, gesagt hat, dass man da möglicherweise militärische Schritte nicht ausschließen soll in Punkto Atomprogramm. Das sind allerdings keine Töne, die an friedlichem Miteinander mit den Nachbarn interessiert sind, oder?

Shoval: Ja. Wissen Sie, was Iran anbetrifft sagen ja alle, wie auch die europäischen Regierungshäupter und auch sogar Präsident Obama, dass die militärische Option vielleicht die letzte Option ist, aber sie ist bestimmt auch auf dem Tisch, wenn nichts anderes helfen könnte. Aber wissen Sie, die Partei von dem Herrn Liebermann war ja ein Mitglied in der Regierung Kadima, die von Ehud Olmert und von Zipi Livni geführt worden ist. Also das wäre nicht irgendein vollkommen neuer Durchbruch oder irgend so etwas; das wäre vielleicht eine Möglichkeit. Aber wissen Sie, die Wahlkampagne ist jetzt vorüber. Jetzt muss man von der Zukunft sprechen und sobald man am Regierungstisch sitzt, sehen manchmal die Sachen etwas anders aus, als sie früher ausgesehen haben.

Kolkmann: Was glauben Sie, wenn es eine Rechtsregierung in Israel geben wird, wie die mit der neuen Administration von Barack Obama zusammenarbeiten wird? Wird es da Probleme geben, Konflikte, was den Friedensprozess angeht, oder können Sie sich vorstellen, dass da sehr konstruktiv gearbeitet wird?

Shoval: Schauen Sie, ich kann mir jedenfalls vorstellen, würde ich sagen, aufgrund auch meines eigenen Erfahrens – ich habe verschiedenen Regierungen gedient, auch in Israel und auch in Amerika -, die Interessen sind wichtiger als verschiedene Meinungsverschiedenheiten, die immer irgendwie aufkommen können, auch wenn eine Arbeiterregierung in Israel war, sogar unter Rabin und so weiter. Aber beide Seiten sind natürlich strategische Partner. Die Gefahren, die uns alle vorstehen, also die iranische Nuklearfrage, der Terrorismus, machen keinen Unterschied zwischen einer Rechtsregierung und einer Linksregierung. Obama und Netanjahu kennen sich gut, auch in Fragen Irans, aber auch in Fragen des sogenannten Friedensprozesses, und ich könnte mir vorstellen, weil beiden etwas gelingen will. Beide wollen einen Erfolg haben in ihren verschiedenen Funktionen. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass die Zusammenarbeit der beiden Regierungen gerade nicht schlecht sein wird.

Kolkmann: Geht auf jeden Fall aber ein Friedensprozess nur weiter mit Hilfe der USA?

Shoval: Ich glaube, ohne Hilfe der USA ist es schwer. Das sagt nicht unbedingt, dass die Initiativen von den Amerikanern kommen. Wie Sie wissen: der Frieden zwischen Israel und Ägypten war keine amerikanische Initiative und auch der Oslo-Prozess, der zwar misslungen ist, war keine amerikanische Initiative. Aber wenn sich die zwei Seiten, also Israel und die Palästinenser – und das ist noch eine große Frage, was für eine palästinensische Führung gibt es überhaupt; aber wollen wir sagen, wir sind optimistisch, beide Seiten können eine Art von Modus vivendi theoretisch wenigstens ausarbeiten -, dann ist die Hilfe der Amerikaner besonders wichtig, um die Sache bis zum Schlusspunkt zu bringen.

Kolkmann: Vielen Dank, Zalman Shoval. Er war ehemals Botschafter Israels in den USA. Das war sein Kommentar zum Wahlergebnis in Israel. Ich bedanke mich für das Gespräch.

Shoval: Vielen Dank!


Das Gespräch mit Zalman Shoval können Sie bis zum 11. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio