Terrorismus ist ein schmutziges Geschäft
Die Bilder aus Syrien und aus dem Irak schüren die Angst, unter den islamischen Kämpfern sollen sich auch Freiwillige aus Deutschland befinden. Der Journalist Albrecht Metzger hält die Angst vor den deutschen Dschihadisten aber für übertrieben.
Sicherheit ist ein Geschäft, auch ein politisches. Wer vor Gefahren schützen will, kann sich "glücklich" schätzen, wenn er Dinge und Menschen aufzählen kann, die uns vermeintlich oder wirklich bedrohen – denn ohne Bedrohung keine verschärften Gesetze, die den Sicherheitsexperten mehr Arbeit bescheren.
Das klingt zynisch, soll es auch sein. Denn ohne Zynismus kein Aufschrei gegen den Wahn, der Deutschland und Europa vor über zwölf Jahren ergriffen hat und nicht loslässt.
Als neueste Bedrohung werden "Syrienrückkehrer" angesehen. Fanatische Muslime aus Europa, die Seite an Seite mit ISIS kämpften, einer dschihadistischen Terrororganisation, die derzeit in Syrien und dem Irak wütet. Viele dieser Kämpfer sollen sich mittlerweile auf dem Weg zurück befinden. Und niemand weiß, was sie vorhaben, aber befürchtet das Schlimmste.
Befinden sie sich nur auf Heimaturlaub? Oder haben sie genug vom fremden Bürgerkrieg, sind sie gar ernüchtert? Fahren sie möglicherweise frustriert und aggressiv nach Hause, um hierzulande ihre Mission fortzusetzen? Es soll nichts verharmlost werden: Einer dieser Rückkehrer hat vor kurzem in einem Brüsseler jüdischen Museum mehrere Menschen erschossen.
Amokläufer sind ein latentes Sicherheitsproblem
Fanatiker, Amokläufer sind ein latentes Sicherheitsproblem. Aber haben sie das Potenzial, unsere Gesellschaft aus den Angeln zu heben? Rechtfertigt die Gefahr, die von ihnen ausgehen könnte, all die Gesetzesnovellen, die seit dem 11. September 2001 das deutsche Rechtswesen verändert haben? Die Antwort lautet nein.
Wenig spricht dafür, dass Dschihadisten der ISIS Europa angreifen werden. Es ist im arabischen Osten, wo sie das Kalifat neu errichten wollen, dort wo sie derzeit auf dem Vormarsch sind. Sie nutzen Chaos und Unzufriedenheit aus oder opponieren gegen ein Regime, das sie als unislamisch ansehen.
Und so zieht es Deutsche in den Orient, um am Verteidigungskrieg für unterdrückte Muslime teilzunehmen. Für Terroranschläge in Frankfurt oder Berlin fehlen ihnen Motiv und Skrupellosigkeit. Selbst in der so genannten Sauerlandzelle fanden sich letztlich nur Möchtegernattentäter, die wussten, dass sie von Sicherheitsbehörden observiert wurden und trotzdem weiter ihren Anschlag planten. Vermutlich waren sie froh, als die Polizei ihnen das Handwerk legte.
Das Risiko liegt in krimineller Energie
Das eigentliche Risiko liegt in krimineller Energie, die latent in der Gesellschaft brodelt und immer wieder überraschend ausbricht, dabei viele verschiedene Gesichter annimmt.
Weit vor dem 11. September 2001 platzte zum Beispiel 1980 auf dem Bahnhof von Bologna eine schreckliche Bombe, die über 80 Menschen in den Tod riss. Die Täter waren Mitglieder von Gladio, einer Geheimarmee der NATO, durchsetzt von Neonazis, die den Kommunismus in Italien bekämpfen sollte.
Und ebenfalls vor dem 11. September 2001 begann die Mordserie der Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund", die als solche nicht entdeckt und gestoppt wurde, weil die Polizei Fehler machte und der Verfassungsschutz Ermittlungen bewusst behinderte. Derweil lebte das rechtsextreme Milieu gut von den Honoraren für V-Leute der Dienste.
Terrorismus ist ein schmutziges Geschäft. Deutsche Städte allerdings sind von Anschlägen bislang verschont geblieben, wie sie Bologna, Madrid, London und Oslo erlebt haben. Dagegen versagte hierzulande die innere Sicherheit im polizeilichen Alltag, vermochte eingewanderte Familien nicht vor einheimischen Kriminellen schützen.
Es hilft daher nicht weiter, Sicherheitsrisiken wie Nebelkerzen um sich zu werfen.
Albrecht Metzger, geboren 1966 in Hamburg, Studium der Islamwissenschaft, Geschichte und Politikwissenschaft, derzeit Studium der Kriminologie. Buchautor und Journalist, u.a. für den Deutschlandfunk, Deutschlandradio und NDR.