"Ein Traum, den ich mir erfüllen wollte"
Der Berliner Theatermann Andreas Walter holt vergessene Kuscheltiere aus vergangenen Kindertagen ins Leben zurück und auf die Bühne. Seit elf Jahren ist er mit seiner Schmusetier-Soap schon auf Tour.
"Also das ist hier so mein Trashbereich, also das sind die Tiere da in der Ecke, der Quadratmeter voller Tiere. Hier das war zum Beispiel so ein aggressives Eichhörnchen, das kann auch krabbeln und die Augen blinken."
Andreas Walter mag seinen Eichkater mit Showeffekt. Wohlwollen liegt auf dem Gesicht des 47-Jährigen. Kurze braune Haare, kleiner Bart, nicht so ganz kleiner Bauch – ganz der Typ gemütlicher Nachbar von gegenüber. Allerdings mit einer ungewöhnlichen Vorliebe: Andreas Walter spielt mit Kuscheltieren. Nicht kindkompatibel, öffentlich und laut.
"Willkommen zur Europameisterschaft im Wrestling. In der linken Ecke tritt an: Die Kampfmaschine, Träger des schwarzen Gürtels in Karate, Träger des grauen Gürtels in Judo, Thunder-Bell. Und in der rechten Ecke der absolut durchgeknallte morallose, ohne Regeln kämpfende Hippie-Killer. Häääh! Lachen."
Der Kampf eines pickelübersähten gelben Bärens gegen ein schleimgrünes Ungetier mit Glibberbeinen. Beide sind Gast-Stars in der Folge 103 der Kuscheltiersoap "Humana Leben in Berlin". Andreas Walter und seine Schauspiel-Kollegin Ulrike Dittrich touren mit ihrer Stofftier-Seifenoper durch die Bars und Kneipen Berlins. Die Bühne ist ein mal ein Meter großer aufklappbarer Kasten, zusammengenagelt aus Sperrholzbrettern. Ein Diaprojektor wirft Fotos von Wohnzimmern und Straßenszenen auf die Rückwand. Liebe, Intrige, Leidenschaft - Kuscheltierspiele für Liebhaber mittelschwerer Kost:
Bevor die regressive Phase des Andreas Walter vor elf Jahren begann, arbeitete der gebürtige Oldenburger als Vertragsbuchhändler, studierte Theaterwissenschaften, betrieb eine Lesebühne und gründete unter anderem einen Schlagerchor.
"Wir haben ´Take That`gesungen und ich wollte, dass da beim Schluss des Titels, dass Frauen Stofftiere auf die Bühne werfen. Das war ein Traum, den wollte ich mir mal als Showmensch, den wollte ich mir mal erfüllen."
Plüschferkel und Schweinehunde
So kamen Massen von Stofftieren zu Andreas Walter. Von Anfang an dabei:
"Ralph, ein lethargisches Schwein in einem sehr knapp sitzenden Supermann-Kostüm, und der ist eigentlich so wie Du und ich, der gern einfach lang ausschläft, der es eigentlich ganz nett haben will und gern mal ein Bier mit seinen Freunden trinkt. Mir ist am ähnlichsten dieser Ralph."
Plüschferkel als Verkörperung des inneren Schweinehundes. Um in Schwung zu bleiben, helfen die Zwillinge im Grundschulalter, die ihren Vater ziemlich fordern.
"Meine Frau hat jetzt `nen Facharzt machen müssen, da war sie echt auf Montage die ganze Zeit. Da war ich doch ganz schön Mutti hier. Es ist schon so, dass meine Frau als Ärztin mehr Geld verdient als ich. Jetzt war zum Beispiel die Schmusetiersoap sehr wichtig für mich mit zwei Kindern. Dass ich abends noch mal rauskomme und dass ich weiter am kulturellen Leben in Berlins teilhaben kann und da auftreten kann."
Der Stofftiersoap-Intendant hat lange Theater mit menschlichen Schauspielern gemacht. Anfang der 90er-Jahre zog er ein alternatives Theaterprojekt auf. Als Geschäftsführer war er für das Geldbesorgen zuständig, dafür Subventionsgeber zu überzeugen. Das nervte.
"Da hat es mich doch interessiert, wie kann ich neue Wege eingehen, wie kann ich Projekte machen, die mich nicht abhängig machen von dem drumherum."
Reminiszenz an die Jugend
Von der Idee bis zur Umsetzung – die Seifenoper in Plüsch geht kurze Wege. In einer Woche schreibt Andreas Walter die Texte für die nächsten Auftritte, sucht Requisiten wie den rotierenden Heiligenschein oder die Konfettipistole zusammen und probt. Die Auftritte dann am Wochenende. Der Eintritt ist frei. Am Ende jeder Vorstellung wird jedoch um Kollekte gebeten – eine Reminiszenz an die Jugend von Andreas Walter:
"Mein Vater ist Diakon der evangelischen Kirche. Ich hab eine sehr große kirchliche Vergangenheit. Wir haben das jetzt ein bisschen adaptiert, also wir haben einen Klingelbeutel, der eigentlich ein Käscher ist, und wenn ein Schein hineinfällt, erklingt dieses wunderbare Geräusch. Trööt."
Andreas Walter hat noch viel vor: Er möchte demnächst unter anderem seine Diskussionsshow "Greencard"’ wiederbeleben, bei der Bewerber in einer Art Casting versuchen, Zuschauer für ihre Person zu gewinnen. Das braucht Zeit – und Platz. Da schafft eine innovative Einrichtungsidee rund ums Schmuseltier Raum für Neues:
"Ich schmeiß die nicht weg, sondern ich polster’ jetzt damit den Stuhl, ich kleide den oben und unten, rechts und links mit Kuscheltieren aus, das ich einen schönen Kuscheltiersessel hab. Ich hab ein weiches Polstermöbel und kann trotzdem diese Tiere noch bunkern."
Die Tiere haben einiges hinter sich, haben aber nie die Bekanntschaft mit einer Waschmaschine gemacht. Nach harten Arbeitsjahren und Kampfeinsätzen auf der Bühne wirkt da manch Darsteller wie eine pelzige Bakterienschleuder. Nur notdürftig gesäubert.
"Als wir das Massaker gemacht haben, da habe ich schon Mal den Ketchup wieder ab gemacht mit dem Lappen. Aber gewaschen wird da nichts. Dat muss so sein, das gibt die Patina. Auf der Bühne siehst du es nicht so, wie schlimm die wirklich aussehen."