Sicher übers Wasser manövriert

Von Peter Marx |
Ab einer bestimmten Größe müssen Schiffe auf Bundeswasserstraßen von einem Lotsen begleitet werden. Früher hätte ein Kandidat jahrelang auf einen solchen Job warten müssen. Heute dagegen werden die Fachkräfte gesucht: Über 200 Lotsen fehlen an der deutschen Küste.
Jörn Löffler sitzt eingekeilt auf dem schmalen Sitz, schaut versonnen auf das meterhohe Heckwasser des leuchtend roten Lotsenbootes Mecklenborg. Vor zehn Minuten ist er mit dem wendigen Boot aus dem Hafen von Timmendorf auf der Insel Poel ausgelaufen; in 15 Minuten wird Löffler vom Boot über eine Strickleiter auf den Küstenfrachter BBS Star umsteigen. Das Schiff hat den Lotsen bestellt und Löffler lies alles stehen und liegen.

"Das deutsche Seelotswesen zeichnet sich dadurch aus, dass wir permanent verfügbar sind. Also 24 Stunden, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Und wir organisieren uns selbst. Wie wir das machen, das ist ganz egal."

Wismarer Bucht. Wolkenloser Himmel, leichter Wind. "Besser geht es nicht", brummt Löffler vor sich hin. Gelassen wartet der 42-Jährige auf die Ankunft der BSS-Star. Obwohl die Wismarer Bucht kein schwieriges Seerevier ist, gilt dort Lotsenpflicht für alle größeren Schiffe:

"Die Wismarbucht, das Fahrwasser hier, genauso wie alle anderen Fahrwasser, sind Bundeswasserstraßen. Und auf diesen muss ein Schiff, das länger ist als 90 Meter, breiter als 13 Meter und einen Tiefgang von maximal fünf Meter und mehr hat,- muss ein Lotse nehmen."

Löffler geht auf die Navigationsbrücke des niederländischen Frachters, begrüßt den russischen Kapitän Sergej und meldet sich über Funk bei der Leitzentrale. Die Leitzentrale verfolgt die BBS-Star auf dem Radar und unterstützt den Lotsen bei der Arbeit. "Damit nicht genug", sagt Löffler, während er den Kurs des Schiffes um drei Grad verändert:

"Ich habe eine Aufsichtsbehörde, das ist die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes. Also die Weisungsbefugnis liegt bei der Verkehrsleitstelle. Ich kann nicht einfach mit dem Schiff losfahren, sondern ich muss um Verkehrserlaubnis bitten und wenn ich sie nicht bekomme, habe ich draußen zu bleiben mit dem Schiff."

Im blauen Wachturm, direkt am Ufer der Warnow beobachtet Christian Subklew den Schiffsverkehr aus und in den Überseehafen von Rostock. Subklew ist Kommandeur der Lotsenbrüderschaft Wismar, Rostock, Stralsund, der 31 Lotsen angehören:

"Der Brüderschaftsgedanke ist also uralt, muss man sagen. Schon vor 450 Jahren wurden die ersten Brüderschaften an der Elbe gegründet. Und es heißt eigentlich, dass alle Lotsen zusammen in einen Topf bezahlen, sich gegenseitig unterstützten und auch bei Unfällen natürlich - was jetzt in dieser Zeit natürlich nicht mehr so dramatisch ist - die Witwen und Waisen unterstützen."

Die Lotsen arbeiten heute selbstständig
Die Brüderschaft an der Ostsee ist die siebte und jüngste Bruderschaft in Deutschland. Sie wurde nach der politischen Wende gegründet. Zu DDR-Zeiten waren die Lotsen Mitarbeiter der Bagger- und Bergungsreederei. Heute sind die Lotsen selbstständig.

Jörn Löffler unterhält sich mit Kapitän Sergej über die Möglichkeiten, im Hafen zu angeln. Kurs 150 Grad. Die BBS Star fährt mit langsamer Kraft Richtung Wismarer Hafen. Links an Backbordseite ist die Walfisch-Insel zu sehen. Nur noch drei Seemeilen, rund sechs Kilometer bis zum Hafen.

Der Küstenfrachter, rund 90 Meter lang, liefert Holz aus Schottland für die Sägewerke am Rande des Wismarer Hafens. Jörn Löffler greift zum Drehknopf am Fahrstand, um den Kurs zu ändern. Auf zwei Flachbildschirmen kann Löffler die Kursänderung verfolgen. Aber er schaut weder darauf noch auf die Seekarten aus Papier:

"Also ich gucke da nicht drauf. Ich habe ja meine Seekarte im Kopf."

Jörn Löffler ist seit sieben Jahren Lotse. Vorher fuhr er auf Containerschiffen rund um die Welt. Der Umstieg fiel ihm leicht, weil er alle Voraussetzungen mitbrachte.

"Ich war Kapitän, habe Kapitänspatent auf großer Fahrt. Ja, und wenn man dann eine Erfahrungs-Seezeit von mindestens zwei Jahren als Kapitän gehabt hat, kann man sich bei einer Lotsenbrüderschaft bewerben. Und da die Lotsenbrüderschaften sich selber verwalten, Körperschaften sind, wird man von den Lotsenbrüdern gewählt."

Nachwuchs wird händeringend gesucht
Früher hätte ein Kandidat jahrelang warten müssen, bis eine Lotensbrüderschaft ihn aufnimmt. Heute dagegen suchen die Lotsenbrüderschaften händeringend Nachwuchs: Über 200 Lotsen fehlen an der deutschen Küste.

"Das ist der demografischen Entwicklung geschuldet, und vor allem der Entwicklung geschuldet, dass es nicht mehr genügend Seefahrtsnachwuchs gibt. Man muss ja hier, um in Deutschland Lotse zu werden,- sollte man deutscher Staatsbürger sein, mittlerweile EU-Staatsbürger. Und man muss der deutschen Sprache mächtig sein, dann kann ich hier Lotse werden."

Kapitän Sergej aus Kaliningrad wirkt nervös. Das Anlegemanöver beginnt: Sergej drückt den Fahrthebel auf Rückwärts, um Tempo aus dem Schiff zu nehmen. Löffler schaut zu. Als Lotse ist er nur Berater des Kapitäns. Im Winkel von 30 Grad nähert sich die BBS Star der Kaimauer. Leinen fliegen über Bord.

Eine Viertelstunde später ist das Schiff fest gemacht. Der Lotse verlässt die Brücke. Nur 200 Meter weiter wartet ein neues Schiff auf ihn, das den Wismarer Hafen verlassen will. Drei Stunden dauerte der letzte Törn. Und, wie viel hat er dabei verdient?

"Es gibt einen Lotstarif, das wird seitens des Staates festgelegt, was Schiffe zu bezahlen haben. Wir können eben mal reingucken, mal schauen wie groß das Schiff ist. Für Wismar wären das für dieses Schiff 605 Euro."

Das Geld geht in den gemeinsamen Topf der Bruderschaft und wird aufgeteilt. "Ganz brüderlich und fair", findet der Lotse und hetzt über die Gangway auf das nächste Schiff.