Das gesamte Gespräch mit Sigmar Gabriel hören Sie hier:
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"Mit Militär zu intervenieren, wäre eine Riesendummheit"
Soll die Nato Marineschiffe ins Asowsche Meer entsenden? Der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) lehnt diesen Wunsch des ukrainischen Präsidenten Poroschenko ab. Denn das würde zu einer direkten Konfrontation mit Russland führen.
Im Konflikt mit Russland um die Blockade der Meerenge von Kertsch setzt die Ukraine auf den Westen, vor allem auf die Hilfe von Kanzlerin Merkel. Deutschland gehöre zu den engsten Verbündeten, sagte Präsident Poroschenko der "Bild"-Zeitung. Er hoffe, dass Nato-Staaten bereit seien, Marineschiffe ins Asowsche Meer zu verlegen, um für Sicherheit zu sorgen. Sigmar Gabriel kann dem nichts abgewinnen:
"Dass man sich als Westen, als die Bundesrepublik, Europa einschaltet, um den Versuch zu unternehmen, diesen Konflikt zu befrieden, das ist in Ordnung. Aber Marineschiffe - das ist ja eine freundliche Umschreibung für Kriegsschiffe - aus der Nato, aus Deutschland dorthin zu schicken, das ist ganz sicher der falsche Weg. Wer glaubt, wir hätten eine Chance, diesen Konflikt durch eine militärische Eskalation zu lösen, der unterliegt einem Riesenirrtum."
Minsker Abkommen als Lehre für die Europäer
Der vor einigen Jahren von Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande angestoßene Minsker Friedensprozess habe eine militärische Eskalation damals verhindert, so der heutige SPD-Bundestagsabgeordnete. "Das war eine gute Lehre dafür, was wir Europäer tun können. Jetzt in diesem Konflikt ausgerechnet mit Militär intervenieren zu wollen, das wäre, glaube ich, eine Riesendummheit." Dass die Kanzlerin das Ansinnen Poroschenkos nicht einmal erwähnt und damit abgelehnt habe, sei richtig. Denn eine "Militarisierung der Auseinandersetzung" führe in eine "direkte Konfrontation der Nato mit Russland. Ich meine: Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, kann das wollen."
Einfluss auf Russland durch Verdoppelung der Goethe-Institute
Gabriel äußerte sich auch grundsätzlich zur Politik gegenüber Russland. Man solle dem Land gegenüber nicht naiv, aber auch nicht als Hardliner auftreten:
"Das ist ein Land, das versucht, auch Europa zu spalten. Das ist ein Land, das versucht zu intervenieren. Das ist ein Land, das in der Ostukraine Auseinandersetzungen führt. Deswegen bin ich für Sanktionen, deswegen bin ich für eine UN-Blauhelmmission. Aber wenn wir Einfluss nehmen wollen, würde ich vermuten, dass die Verdoppelung der Goethe-Institute in Russland, die Verdoppelung der deutschen Schulen in Russland, der Kulturaustausch möglicherweise genauso wichtig sind, weil wir doch irgendwie versuchen müssen, in die russische Gesellschaft Kontakte zu halten."
Russland sei ein "großer Nachbar Europas, mit nationalen Interessen, die wir nicht teilen, mit manchmal sogar den gleichen Vorstellungen der Welt, wie Herr Trump sie hat, nämlich dass angeblich nur starke Nationen das Recht haben, die Welt zu bestimmen. Das ist nicht unsere Idee. Aber ich glaube nicht, dass die Welt besser wird, wenn wir jede Möglichkeit der Konfrontation suchen." (bth)