"Sicherheit ist das mit Abstand wichtigste Thema"
Das Spannende beim Arbeiten "in der Cloud" sei, dass mehrere Anwender von verschiedenen Geräten die gleiche Datei bearbeiten können, die immer aktuell sei, sagt Sascha Lobo. So habe er zum Beispiel seine Bücher mit Co-Autoren verfasst.
Frank Meyer: Cloud Computing oder das Leben und Arbeiten in der digitalen Wolke, das ist der Schwerpunkt der CeBIT 2011, die heute begonnen hat. Dabei geht es im Prinzip darum, dass wir Hard- und Software nicht mehr zu Hause oder im Büro rumstehen haben, sondern dass wir all das ins Netz auslagern, in diese digitale Wolke. Dieses Cloud Computing ist ein neuer Hype, der wie alle anderen vorüberziehen wird – das meinen die einen –, die anderen sagen, das ist die Zukunft unserer digitalen Existenz. Wir besprechen das am besten mit jemandem, der sich schon ausgiebig in der digitalen Wolke rumgetrieben hat, und das hat der Autor und IT-Berater Sascha Lobo getan. Er ist jetzt in unserem CeBIT-Studio. Seien Sie willkommen, Herr Lobo!
Sascha Lobo: Guten Tag!
Meyer: Lassen Sie uns mal an einem ganz einfachen Beispiel anfangen, das wir wahrscheinlich alle kennen, mit einer schlichten Textverarbeitung. Wenn Sie Ihre Texte in dieser digitalen Wolke schreiben und speichern, was ist dann eigentlich anders als beim Schreiben zu Hause?
Lobo: Das Interessante ist, dass es sich erst mal gar nicht so anders anfühlt. Ich benutze ein Programm, in diesem Fall der Firma Google, das aussieht wie eine Art Online-Word, also Word, was nicht in einem eigenen Programm stattfindet, sondern im Browser auf einem Server. Und das Spannende jetzt nicht nur bei dieser Anwendung, sondern bei den meisten Cloud-Anwendungen ist, dass man da von verschiedenen Rechnern drauf zugreifen kann und auch von verschiedenen Geräten. Ich kann also das Gleiche bearbeiten auf meinem Handy, auf einem Laptop unterwegs, auf einem Rechner zu Hause, aus dem Büro und so weiter und so fort, und finde immer den gleichen Text vor. Und das können auch noch mehrere Leute gleichzeitig tun. Und wer immer schon mal damit gekämpft hat, in einer größeren Gruppe, von sagen wir mal vier oder fünf Leuten, einen Text abzustimmen und am Ende 26 verschiedene Versionen eines Dokuments in seinem Maileingang gefunden hat, der wird sehr schnell erkennen, was diese Cloud-Anwendungen, diese Wolkenanwendungen im Bereich Textverarbeitung ganz Segenreiches machen können. Es gibt nur noch eine Version, und die ist immer aktuell.
Meyer: Sie haben auf die Weise schon ganze Bücher geschrieben, oder?
Lobo: Das ist richtig. Ich hab damit angefangen 2005/2006, als ich zusammen mit Holm Friebe "Wir nennen es Arbeit" geschrieben habe, und das war tatsächlich mein erstes Buch, was ich fast vollständig in der Cloud geschrieben habe. Aber auch mein vorletztes Buch, zusammen mit Kathrin Passig 2008, ist in der Cloud entstanden. Da haben dann nicht nur die beiden Autoren, also Kathrin Passig und ich, sondern auch zwei Lektoren und der Verlagslektor gleichzeitig in dem Buch drin gearbeitet. Und dadurch, dass immer alles aktuell war und immer alles die gleiche Version war, konnten wir sehr viel schneller mit den Texten arbeiten.
Meyer: Würden Sie auch sagen, also erst mal ist es eine neue Technik, die zur Verfügung steht, eben dieses, wie Sie es beschreiben, Zugreifen von verschiedenen Schreibtischen aus auf den gleichen Text, aber verändert das dann auch den kreativen Prozess, also hätten Sie ohne diese Technik andere Bücher geschrieben?
Lobo: Ich bin mir ziemlich sicher, dass der kreative Prozess verändert wird. Das ist am Anfang nur zum Teil so, man muss sich erst daran gewöhnen, aber zum Beispiel dachte ich, wie viele Leute, die mit Texten arbeiten, lange Zeit, dass man einen Text nur alleine schreiben kann und dass ein Text mit mehreren Menschen schlechter wird. Diese Meinung musste ich ändern, denn wenn man diese richtige Technologie zur Verfügung hat, über die Cloud, dann bietet sich manchmal sogar an, Texte gemeinsam und gleichzeitig zu schreiben. Da kommen dann häufig bessere und schneller geschriebene Texte zusammen.
Meyer: Das ist jetzt das Beispiel Bücherschreiben mit mehreren Autoren, ich kann mir vorstellen, dass das für Firmen zum Beispiel hoch interessant ist, diese Technik, weil sie dann ihre Mitarbeiter, die was weiß ich in den USA, in Deutschland, sonst wo sitzen, zusammenziehen können und zum gemeinsamen Arbeiten anstiften, eben an einem gemeinsamen Dokument, was auch immer, in der Wolke.
Lobo: Das ist absolut richtig. Die Wirtschaft wird da auch ganz große Vorteile daraus ziehen. Interessanterweise sind diejenigen, die die Cloud mit am deutlichsten vorantreiben in die Infrastruktur der Firmen, die Finanzvorstände und die Finanzgeschäftsführer, denn die sehen da ein sehr hohes Sparpotenzial. Das hängt damit zusammen, dass eben nie mehr eine veraltete Datenversion für irgendeinen Mitarbeiter zur Verfügung steht, sondern dass sich in Echtzeit für alle Menschen, die darauf zugreifen, auf bestimmte Datensätze, die Daten ändern, genau so, wie sie für alle anderen auch sind. Und dass das Reibungsverluste minimiert, das liegt sehr nahe.
Meyer: Ein großes Thema natürlich ist – weil Sie auch gerade die Firmen ansprechen – ja die Sicherheit dieser Daten. Es sind gerade Meldungen bekannt geworden, nur mal ein Beispiel, dass beim Maildienst von Google – die Firma haben Sie ja auch schon erwähnt – in der Nacht zum Montag die Nachrichten von 0,29 Prozent der Kunden abhanden gekommen sind. Klingt erst mal wenig, 0,29 Prozent, aber das sind jetzt Zehntausende Nutzer, die nun ihre Mails bei Google verloren haben. Wie sollte man in Zukunft mit diesem Risiko umgehen?
Lobo: Tatsächlich sprechen Sie nicht ein großes, sondern in meinen Augen sogar das größte Thema an, Sicherheit, denn in dem Moment, wo die Daten nicht mehr physisch bei mir vorhanden sind auf der Festplatte oder auf dem Server oder Firmenserver im Keller, da bekommt man schon gleich ein ganz anderes Gefühl, gerade, wenn das sensible Daten sind. Deswegen ist Sicherheit das mit Abstand wichtigste Thema rund um die Cloud: Sind meine Daten vor fremdem Zugriff geschützt und kann ich immer darauf zugreifen? Das sind so die beiden zentralen Fragen. Tatsächlich ist da noch keine Lösung gefunden, wo man sagen würde, ja, jetzt ist alles sicher und gut – das sieht man unter anderem an diesem Beispiel Google. Ich kenn da ein bisschen andere Zahlen: Von 0,08 Prozent der Nutzer hatte ich gelesen …
Meyer: Ich hatte die Zahlen aus der "Süddeutschen Zeitung" von heute.
Lobo: Dann waren es immerhin wohl noch 150.000 Menschen, und wenn man einer von denen ist, die dann ein Wochenende lang nicht an ihre Mails kommen, dann sieht man, was für Schwierigkeiten da bestehen können.
Meyer: Aber Sie sagen, das Problem ist im Prinzip noch nicht gelöst, es gibt keine Sicherheitsverschlüsselung oder keine anderen Möglichkeiten, um das abzustellen?
Lobo: Doch, es gibt sehr viele Sicherheitsverschlüsselungen, und die haben auch einen Sicherheitsgrad erreicht, der akzeptabel ist. Onlinebanking ist über das Internet ja beispielsweise auch sicher und einigermaßen akzeptiert, ebenso die Steuererklärung online, und das sind natürlich auch alles sensible Daten. Was ich mit den noch nicht erreichten Endpunkten im Bereich Sicherheit meine, ist eigentlich, dass diese nicht so richtig existieren. Man kann sich halt nie zu 100 Prozent sicher sein, dass da nicht irgendwo eine Bruchstelle ist, die dann auch im Zweifel das Schlimmste bedeuten kann. Und mit dieser Möglichkeit muss man anfangen zu leben, fürchte ich. Man muss immer hinterherarbeiten, um das jeweils aktuelle sicherste oder bestmögliche sichere System zu haben. Ganz erreichen können wird man das nie. Will sagen: ein Restrisiko ist in der Cloud nicht auszuschließen. Ungefähr so, wie man mit einer Festplatte, die man irgendwo zu Hause hat oder die eine Firma im Keller hat, nie ausschließen kann, ob die nicht irgendjemand klaut.
Meyer: Deutschlandradio Kultur - wir sprechen über das Cloud Computing, das Thema der CeBIT 2011, mit dem Autor und IT-Berater Sascha Lobo. Die Sicherheit, über die wir jetzt gesprochen haben, das war die der Sicherung der Daten, dass ich an die auch herankomme, dass die nicht verloren gehen. Es stellt sich ja noch die andere Frage, die Frage, wer liest eigentlich vielleicht mit, was ich da so ans Netz abgebe. Sie scheinen da selbst keine großen Hemmungen zu haben, habe ich den Eindruck, Sie berichten in einem Text dazu, dass Sie zum Beispiel von Cloud-basierter Gesundheit träumen, so nach dem Modell, ich schicke meine Körperdaten – Puls, Temperatur, Fettgehalt meines Körpers, was auch immer –, schicke ich ins Netz und lass mich dann gesundheitlich beraten, aus der Wolke heraus. Das würden Sie tatsächlich machen, Ihren Körper sozusagen ins Netz stellen?
Lobo: Das würde ich nicht machen und ich träume auch nicht davon, sondern das tue ich bereits. Es gibt mehrere Anwendungen, die das ermöglichen, und auch Geräte, die das ermöglichen. Ganz konkret benutze ich ein Gerät namens Withings, eine Internetwaage, die über W-LAN mit dem Netz verbunden ist und dort auf eine sichere Plattform mein Gewicht und den Fettanteil meines Körpers hinfunkt. Wovon ich tatsächlich träume, ist, dass über solche Geräte, die man zu Hause hat, noch viel mehr Daten abgefragt werden können. Und der Vorteil, wenn man die im Internet hat und die nicht nur auf der Waage oder auf irgendeinem Zettel notiert sind, ist natürlich, dass man über eine Mustererkennung zum Beispiel versuchen kann, eine Gesundheitsvorsorge hinzubekommen. Die Daten, die ich da von mir ins Netz schicke, die gebe ich natürlich nicht öffentlich frei, sondern die sind auf verschiedenen Plattformen – zum einen auf dieser Plattform von der Waage selbst, das ist ein Anbieter aus Frankreich, und zum Zweiten an eine Cloud-Plattform von Google, die nennt sich Google Health passenderweise, wo man diese Waage mit koppeln kann.
Meyer: Die andere Frage, die sich ja stellt beim Thema Cloud Computing, wenn man jetzt sieht, wie die CeBIT das Ganze in den Mittelpunkt stellt, natürlich im Interesse der IT-Industrie, die auf diese Messe kommt, muss man sich ja fragen, was sind jetzt die finanziellen Interessen dahinter? Der Branchenverband BITKOM nimmt an, dass in diesem Jahr alleine in Deutschland die Umsätze mit Cloud-Diensten um 55 Prozent steigen werden, da geht es um Milliardenumsätze. Wer wird diese Milliarden bezahlen am Ende, sind wir das, die Nutzer?
Lobo: Ich würde nicht sagen, dass die irgendjemand bezahlen muss, obwohl das faktisch natürlich so sein wird, sondern eher umgekehrt, dass verschiedene Industrien, verschiedene Branchen davon einen sehr großen Nutzen haben können. Natürlich ist eine IT immer so, dass man nicht sagen kann ein Jahr lang, ach, jetzt machen wir mal nichts Neues, sondern reizen einfach das Alte aus. Da ist die Innovation Pflicht und auch Daseinsberechtigung. Das ist ja auch der Grund für die Existenz der CeBIT, weil immer wieder neue Dinge hervorkommen. Ich bin aber ziemlich sicher, dass dieses Cloud Computing ein neuer Schritt in der IT-Infrastruktur ist. Das ist an sich ein Bündel von Technologien, die erlauben, Anwendungen ganz anders und in den meisten Fällen auch effizienter und manchmal sogar effektiver aufzustellen. Will sagen: Das ist eine Entwicklung in der IT-Industrie, die früher oder später fast alles, was wir elektronisch und digital machen, beinhalten wird.
Meyer: Aber gleichzeitig steigt doch auch unsere Abhängigkeit, oder? Wenn wir unsere Software, unsere Hardware nicht mehr zu Hause haben, sondern die anmieten im Netz bei bestimmten großen Anbietern ja wahrscheinlich, so wie unsere Internetwelt konstruiert ist, dann hängen wir doch noch mehr am Hahn, zum Beispiel von Google, als früher.
Lobo: Ja und nein. Sie haben richtig angesprochen, wir sind da abhängig. Ob die Abhängigkeit sich steigert, das weiß ich noch nicht so genau, denn tatsächlich sind wir schon heute extrem abhängig. Ich kenne kaum Leute, die an ihre Daten alleine rankommen, wenn selbst nur die Festplatte runterfällt. Und dass das natürlich, wenn die Daten physisch nicht vor Ort sind, noch mal eine neue Dimension bekommt, ist richtig. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Abhängigkeit nicht sowieso jetzt schon so groß ist, dass man kaum mehr zurechtkommt ohne die vielen IT-Anbieter. Gerade wenn ich mir anschaue, wie abhängig wir alleine schon vom Strom sind, wie wenig alle gemeinsam machen können, also weder Radio machen noch Radio senden noch Radio hören ohne Strom, da sehe ich eine extreme Abhängigkeit. Und dass die sich verlagert, ist richtig.
Um vielleicht doch noch auf Ihre Frage einzugehen, wer davon profitieren wird: Sicherlich ist Google ein großer Anbieter, da in diesem Fall im Zweikampf mit Microsoft, die auch gerade dabei sind, in diesem Jahr ihre verschiedenen Produkte, ihr Office-Paket zum Beispiel, in die Cloud intensiv zu integrieren. Und im Hintergrund ist sicherlich Amazon ein sehr großer Faktor, die die Infrastruktur für Cloud-Anbieter bereitstellen.
Meyer: Das werden die Big Player sein in der Cloud-Welt. Cloud Computing ist das Schwerpunktthema der CeBIT 2011, darüber haben wir mit dem Autor und IT-Berater Sascha Lobo gesprochen. Herzlichen Dank!
Lobo: Bitte schön!
Sascha Lobo: Guten Tag!
Meyer: Lassen Sie uns mal an einem ganz einfachen Beispiel anfangen, das wir wahrscheinlich alle kennen, mit einer schlichten Textverarbeitung. Wenn Sie Ihre Texte in dieser digitalen Wolke schreiben und speichern, was ist dann eigentlich anders als beim Schreiben zu Hause?
Lobo: Das Interessante ist, dass es sich erst mal gar nicht so anders anfühlt. Ich benutze ein Programm, in diesem Fall der Firma Google, das aussieht wie eine Art Online-Word, also Word, was nicht in einem eigenen Programm stattfindet, sondern im Browser auf einem Server. Und das Spannende jetzt nicht nur bei dieser Anwendung, sondern bei den meisten Cloud-Anwendungen ist, dass man da von verschiedenen Rechnern drauf zugreifen kann und auch von verschiedenen Geräten. Ich kann also das Gleiche bearbeiten auf meinem Handy, auf einem Laptop unterwegs, auf einem Rechner zu Hause, aus dem Büro und so weiter und so fort, und finde immer den gleichen Text vor. Und das können auch noch mehrere Leute gleichzeitig tun. Und wer immer schon mal damit gekämpft hat, in einer größeren Gruppe, von sagen wir mal vier oder fünf Leuten, einen Text abzustimmen und am Ende 26 verschiedene Versionen eines Dokuments in seinem Maileingang gefunden hat, der wird sehr schnell erkennen, was diese Cloud-Anwendungen, diese Wolkenanwendungen im Bereich Textverarbeitung ganz Segenreiches machen können. Es gibt nur noch eine Version, und die ist immer aktuell.
Meyer: Sie haben auf die Weise schon ganze Bücher geschrieben, oder?
Lobo: Das ist richtig. Ich hab damit angefangen 2005/2006, als ich zusammen mit Holm Friebe "Wir nennen es Arbeit" geschrieben habe, und das war tatsächlich mein erstes Buch, was ich fast vollständig in der Cloud geschrieben habe. Aber auch mein vorletztes Buch, zusammen mit Kathrin Passig 2008, ist in der Cloud entstanden. Da haben dann nicht nur die beiden Autoren, also Kathrin Passig und ich, sondern auch zwei Lektoren und der Verlagslektor gleichzeitig in dem Buch drin gearbeitet. Und dadurch, dass immer alles aktuell war und immer alles die gleiche Version war, konnten wir sehr viel schneller mit den Texten arbeiten.
Meyer: Würden Sie auch sagen, also erst mal ist es eine neue Technik, die zur Verfügung steht, eben dieses, wie Sie es beschreiben, Zugreifen von verschiedenen Schreibtischen aus auf den gleichen Text, aber verändert das dann auch den kreativen Prozess, also hätten Sie ohne diese Technik andere Bücher geschrieben?
Lobo: Ich bin mir ziemlich sicher, dass der kreative Prozess verändert wird. Das ist am Anfang nur zum Teil so, man muss sich erst daran gewöhnen, aber zum Beispiel dachte ich, wie viele Leute, die mit Texten arbeiten, lange Zeit, dass man einen Text nur alleine schreiben kann und dass ein Text mit mehreren Menschen schlechter wird. Diese Meinung musste ich ändern, denn wenn man diese richtige Technologie zur Verfügung hat, über die Cloud, dann bietet sich manchmal sogar an, Texte gemeinsam und gleichzeitig zu schreiben. Da kommen dann häufig bessere und schneller geschriebene Texte zusammen.
Meyer: Das ist jetzt das Beispiel Bücherschreiben mit mehreren Autoren, ich kann mir vorstellen, dass das für Firmen zum Beispiel hoch interessant ist, diese Technik, weil sie dann ihre Mitarbeiter, die was weiß ich in den USA, in Deutschland, sonst wo sitzen, zusammenziehen können und zum gemeinsamen Arbeiten anstiften, eben an einem gemeinsamen Dokument, was auch immer, in der Wolke.
Lobo: Das ist absolut richtig. Die Wirtschaft wird da auch ganz große Vorteile daraus ziehen. Interessanterweise sind diejenigen, die die Cloud mit am deutlichsten vorantreiben in die Infrastruktur der Firmen, die Finanzvorstände und die Finanzgeschäftsführer, denn die sehen da ein sehr hohes Sparpotenzial. Das hängt damit zusammen, dass eben nie mehr eine veraltete Datenversion für irgendeinen Mitarbeiter zur Verfügung steht, sondern dass sich in Echtzeit für alle Menschen, die darauf zugreifen, auf bestimmte Datensätze, die Daten ändern, genau so, wie sie für alle anderen auch sind. Und dass das Reibungsverluste minimiert, das liegt sehr nahe.
Meyer: Ein großes Thema natürlich ist – weil Sie auch gerade die Firmen ansprechen – ja die Sicherheit dieser Daten. Es sind gerade Meldungen bekannt geworden, nur mal ein Beispiel, dass beim Maildienst von Google – die Firma haben Sie ja auch schon erwähnt – in der Nacht zum Montag die Nachrichten von 0,29 Prozent der Kunden abhanden gekommen sind. Klingt erst mal wenig, 0,29 Prozent, aber das sind jetzt Zehntausende Nutzer, die nun ihre Mails bei Google verloren haben. Wie sollte man in Zukunft mit diesem Risiko umgehen?
Lobo: Tatsächlich sprechen Sie nicht ein großes, sondern in meinen Augen sogar das größte Thema an, Sicherheit, denn in dem Moment, wo die Daten nicht mehr physisch bei mir vorhanden sind auf der Festplatte oder auf dem Server oder Firmenserver im Keller, da bekommt man schon gleich ein ganz anderes Gefühl, gerade, wenn das sensible Daten sind. Deswegen ist Sicherheit das mit Abstand wichtigste Thema rund um die Cloud: Sind meine Daten vor fremdem Zugriff geschützt und kann ich immer darauf zugreifen? Das sind so die beiden zentralen Fragen. Tatsächlich ist da noch keine Lösung gefunden, wo man sagen würde, ja, jetzt ist alles sicher und gut – das sieht man unter anderem an diesem Beispiel Google. Ich kenn da ein bisschen andere Zahlen: Von 0,08 Prozent der Nutzer hatte ich gelesen …
Meyer: Ich hatte die Zahlen aus der "Süddeutschen Zeitung" von heute.
Lobo: Dann waren es immerhin wohl noch 150.000 Menschen, und wenn man einer von denen ist, die dann ein Wochenende lang nicht an ihre Mails kommen, dann sieht man, was für Schwierigkeiten da bestehen können.
Meyer: Aber Sie sagen, das Problem ist im Prinzip noch nicht gelöst, es gibt keine Sicherheitsverschlüsselung oder keine anderen Möglichkeiten, um das abzustellen?
Lobo: Doch, es gibt sehr viele Sicherheitsverschlüsselungen, und die haben auch einen Sicherheitsgrad erreicht, der akzeptabel ist. Onlinebanking ist über das Internet ja beispielsweise auch sicher und einigermaßen akzeptiert, ebenso die Steuererklärung online, und das sind natürlich auch alles sensible Daten. Was ich mit den noch nicht erreichten Endpunkten im Bereich Sicherheit meine, ist eigentlich, dass diese nicht so richtig existieren. Man kann sich halt nie zu 100 Prozent sicher sein, dass da nicht irgendwo eine Bruchstelle ist, die dann auch im Zweifel das Schlimmste bedeuten kann. Und mit dieser Möglichkeit muss man anfangen zu leben, fürchte ich. Man muss immer hinterherarbeiten, um das jeweils aktuelle sicherste oder bestmögliche sichere System zu haben. Ganz erreichen können wird man das nie. Will sagen: ein Restrisiko ist in der Cloud nicht auszuschließen. Ungefähr so, wie man mit einer Festplatte, die man irgendwo zu Hause hat oder die eine Firma im Keller hat, nie ausschließen kann, ob die nicht irgendjemand klaut.
Meyer: Deutschlandradio Kultur - wir sprechen über das Cloud Computing, das Thema der CeBIT 2011, mit dem Autor und IT-Berater Sascha Lobo. Die Sicherheit, über die wir jetzt gesprochen haben, das war die der Sicherung der Daten, dass ich an die auch herankomme, dass die nicht verloren gehen. Es stellt sich ja noch die andere Frage, die Frage, wer liest eigentlich vielleicht mit, was ich da so ans Netz abgebe. Sie scheinen da selbst keine großen Hemmungen zu haben, habe ich den Eindruck, Sie berichten in einem Text dazu, dass Sie zum Beispiel von Cloud-basierter Gesundheit träumen, so nach dem Modell, ich schicke meine Körperdaten – Puls, Temperatur, Fettgehalt meines Körpers, was auch immer –, schicke ich ins Netz und lass mich dann gesundheitlich beraten, aus der Wolke heraus. Das würden Sie tatsächlich machen, Ihren Körper sozusagen ins Netz stellen?
Lobo: Das würde ich nicht machen und ich träume auch nicht davon, sondern das tue ich bereits. Es gibt mehrere Anwendungen, die das ermöglichen, und auch Geräte, die das ermöglichen. Ganz konkret benutze ich ein Gerät namens Withings, eine Internetwaage, die über W-LAN mit dem Netz verbunden ist und dort auf eine sichere Plattform mein Gewicht und den Fettanteil meines Körpers hinfunkt. Wovon ich tatsächlich träume, ist, dass über solche Geräte, die man zu Hause hat, noch viel mehr Daten abgefragt werden können. Und der Vorteil, wenn man die im Internet hat und die nicht nur auf der Waage oder auf irgendeinem Zettel notiert sind, ist natürlich, dass man über eine Mustererkennung zum Beispiel versuchen kann, eine Gesundheitsvorsorge hinzubekommen. Die Daten, die ich da von mir ins Netz schicke, die gebe ich natürlich nicht öffentlich frei, sondern die sind auf verschiedenen Plattformen – zum einen auf dieser Plattform von der Waage selbst, das ist ein Anbieter aus Frankreich, und zum Zweiten an eine Cloud-Plattform von Google, die nennt sich Google Health passenderweise, wo man diese Waage mit koppeln kann.
Meyer: Die andere Frage, die sich ja stellt beim Thema Cloud Computing, wenn man jetzt sieht, wie die CeBIT das Ganze in den Mittelpunkt stellt, natürlich im Interesse der IT-Industrie, die auf diese Messe kommt, muss man sich ja fragen, was sind jetzt die finanziellen Interessen dahinter? Der Branchenverband BITKOM nimmt an, dass in diesem Jahr alleine in Deutschland die Umsätze mit Cloud-Diensten um 55 Prozent steigen werden, da geht es um Milliardenumsätze. Wer wird diese Milliarden bezahlen am Ende, sind wir das, die Nutzer?
Lobo: Ich würde nicht sagen, dass die irgendjemand bezahlen muss, obwohl das faktisch natürlich so sein wird, sondern eher umgekehrt, dass verschiedene Industrien, verschiedene Branchen davon einen sehr großen Nutzen haben können. Natürlich ist eine IT immer so, dass man nicht sagen kann ein Jahr lang, ach, jetzt machen wir mal nichts Neues, sondern reizen einfach das Alte aus. Da ist die Innovation Pflicht und auch Daseinsberechtigung. Das ist ja auch der Grund für die Existenz der CeBIT, weil immer wieder neue Dinge hervorkommen. Ich bin aber ziemlich sicher, dass dieses Cloud Computing ein neuer Schritt in der IT-Infrastruktur ist. Das ist an sich ein Bündel von Technologien, die erlauben, Anwendungen ganz anders und in den meisten Fällen auch effizienter und manchmal sogar effektiver aufzustellen. Will sagen: Das ist eine Entwicklung in der IT-Industrie, die früher oder später fast alles, was wir elektronisch und digital machen, beinhalten wird.
Meyer: Aber gleichzeitig steigt doch auch unsere Abhängigkeit, oder? Wenn wir unsere Software, unsere Hardware nicht mehr zu Hause haben, sondern die anmieten im Netz bei bestimmten großen Anbietern ja wahrscheinlich, so wie unsere Internetwelt konstruiert ist, dann hängen wir doch noch mehr am Hahn, zum Beispiel von Google, als früher.
Lobo: Ja und nein. Sie haben richtig angesprochen, wir sind da abhängig. Ob die Abhängigkeit sich steigert, das weiß ich noch nicht so genau, denn tatsächlich sind wir schon heute extrem abhängig. Ich kenne kaum Leute, die an ihre Daten alleine rankommen, wenn selbst nur die Festplatte runterfällt. Und dass das natürlich, wenn die Daten physisch nicht vor Ort sind, noch mal eine neue Dimension bekommt, ist richtig. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Abhängigkeit nicht sowieso jetzt schon so groß ist, dass man kaum mehr zurechtkommt ohne die vielen IT-Anbieter. Gerade wenn ich mir anschaue, wie abhängig wir alleine schon vom Strom sind, wie wenig alle gemeinsam machen können, also weder Radio machen noch Radio senden noch Radio hören ohne Strom, da sehe ich eine extreme Abhängigkeit. Und dass die sich verlagert, ist richtig.
Um vielleicht doch noch auf Ihre Frage einzugehen, wer davon profitieren wird: Sicherlich ist Google ein großer Anbieter, da in diesem Fall im Zweikampf mit Microsoft, die auch gerade dabei sind, in diesem Jahr ihre verschiedenen Produkte, ihr Office-Paket zum Beispiel, in die Cloud intensiv zu integrieren. Und im Hintergrund ist sicherlich Amazon ein sehr großer Faktor, die die Infrastruktur für Cloud-Anbieter bereitstellen.
Meyer: Das werden die Big Player sein in der Cloud-Welt. Cloud Computing ist das Schwerpunktthema der CeBIT 2011, darüber haben wir mit dem Autor und IT-Berater Sascha Lobo gesprochen. Herzlichen Dank!
Lobo: Bitte schön!