"Sie muss noch einen mehr drauf legen als ihre Kollegen"
Am Sonntag wird zum ersten Mal der neue Dortmund-"Tatort" ausgestrahlt. Teil des vierköpfigen Ermittler-Teams ist Nora Dalay – gespielt von der 28-jährigen Bielefelderin Aylin Tezel, der bisher jüngsten "Tatort"-Kommissarin.
Aylin Tezel schaut etwas nervös auf die riesige 280 Quadratmeter große Leinwand. 1.200 Zuschauer werden hier gleich zum ersten Mal verfolgen, wie das vierköpfige Ermittler-Team des neuen Dortmunder "Tatorts" die beiden Morde im Homosexuellen-Milieu löst. Der Medienrummel um die mit 28 Jahren jüngste Tatort-Kommissarin ist groß.
""Ich werde von der Presse gerne als Tatort-Küken aufgezogen, aber nicht von meinen Kollegen.""
Die zierliche Schauspielerin in Stiefeletten, Röhrenjeans und cremefarbener Seidenbluse lacht. Dabei kräuselt sie die Nase und zeigt ihre beiden großen Schneidezähne, was ihrem Lachen etwas Freches verleiht. Die 1,66 Meter große Schauspielerin mit den Rehaugen und den langen braunen Haaren war zwar schon in der äußerst erfolgreichen Multikulti-Familienkomödie "Almanya" und als "Aschenputtel" im Weihnachtsmärchen zu sehen, die Rolle der Kriminaloberkommissarin Nora Dalay dürfte sie aber schlagartig noch bekannter machen.
"Die Nora Dalay ist auf jeden Fall sehr ehrgeizig, die stellt ihre Karriere an die erste Stelle im Leben. Und sie ist damit konfrontiert, dass sie einfach noch sehr jung ist und sehr jung aussieht und dadurch vielleicht immer so ein bisschen das Gefühl hat, sie muss noch einen mehr drauf legen als ihre Kollegen, damit sie als Polizistin ernst genommen wird. Na ja, ehrgeizig bin ich natürlich auch, klar, wenn du in so einen Beruf gehst, ein gewisser Ehrgeiz muss da natürlich da sein."
Auch Aylin Tezel sieht noch sehr jung aus und hat zur Vorbereitung auf die Rolle – neben einem einwöchigen Praktikum bei der Bielefelder Polizei inklusive Schießtraining – Liegestütze gemacht, um Muskeln aufzubauen und etwas härter und reifer zu wirken. Weitere Parallelen zur Rolle?
"Dass sie wie ich ein türkisches und ein deutsches Elternteil hat, dass sie wie ich kein türkisch spricht."
Die in Bielefeld aufgewachsene Tochter eines türkischen Frauenarztes und einer deutschen Kinderkrankenschwester sollte als Kind – wie auch ihre ältere Schwester und ihr jüngerer Bruder – zuerst richtig Deutsch und erst danach Türkisch lernen:
"Ja, das hat dann irgendwie nicht so geklappt." (lacht)
Am nächsten Tag treffe ich Aylin Tezel auf der Terrasse eines Hotels nahe des Dortmunder Stadions. Die Schauspielerin mit der Ballettfigur trägt enge Jeans und weißes Top, streift die Flipflops ab, setzt sich gelenkig im Schneidersitz auf die Korbcouch, nimmt erst mal einen Schluck ihres Kirschbananensafts und erzählt, wie sie mit sechs Jahren in ihrer Heimat Bielefeld mit dem Tanzen angefangen hat, sich als Kind mit großer Fantasie vorgestellt hat, jemand anderes zu sein und dieses Spiel auch als Erwachsene nie aufgehört hat:
"Das ging so mit 12, 13 los, dass ich plötzlich angefangen habe, diese ganzen Theaterstücke in den Reclam-Heftchen zu verschlingen (lacht). Und dann gab es so eine Begebenheit, da war ich 15, und wir haben mit der Tanzgruppe, in der ich mein halbes Leben war, mit der hatten wir einen Auftritt im Theater Bielefeld für ein Musical – Black Rider von Tom Waits. Und da hatte ich ja dann so direkten Kontakt mit den Schauspielern da am Theater, und das fand ich alles wahnsinnig spannend und aufregend. Und da war es dann plötzlich ganz klar."
Ihr Tanzlehrer und künstlerischer Mentor empfiehlt ihr eine private Schauspiellehrerin, und von da an verfolgt Aylin Tezel äußerst konsequent ihren Berufswunsch. Nach Einser-Abitur wird sie an der renommierten Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule aufgenommen, und alles scheint perfekt. Doch irgendwie ist ihr die Ausbildung zu theaterlastig. Eigentlich möchte sie Filme drehen, liebt das kleine, feine, möglichst authentische Spiel der reduzierten Gesten vor der Kamera. Nach zwei Jahren steht ihr Entschluss unwiderruflich fest:
"Ich möchte den Weg gehen, wo ich hundertprozentig dahinter stehe, und für mich gehörte dazu, dass ich in dem Moment die Schule verlassen habe."
Anfangs wird sie hauptsächlich als türkisches Mädchen besetzt, inzwischen ist sie immer häufiger in Rollen ohne Migrationshintergrund zu sehen.
Im berührenden Kino-Drama "Am Himmel der Tag" spielt sie die ziellose Architekturstudentin Lara, die von einer Disco-Bekanntschaft schwanger wird:
Lara: ""Glaubst du wirklich, dass ich das schaffen könnte?""
Freundin: ""Klar, du wärst bestimmt 'ne tolle Mutter.""
Lara: ""Aber ich bin doch selbst noch ein Kind.""
Wie Aylin Tezel die Entwicklung dieser Lara von gelangweiltem Desinteresse und sorgloser Ausgelassenheit bis zur freudigen Erwartung auf das Kind spielt, ist erstaunlich, ihre Verzweiflung und tiefe Trauer nach dessen Tod gehen unter die Haut. Es war keine Rolle, die sie so einfach abstreifen konnte:
"Dass ich wirklich nach diesen Drehtagen zu Hause saß und dieser Schmerz halt nicht wegging und ich mir so überlegt habe, wie mach ich das denn jetzt? Soll ich jetzt versuchen, abzuschalten oder soll ich versuchen, mich noch damit zu beschäftigen, damit das weniger wird? Es hat mich schon echt richtig mitgenommen."
Für die Freiheit, auch weiterhin unbezahlte Herzensprojekte wie dieses machen zu können, begnügt sich die Schauspielerin mit einer Einzimmerwohnung mit geringer Miete in Berlin. Notfalls könnte sie immer noch im Bielefelder Tanzstudio arbeiten, wo sie eine Ausbildung zur Tanzpädagogin gemacht hat und weiterhin so oft wie möglich tanzt. Sie braucht die Fitness, die Flexibilität des Körpers gibt ihr eine innere Kraft.
Der Tanz ist neben der Schauspielerei ihre große Liebe. Ihr Traum wäre ein Filmgenre, das Tanz und Schauspiel als künstlerische Erzählform gleichberechtigt behandelt. Im letzten Jahr hat sie einen solchen Kurzfilm inszeniert, die Hauptrolle gespielt und getanzt. Denn für Aylin Tezel gehören Körper, Geist und Seele, Gestik, Mimik und Gefühle ohnehin zusammen:
"In dem Moment, wo ich zwar ohne meine Sprache zu benutzen, aber die Sprache meines Körpers benutze, etwas tänzerisch ausdrücke, ist das für mich eigentlich Schauspiel. Und deswegen habe ich da gar nicht so diese Grenze. Und im Enddefekt kommen wir zurück zu der großen Lust, Geschichten erzählen zu wollen und selber ein Teil dieser Geschichte sein zu wollen."
""Ich werde von der Presse gerne als Tatort-Küken aufgezogen, aber nicht von meinen Kollegen.""
Die zierliche Schauspielerin in Stiefeletten, Röhrenjeans und cremefarbener Seidenbluse lacht. Dabei kräuselt sie die Nase und zeigt ihre beiden großen Schneidezähne, was ihrem Lachen etwas Freches verleiht. Die 1,66 Meter große Schauspielerin mit den Rehaugen und den langen braunen Haaren war zwar schon in der äußerst erfolgreichen Multikulti-Familienkomödie "Almanya" und als "Aschenputtel" im Weihnachtsmärchen zu sehen, die Rolle der Kriminaloberkommissarin Nora Dalay dürfte sie aber schlagartig noch bekannter machen.
"Die Nora Dalay ist auf jeden Fall sehr ehrgeizig, die stellt ihre Karriere an die erste Stelle im Leben. Und sie ist damit konfrontiert, dass sie einfach noch sehr jung ist und sehr jung aussieht und dadurch vielleicht immer so ein bisschen das Gefühl hat, sie muss noch einen mehr drauf legen als ihre Kollegen, damit sie als Polizistin ernst genommen wird. Na ja, ehrgeizig bin ich natürlich auch, klar, wenn du in so einen Beruf gehst, ein gewisser Ehrgeiz muss da natürlich da sein."
Auch Aylin Tezel sieht noch sehr jung aus und hat zur Vorbereitung auf die Rolle – neben einem einwöchigen Praktikum bei der Bielefelder Polizei inklusive Schießtraining – Liegestütze gemacht, um Muskeln aufzubauen und etwas härter und reifer zu wirken. Weitere Parallelen zur Rolle?
"Dass sie wie ich ein türkisches und ein deutsches Elternteil hat, dass sie wie ich kein türkisch spricht."
Die in Bielefeld aufgewachsene Tochter eines türkischen Frauenarztes und einer deutschen Kinderkrankenschwester sollte als Kind – wie auch ihre ältere Schwester und ihr jüngerer Bruder – zuerst richtig Deutsch und erst danach Türkisch lernen:
"Ja, das hat dann irgendwie nicht so geklappt." (lacht)
Am nächsten Tag treffe ich Aylin Tezel auf der Terrasse eines Hotels nahe des Dortmunder Stadions. Die Schauspielerin mit der Ballettfigur trägt enge Jeans und weißes Top, streift die Flipflops ab, setzt sich gelenkig im Schneidersitz auf die Korbcouch, nimmt erst mal einen Schluck ihres Kirschbananensafts und erzählt, wie sie mit sechs Jahren in ihrer Heimat Bielefeld mit dem Tanzen angefangen hat, sich als Kind mit großer Fantasie vorgestellt hat, jemand anderes zu sein und dieses Spiel auch als Erwachsene nie aufgehört hat:
"Das ging so mit 12, 13 los, dass ich plötzlich angefangen habe, diese ganzen Theaterstücke in den Reclam-Heftchen zu verschlingen (lacht). Und dann gab es so eine Begebenheit, da war ich 15, und wir haben mit der Tanzgruppe, in der ich mein halbes Leben war, mit der hatten wir einen Auftritt im Theater Bielefeld für ein Musical – Black Rider von Tom Waits. Und da hatte ich ja dann so direkten Kontakt mit den Schauspielern da am Theater, und das fand ich alles wahnsinnig spannend und aufregend. Und da war es dann plötzlich ganz klar."
Ihr Tanzlehrer und künstlerischer Mentor empfiehlt ihr eine private Schauspiellehrerin, und von da an verfolgt Aylin Tezel äußerst konsequent ihren Berufswunsch. Nach Einser-Abitur wird sie an der renommierten Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule aufgenommen, und alles scheint perfekt. Doch irgendwie ist ihr die Ausbildung zu theaterlastig. Eigentlich möchte sie Filme drehen, liebt das kleine, feine, möglichst authentische Spiel der reduzierten Gesten vor der Kamera. Nach zwei Jahren steht ihr Entschluss unwiderruflich fest:
"Ich möchte den Weg gehen, wo ich hundertprozentig dahinter stehe, und für mich gehörte dazu, dass ich in dem Moment die Schule verlassen habe."
Anfangs wird sie hauptsächlich als türkisches Mädchen besetzt, inzwischen ist sie immer häufiger in Rollen ohne Migrationshintergrund zu sehen.
Im berührenden Kino-Drama "Am Himmel der Tag" spielt sie die ziellose Architekturstudentin Lara, die von einer Disco-Bekanntschaft schwanger wird:
Lara: ""Glaubst du wirklich, dass ich das schaffen könnte?""
Freundin: ""Klar, du wärst bestimmt 'ne tolle Mutter.""
Lara: ""Aber ich bin doch selbst noch ein Kind.""
Wie Aylin Tezel die Entwicklung dieser Lara von gelangweiltem Desinteresse und sorgloser Ausgelassenheit bis zur freudigen Erwartung auf das Kind spielt, ist erstaunlich, ihre Verzweiflung und tiefe Trauer nach dessen Tod gehen unter die Haut. Es war keine Rolle, die sie so einfach abstreifen konnte:
"Dass ich wirklich nach diesen Drehtagen zu Hause saß und dieser Schmerz halt nicht wegging und ich mir so überlegt habe, wie mach ich das denn jetzt? Soll ich jetzt versuchen, abzuschalten oder soll ich versuchen, mich noch damit zu beschäftigen, damit das weniger wird? Es hat mich schon echt richtig mitgenommen."
Für die Freiheit, auch weiterhin unbezahlte Herzensprojekte wie dieses machen zu können, begnügt sich die Schauspielerin mit einer Einzimmerwohnung mit geringer Miete in Berlin. Notfalls könnte sie immer noch im Bielefelder Tanzstudio arbeiten, wo sie eine Ausbildung zur Tanzpädagogin gemacht hat und weiterhin so oft wie möglich tanzt. Sie braucht die Fitness, die Flexibilität des Körpers gibt ihr eine innere Kraft.
Der Tanz ist neben der Schauspielerei ihre große Liebe. Ihr Traum wäre ein Filmgenre, das Tanz und Schauspiel als künstlerische Erzählform gleichberechtigt behandelt. Im letzten Jahr hat sie einen solchen Kurzfilm inszeniert, die Hauptrolle gespielt und getanzt. Denn für Aylin Tezel gehören Körper, Geist und Seele, Gestik, Mimik und Gefühle ohnehin zusammen:
"In dem Moment, wo ich zwar ohne meine Sprache zu benutzen, aber die Sprache meines Körpers benutze, etwas tänzerisch ausdrücke, ist das für mich eigentlich Schauspiel. Und deswegen habe ich da gar nicht so diese Grenze. Und im Enddefekt kommen wir zurück zu der großen Lust, Geschichten erzählen zu wollen und selber ein Teil dieser Geschichte sein zu wollen."