Sicherheitspolitik

Raus aus Afghanistan, rein nach Afrika?

Bundeswehrsoldaten stehen auf dem Flugplatz in Dakar im Senegal.
Bundeswehrsoldaten im Senegal: Müssen deutsche Auslandseinsätze stärker diskutiert werden? © picture alliance / dpa
Von Sabina Matthay · 19.02.2014
Die Journalistin Sabina Matthay fordert eine echte Diskussion über Deutschlands Interessen in der Welt - und betont die gestiegene sicherheitspolitische Verantwortung. Derzeit fehle ein großer strategischer Wurf.
Von ihrem Präsidenten als Drückeberger der Weltgemeinschaft gescholten zu werden, juckt die wenigsten Deutschen: fast zwei Drittel sind gegen ein stärkeres militärisches Engagement der Bundesrepublik, etwa in Mali oder in der Zentralafrikanischen Republik.
Die Mehrheit strebt also weg von der außen- und sicherheitspolitischen Wende, der Übernahme von mehr Verantwortung in internationalem Rahmen. Sie sehnt sich offensichtlich zurück zu den Zeiten vor dem Mauerfall. Damals beschränkte sich Deutschland-West auf die Landesverteidigung - mit Verweis auf die düstere Vergangenheit der Hitlerdiktatur. Das war international geboten und gesellschaftlich bequem.
Die Wiedervereinigung machte damit Schluss. Es kamen erste Auslandseinsätze auf dem Balkan, dann die Beteiligung an der Intervention in Afghanistan. Doch der Hindukusch brachte die Erfahrung, dass, wer militärische Verantwortung übernimmt, Fehler macht, auch Schuld auf sich lädt. Und die Lage in Afghanistan entwickelte sich keineswegs so, wie man es sich anfangs ausgemalt hatte.
Die mentale Reaktion vieler Bundesbürger: Regression. Dass deutsche Interessen auch am Hindukusch verteidigt werden, konnten von Anfang an nur die wenigsten Bundesbürger nachvollziehen. Es rächt sich bis heute, dass es 2001 keine echte Diskussion über die Gründe für diesen Einsatz gegeben hat.
Verpflichtung zu mehr außenpolitischer Verantwortung
Dabei hatte schon mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes machtvoll das eingesetzt, was wir heute Globalisierung nennen: eine rasante Ausweitung der internationalen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Beziehungen. Die Exportnation Deutschland richtete sich erfolgreich in dieser internationalisierten Welt ein und profitierte von freien Handelswegen und sich öffnenden Märkten.
Das birgt auch die Verpflichtung zu mehr außen- und sicherheitspolitischer Verantwortung, weil das fair ist gegenüber den Verbündeten und im deutschen Interesse. Doch diese Tatsachen anzusprechen, wagte kein politischer Verantwortlicher. Kein Wunder, denn das klare Ja zur einer sicherheitspolitischen Rolle wird von ihren Gegnern in Deutschland als rein kriegsorientiert denunziert.
Die "Kultur der Zurückhaltung", die Guido Westerwelle zur Beschönigung der deutschen Verweigerungshaltung im Libyenkonflikt beschwor, war jedoch nur ein zynisches Argument, um sich aus allem herauszuhalten.
Nun geht es nach Afrika und immer noch mangelt es an einem großen strategischen Wurf: In Mali sollen die vorhandenen 100 Militärberater auf 250 aufgestockt werden, in der Zentralafrikanischen Republik die Bundeswehr ein MedEvac-Flugzeug, eine fliegende Klinik, zur Verfügung stellen. Ein herzlich geringer Beitrag.
Lange versäumte Debatte nachholen
Dazu passt, dass die Bundesverteidigungsministerin "Alleingänge mit deutschen Soldaten" vorbeugend ausschloss - obwohl die niemand verlangt hat. Ursula von der Leyen zeigt dieselben pazifistischen Reflexe wie das übrige westdeutsch geprägte, zu Mauerzeiten sozialisierte politische Personal.
Deshalb tut Not, die lange versäumte Debatte nachzuholen, bevor Deutschland sich in weitere Auslandseinsätze begibt: eine echte Diskussion über Deutschlands Interessen in der Welt und über seine Werte. Welche sind uns wichtig, so sehr, dass wir sie selbst glaubhaft beachten und uns für sie einsetzen? Mit welchen Mitteln wollen wir sie verteidigen - und sind wir bereit, dies dann auch mit langem Atem, über ein paar Legislaturperioden hinweg, zu tun.
Vor der Resonanz im Ausland brauchen die Bundesbürger sich schon lange nicht mehr ängstigen: Unsere Partner fürchten deutsche Dominanz mittlerweile weniger als deutsche Untätigkeit.
Sabina Matthay, geboren 1961, studierte Angewandte Sprachwissenschaft in Saarbrücken - mit Abstechern nach Exeter in England und Urbino in Italien. 1990 Einstieg in den Hörfunk beim Deutschen Dienst des BBC World Service in London. Auch nach der Rückkehr nach Deutschland und der Arbeit für verschiedene ARD-Sender ist sie dem Radio treu geblieben. Arbeitsschwerpunkte: Politik, Geschichte, Gesellschaft Großbritanniens und seiner ehemaligen Kolonien und Mandatsgebiete - nur Afrika ist noch ein weißer Fleck auf dieser persönlichen Landkarte.
Sabina Matthay, Journalistin
Sabina Matthay, Journalistin© privat
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