Sybilla Schwarz: "Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden"
(Femmes de Lettres Band 5)
Werkauswahl
Herausgegeben von Gudrun Weiland
Secession Verlag, Zürich
240 Seiten, 20 €
Die pommersche Sappho
07:36 Minuten
Vor 400 Jahren wurde Sibylla Schwarz geboren. Sie wurde nur 17 Jahre alt, hinterließ aber über 100 Dichtungen. Damit diese Dichterin gebührend wiederentdeckt wird, erscheint jetzt im Secession Verlag eine Sammlung ausgewählter Werke.
Am 24. Februar 1621 wurde in Greifswald Sibylla Schwarz geboren, die einzige deutsche Dichterin in ihrem Jahrhundert, die eine eigene Werkausgabe erhielt. Das war 1650. Da war sie allerdings schon tot.
Sibylla Schwarz wurde nur 17 Jahre alt. Dennoch hat sie über 100 Dichtungen hinterlassen, die keineswegs nur für Fachleute bemerkenswert sind. Einige von ihnen sind von zeitloser Schönheit, viele von großer poetischer Kraft. Außerdem zeugen sie von einem erstaunlichen Selbstbewussten der Autorin als Bürgerin, als Dichterin und als Frau:
"Ich weiß nicht, wo ich bin, mein Herz beginnt zu funken,
Durch ungewohnten Brand, die Sprach ist ungehemmt,
Die Feder ist voll Saft und gänzlich ungezähmt".
Durch ungewohnten Brand, die Sprach ist ungehemmt,
Die Feder ist voll Saft und gänzlich ungezähmt".
Gleich zwei Werkausgaben
Den 400. Geburtstag nehmen ihre Heimatstadt, deren Universität und ein umtriebiger Verein zum Anlass, der weithin Vergessenen ihren angemessenen Platz im kulturellen Gedächtnis wieder zu geben. Es gibt eine Vortragsreihe, eine Ausstellung, gleich zwei Werkausgaben und in der Reihe "Femmes de Lettre" im Secession Verlag erscheinen ausgewählte Werke: Ich fliege Himmel an mit ungezähmten Pferden.
Vater förderte die begabte Tochter
Der starke Titel ist charakteristisch für die bildmächtige, ihrer Kraft bewusste Sprache der jungen Frau. Dabei sprachen die Umstände gegen sie: Als sie geboren wurde, war schon Krieg, als sie an der Ruhr starb, immer noch.
Die Mutter war an der Pest gestorben, was bedeutete, dass Sibylla mehr Aufgaben im Haushalt übernehmen musste. Außerdem waren die Mütter für die Bildung der Mädchen zuständig, die die höheren Lateinschulen nicht besuchen durften.
Doch der Vater, er war Bürgermeister von Greifswald und führte ein offenes Haus, hat die Begabung der Tochter offenbar erkannt und gefördert. Zudem erschien in jenen Jahren die erste hochdeutsche Poetik, Martin Opitz' "Buch von der deutschen Poetery", das für das Dichten klare Regeln formulierte, was es einfacher machte, dessen technische Seite auch außerhalb der höheren Schule zu erlernen:
"Mein Opitz (dem das Lob gebühret,
Dass Teutschland, seiner Sprachen Pracht
Und edlen Leier halben führet,
Weil er den Anfang hat gemacht)"
Dass Teutschland, seiner Sprachen Pracht
Und edlen Leier halben führet,
Weil er den Anfang hat gemacht)"
Gefeiert als "pommersche Sappho"
Zu Sibylla Schwarz' wiederkehrenden Themen gehören die Freundschaft ("die Kummerwenderin, / Des starken Todes Tod"), der Neid, vor allem in Form der Verachtung der Gesellschaft begabten Frauen gegenüber, das idyllische Landleben – der Zerstörung des Familienlandsitzes ("ein irdisch Pradeis") durch schwedische Truppen hat sie ein Trauerspiel gewidmet – und in einer Reihe von petrarcesken Sonetten die Liebe ("Man sagt, es sei kein Ort, da Amor nicht zu finden"). Wobei auffällt, dass das angebetete Du hier kein Er ist, sondern explizit eine Sie.
In ihrer Zeit wurde Sibylla Schwarz, durchaus wahrgenommen. Man feierte sie als "pommersche Sappho". "Ein Wunder ihrer Zeit", nannte sie Daniel Georg Morhof, Professor in Rostock, 1682.
Sie habe "Verse geschrieben, die für solche zarte Jugend einer Frauenperson unvergleichlich sind". Die sind jetzt wiederzuentdecken. Und ab sofort wird das literarische Greifswald nicht mehr vom Duo Hans Fallada und Wolfgang Koeppen repräsentiert, sondern von einem Dreigestirn.