„Mir wurde beigebracht, dass ich jemand bin. Ich wusste, wir hatten kein Geld, trotzdem wurde mir beigebracht, dass ich jemand war. Wir hatten keinen Strom und kein fließendes Wasser, trotzdem wurde mir beigebracht, dass ich jemand war. Ich hatte sehr wenig Bildung, nur eineinhalb Jahre schulische Ausbildung habe ich erhalten, trotzdem wusste ich, dass ich jemand war.“
Zum Tod von Sidney Poitier
Zwei Oscars hat Sidney Poitier erhalten, hier bei der Verleihung des Ehrenoscars für sein Lebenswerk 2002. © picture alliance /ASSOCIATED PRESS/Doug Mills
Der Mann, der Hollywood revolutioniert hat
08:14 Minuten
Sidney Poitier hat die US-Filmwelt umgekrempelt: Er hat als erster Schwarzer einen Oscar als Hauptdarsteller bekommen, eine weiße Frau im Film geküsst und auf der Leinwand zurückgeschlagen. Dabei wurde er nur zufällig in den USA geboren.
Der im Alter von 94 Jahren verstorbene Sidney Poitier war ein grandioser, differenzierter, ausdrucksvoller Schauspieler. Das sagt Filmkritiker André Mumot, und er betont: "Er war eine der wichtigsten Schauspielerpersönlichkeiten des ganzen zwanzigsten Jahrhunderts."
Für Hollywood entdeckt habe Poitier der Regisseur Joseph L. Mankiewicz im Jahr 1950. In "Der Hass ist blind" (Originaltitel "No Way Out") spielt er einen jungen Arzt, dessen Patient sich aufgrund der Hautfarbe nicht von ihm behandeln lassen will.
"Da zeigt er schon eine Fähigkeit, sich nicht alles gefallen zu lassen, was man normalerweise erwarten würde von einer schwarzen Figur in einem Hollywood-Film dieser Jahre", sagt Mumot. Dieses Selbstbewusstsein, sich von einer rassistischen Gesellschaft nicht an den Rand drängen zu lassen, habe Poitier von seinen Eltern mitbekommen.
1964 wurde Poitier für seine Rolle in "Lilien auf dem Felde" ("Lilies of the Field") als erster schwarzer Schauspieler mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.
Spätestens mit dieser Oscar-Auszeichnung gehört Poitier zu den ganz Großen der Branche. Aber er ist alleine an der Spitze, denn die Filmbranche bleibt Schwarzen gegenüber abweisend, so Mumot: "Als einziger konnte Sidney Poitier über Jahre hinweg Hauptrollen in großen amerikanischen Unterhaltungsfilmen spielen."
Ein schwarzer Cop schlägt zurück
1967 sorgt Poitier wieder für Aufsehen. Im oscarprämierten Krimi "In der Hitze der Nacht" ("In the Heat of the Night) spielt er einen Polizisten, der in den ländlichen Südstaaten der USA an der Aufklärung eines Mordfalls beteiligt ist.
Eigentlich stand im Drehbuch: Der weiße Verdächtige schlägt den schwarzen Cop und der schwarze Cop nimmt es hin und geht ab. Poitier besteht darauf, die Szene zu ändern. Im fertigen Film schlägt der Polizist zurück. Ein Paukenschlag: Zum ersten Mal schlägt ein Afroamerikaner auf der Leinwand zurück.
Auch Poitiers nächstes Werk zeigt bis dahin Undenkbares. In "Rat mal, wer zum Essen kommt" (Guess Who’s Coming to Dinner) ist der erste Filmkuss zwischen einer Weißen und einem Schwarzen zu sehen.
Kritik von der Bürgerrechtsbewegung
Neben den erwartbaren, hasserfüllten Reaktionen von unverbesserlichen Rassisten gab es allerdings auch Kritik aus den Reihen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, sagt Filmkritiker Mumot.
Poitier spielt in "Rat mal, wer zum Essen kommt" den idealen schwarzen Schwiegersohn. "Der war absolut perfekt. Ein Doktor, ein Wissenschaftler, ein wahnsinnig eleganter, gut gekleideter Gentleman, an dem eigentlich nichts auszusetzen war", sagt Mumot.
Viele sahen das als Anbiederei, als Feigenblatt für Hollywood. Poitier solle lieber authentische schwarze Figuren darstellen, schwarzes Leben zeigen, wie es tatsächlich sei.
Diese Kritik hat Poitier getroffen, sagt Mumot: "Er hat darunter sehr gelitten, es hat ihn sehr beschäftigt". Aber Poitier sei dadurch auch bestärkt worden, selber Regie zu führen, um andere Stoffe verfilmen zu können und schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler zu fördern.
Durch Zufall in den USA geboren
Dass der Fortschritt manchmal eine Schnecke ist, war 2002 zu sehen. Da erhielt Poitier seinen zweiten Oscar, diesmal für sein Lebenswerk. Als bester Hauptdarsteller wurde dann Denzel Washington geehrt und war damit der erst zweite schwarze Schauspieler, der diese Auszeichnung erhielt. Fast vier Jahrzehnte nach Poitier.
In den USA geboren wurde Sidney Poitier, der Mann, der Hollywood revolutioniert hat, übrigens nur per Zufall. Seine Eltern lebten eigentlich auf den Bahamas. Dann waren sie zu Besuch in Miami: "Da ist er auf die Welt gekommen und ist dadurch automatisch US-Bürger geworden", sagt Mumot.
(beb)