Hier werden alle Register gezogen
Weltberühmt sind die Orgeln des Sachsen Gottfried Silbermann. Von seinen 50 gebauten Instrumenten sind 31 erhalten, allein vier in Freiberg. Die besten Orgelspieler wetteifern in mitteldeutschen Kirchen um den einzigartigen Silbermann-Sound.
"Mein Name ist Frederik Kranemann, ich komme aus Freiburg im Breisgau und bin Organist und Cembalist und schätze Silbermanns Orgeln sehr. Und deswegen bin ich bei so einem Wettbewerb gern angereist, aus dem doch weiter entfernten Süden, um hier auf den Orgeln zu spielen. Wenn ich mich an so eine Silbermann-Orgel setze, dann bin ich in so einem gewissen Modus drinnen, der sich ganz auf das Instrument und die Musik einlässt."
Freiberg im September. In der Petrikirche läuft die erste Runde des Silbermann-Orgelwettbewerbs. Frederik Kranemann ist gerade von der Empore gestiegen, drei Stücke hat er auf der 1735 von Gottfried Silbermann gebauten Orgel gespielt. Kranemann tritt gegen 28 weitere Teilnehmer und Teilnehmerinnen an, der Wettbewerb ist beliebt und äußerst renommiert. Aus der ganzen Welt sind die jungen Musiker extra dafür angereist, aus Frankreich, Russland und der Schweiz, aus Japan, Kanada und Südkorea:
"Das ist natürlich ein Anreiz, dass man zwei, drei Stunden am Instrument verbringen kann, was man sonst eben nicht so kann. Und das ist für Nicht-Organisten schwierig sich vorzustellen, aber dieses Gefühl und dieses Erlebnis, an eine wirklich hervorragende Orgel zu kommen und mit ihr Zeit zu verbringen, das ist wie ein Rendezvous, könnte man sagen."
Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendelssohn Bartholdy, Nicolaus Bruhns und sehr viel Johann Sebastian Bach müssen sie beherrschen, um am Ende ins Finale einzuziehen. Der Wettbewerb dauert mehrere Tage, sieben Jurymitglieder bewerten das Spiel. Für sie ist Frederik Kranemann an diesem Vormittag nur eine Nummer, und zwar die 15. Gespielt wird hinter einer Leinwand, anonym. Niemand will sich bei einem Preisgeld von insgesamt 14.000 Euro vorwerfen lassen, irgendjemanden bevorzugt zu haben.
Für die zahlreichen Zuhörer in der Petrikirche ist das eher schade, denn so können sie die imposante, wunderschön vergoldete Orgel kaum sehen. Dafür umso besser hören, auch wenn womöglich nicht jeder Gast so ein feines Gespür für das barocke Silbermann-Instrument hat wie der erst 23-jährige Wettbewerber Kranemann:
"Zum einen die Grundtönigkeit, die die Orgeln mitbringen. Also die besonders tiefen Register, die tiefen Stimmen, die er sehr schön ausgebaut hat. Aber auch der strahlende Glanz der Höhe, der bei Silbermann sehr stark präsent ist, durch die Verwendung von gleich zwei Mixturen nach französischem Vorbild. Also die Stilsynthese, die Silbermann geschaffen hat, aus den verschiedenen Einflüssen, die er in seiner Ausbildungszeit gewonnen hat, die ist so einzigartig, dass man da immer wieder drauf spielen möchte und diesen Klang erleben möchte."
Kulturträger für Sachsen
Gottfried Silbermann, 1683 in Kleinbobritzsch im tiefsten Erzgebirge geboren, gilt als der bedeutendste mitteldeutsche Orgelbauer der Barockzeit. Von seinen 50 gebauten Orgeln sind heute noch 31 erhalten, allein vier davon im sächsischen Freiberg. Gefeiert wird das alle zwei Jahre während der Silbermann-Tage, einem zweiwöchigen Musikfestival in der Region zwischen Dresden und der Grenze zu Tschechien.
"Silbermann ist ein Ur-Erzgebirger, leitet sich schon aus dem Namen ab. Also ein typischer Bergbauname. Und wenn man jetzt von der Gegenwart her Silbermann betrachtet, ist er zum einen ein Kulturträger für Sachsen und so einer der wichtigen Namen, die eigentlich weit über Deutschland hinaus bekannt sind. Zumindest für Kulturinteressierte ist es ein sehr klangvoller Name."
... sagt Albrecht Koch. Der ist Organist im Freiberger Dom, Dirigent, Silbermann-Kenner und der künstlerische Leiter des Festivals. Koch widmet sich seit Jahren diesem wertvollen Erbe, welches Gottfried Silbermann vor allem Sachsen mit seinen einzigartigen Orgelbauten hinterlassen hat:
"Er hat neue Elemente in den Orgelbau hier in Mitteldeutschland, in Sachsen eingebracht. Er hat in einer handwerklichen Perfektion gearbeitet, wie es keiner konnte. Er hat das auch seinen Gesellen abverlangt. Er hat Materialien verwendet und war penibel in der Auswahl wie kein anderer, das macht die Haltbarkeit der Instrumente bis heute aus. Und er hat natürlich intoniert wie kein anderer, er hat auch in einer Großzügigkeit geplant, begonnen bei der Windversorgung, bei den Mensuren der Pfeifen, hat also einen Weg geschaffen für einen ganz typischen Orgelklang, den es bis dahin nicht gegeben hat."
Über 6000, teils internationale Besucher kommen zu den 25 Konzerten der Silbermann-Tage, in die Freiberger Kirchen und den Dom, aber auch in die Kathedrale nach Dresden und selbst in kleine Orte wie Zöblitz oder Pfaffroda. Denn an all diesen Orten stehen original erhaltene Orgeln von Silbermann, weshalb an jedem dieser historischen Plätze mindestens ein Konzert stattfindet. Das Festival lädt Musiker aus der ganzen Welt an die Orgeln – und diese kommen gern, erzählt Koch. Der weltberühmte Orgelbauer hat seine Heimat Sachsen allerdings nur sehr selten verlassen.
Im Jahr 1701 ging Gottfried Silbermann, mit nicht einmal 20 Jahren, zu seinem älteren Bruder Andreas ins Elsass und lernte von ihm das Handwerk des Orgelbaus. 1710 kehrte er als Meister nach Sachsen zurück, da er seinem Bruder versprochen hatte, sich nicht ebenfalls im Elsass selbstständig zu machen. Ein Jahr später baute er für seine Heimatstadt Frauenstein die erste Orgel in Deutschland und verzichtete ihr zuliebe sogar auf seinen Lohn, weil, wie er sagte: "Frauenstein mein Vaterland, Gott zu Ehren und der Kirche zu Liebe". Im selben Jahr eröffnete Silbermann seine Orgelbauwerkstatt in Freiberg und stellte vier Jahre später die große Orgel im Freiberger Dom St. Marien fertig. Damit war er im Geschäft, so Albrecht Koch, bekam unzählige Angebote auch aus dem Ausland, und blieb doch in Mitteldeutschland.
"Und dann, wie das immer so ist bei berühmten Persönlichkeiten, kommen natürlich die vielen Mythen dazu. Und dass Silbermann auch aus aller Welt angefragt wurde zu Lebzeiten, aus Kopenhagen, aus Sankt Petersburg, Moskau, Prag und immer gesagt hat: Nein, mach ich nicht, ist mir zu weit weg, ist zu gefährlich, Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht. Das mehrt natürlich auch so einen Ruhm dann irgendwie."
Die reichste Stadt der Mark Meißen
Allein in Freiberg hat Silbermann eine einzigartige Orgellandschaft hinterlassen. Zu bewundern ist diese nicht nur in der Petrikirche, sondern auch im noch weitaus imposanteren Dom St. Marien.
"Herzlich willkommen in dieser schönen Kirche. Es ist eine evangelisch-lutherische Kirche, seit der Reformation. Aber noch reich ausgestattet mit mittelalterlichen Kunstwerken. Und von der Innenausstattung her, sagt man auch, ist sie die künstlerisch wertvollste Kirche in Sachsen."
Christel Kandler führt seit vielen Jahren Besucher durch das Gotteshaus im Herzen der Freiberger Altstadt. Die Geschichte des Doms beginnt bereits im 12. Jahrhundert und ist eng verbunden mit dem erfolgreichen Silberbergbau im Erzgebirge. Damals stieg Freiberg schnell zur größten und reichsten Stadt der damaligen Mark Meißen auf. Das erste Kirchenhaus, auf dessen Grundmauern der heutige Dom erbaut wurde, war eine romanische Basilika.
"Die erste Kirche, die hier stand im romanischen Stil, war schon gewölbt, drei Kirchenschiffe, zwei Seitenschiffe, nach unten gezogen und das Mittelschiff erhöht, viertürmig, zwei West- und zwei Osttürme. Also ein sehr großer, beachtlicher Bau. Die Kunsthistoriker sagen, es war eine der größten romanischen Kirchen in Sachsen. Größer als der Bischofsdom in Meißen. 1484 war der letzte mittelalterliche Stadtbrand und dem ist die Kirche fast völlig zum Opfer gefallen. Man hat dann die Reste abgetragen und etwa auf den Grundmauern dann diese spätgotische Hallenkirche errichtet."
200 Jahre später dann, zwischen 1710 und 1714, baute Silbermann seine bis heute erhaltene Orgel ein. Es ist die Zweitgrößte, die er jemals gebaut hat:
"Die Orgel ist die älteste erhaltene, im Original erhalten, im Wesentlichen. Die erste war sie nicht, die hat er für seine Heimatkirche in Frauenstein gebaut, die dann einem Stadtbrand zum Opfer fiel. 44 Register, verteilt auf drei Manuale und Pedale und etwa 2700 Pfeifen. Die Orgel hat natürlich eine wesentliche Bedeutung hier, es kommen ja Organisten aus aller Welt her, vor allem zu den Abendmusiken, jeden Donnerstag im Sommerhalbjahr. Und Sonntags zu den Gottesdiensten wird sie gespielt, manchmal auch die kleine, weil die ja auch von Silbermann ist.
Die Große ist ja anders gestimmt, die hat keine moderne Stimmung. Silbermann hat damals die Orgeln unterschiedlich gestimmt. Sie ist nach dem damaligen Chorton gestimmt und etwas höher. Man hat also alle Orgeln unterschiedlich. Und wenn Kammermusik ist, nimmt man dann gern die kleine Orgel."
Der Freiberger Dom St. Marien ist eine für Kunsthistoriker und Musikliebhaber gleichermaßen interessante Schatzkammer: Mit zwei Silbermann-Orgeln, dazu der reich verzierten, aus dem 13. Jahrhundert stammenden Goldenen Pforte und der weltberühmten Tulpenkanzel im Mittelschiff.
"Ein außergewöhnliches Werk, ein Unikat, da gibt es nichts Vergleichbares in der christlichen Kunst. Eine freistehende Kanzel, nicht farbig, aus Porphyrtuff. Vier Blöcke, aus denen der Meister herausgearbeitet hat. Da ist nichts noch einmal angefügt. In der Mitte ist eine Metallspindel, darüber hat er die drei untersten Blöcke gefädelt und über dem Traubenkranz hat er dann diesen fantastischen Kanzelkorb aufgesetzt. Eine Marien-Kanzel, ist ja vorreformatorisch, deswegen sehen wir auch oben die Strahlenkranz-Madonna mit der Krone und dem Christuskind auf dem Arm."
Hier im Dom, an der großen wie der kleinen Silbermann-Orgel, findet auch das Finale des Orgelwettbewerbs statt. Dieser Contest ist ein zentraler Teil des gesamten Festivals, erklärt Kristine Schmidt-Köpf, die Geschäftsführerin der Gottfried-Silbermann-Gesellschaft:
"Der ist uns deshalb so wichtig, weil das wirklich die jungen Organisten sind, die nachwachsen, die hier gefördert werden. Und die wissen natürlich, ob dieser Silbermann-Orgeln und diesem besonderen Klang. Und deswegen sind unsere Preisgelder auch höher als normalerweise bei anderen Orgelwettbewerben im Vergleich."
Die Gesellschaft gibt es seit 1990. Ihr Auftrag: An das Leben und vor allem das Schaffen des sächsischen Orgelbauers zu erinnern – und natürlich seine Instrumente zu erhalten, zu bespielen und noch bekannter zu machen, so Schmidt-Köpf:
"Das ist nicht schwer bei den Insidern, den Organisten und den Musikwissenschaftlern. Das ist aber ein ganz großer Auftrag an die Öffentlichkeit. Wir werden öffentlich gefördert, um dieses Kulturgut bekannt zu machen bzw. die Leute dahin zu bringen, das schätzen zu lernen, vor allem auch die Jungen, die Kinder, dass diese Silbermann-Orgel ein ganz großer Schatz ist, der hier existiert.
Dadurch, dass die Orgeln in der Kirche stehen, gibt es für ein mehr oder weniger breites Publikum keinen Zugang dazu. Und das ist ja der ganze Ehrgeiz, und das gelingt meiner Ansicht nach auch sehr gut, die Leute da heranzuführen. Also wir machen Kinder- und Jugendprogramme, denen klar zu machen, was das für ein fantastisches Instrument ist. Das logischer Weise in Kirchen stehen muss, weil sonst gibt es ja gar keinen Ort dafür. Da möchten wir auf jeden Fall diese Hemmschwelle überwinden, für Leute, die jetzt mit der Kirche nicht direkt zu tun haben."
Im Dienst des Glaubens
Für Frederik Kranemann, den Organisten aus Freiburg im Breisgau und Teilnehmer am Wettbewerb, sind Kirchenhäuser mittlerweile so etwas wie sein zweites Zuhause. Ohne Kirche, so der 23-Jährige, keine Orgel. Das gehört für ihn, schon rein beruflich, zwingend zusammen:
"Solange man keine Angst vor Kirchen hat, ist Organist sein ein sehr angenehmer Beruf. Gut, dann geht man eben in die Kirche. Also die Orgel ist seit dem 9. Jahrhundert immer auch Glaubensinstrument und Ausdruck des Glaubens gewesen. Also wenn sie sich vor allem die protestantische Kirche ansehen, Luther hat gleich die Musik in den Dienst des Glaubens und der Religion gestellt. Und da nimmt die Orgel einen wichtigen Platz ein, der nicht wegzudenken ist."
In der Petrikirche ist es nun soweit. Die Jury-Vorsitzende gibt die Teilnehmer bekannt, die es in die nächste Runde geschafft haben.
"It's all been anonymous, so i only have numbers going on to the second round: number 2,3, 4..."
Frederik Kranemann, die Nummer 15, wartet sitzend in einer Bankreihe auf das Ergebnis.
"...number 7, number 15, 27 and 31."
Kranemann ist weiter, sein Gesichtsausdruck verrät allerdings nicht viel. Auch Minuten nach der Verkündung wirkt er äußerst abgeklärt:
"Och, ich freue mich schon jetzt. Vor allem auf die Orgel in Lengefeld drüben, die kenne ich noch nicht. Ich wusste es ehrlich gesagt nicht, aber so ein bisschen rechnet man schon damit, dass man weiter kommt. Auch wenn es nach der zweiten Runde nicht weiter geht, weiß man, dass man in der ersten Runde schon überzeugt hat."
Es wird Zeit, Freiberg zu verlassen. Denn die allabendlichen Festival-Konzerte finden auch in kleinen Kirchen der Umgebung statt. Richtung Süden geht es hinein ins Erzgebirge, bis nach Frauenstein. In diesem kleinen Ort wuchs Silbermann auf, allerdings ist über seine und auch die Jugend seines berühmten Bruders kaum etwas bekannt. Trotzdem gibt es hier, in einem eher unscheinbaren Haus gleich neben einer schönen, alten Burgruine gelegen, das Silbermann-Museum. Natürlich ist hier alles dem Leben und Werk des Orgelbauers gewidmet – inklusive dieses kleinen Funktionsmodells eines seiner Instrumente.
"Wir können hier demonstrieren, wie die Luft in die Orgel gelangt, durch die Bälge und wie sie in die Windlade gerät, also das Herzstück der Orgel. Unser Orgelmodell hat zwei Register, hat ein gedacktes Register mit den Holzpfeifen. Und sie können das hören, dass sie da einen richtigen Flötenton bekommen.
Und das zweite Register, was unser Modell hat, ist das Prinzipal. Das sind Pfeifen aus einer Zinn-Blei-Legierung.
Für unsere Besucher ist es immer schön zu erfahren, dass der bekannte Spruch "Alle Register ziehen" natürlich vom Orgelbau kommt. Wir können unsere beiden Register nämlich auch schön miteinander kombinieren... (zieht beide Register) ...und zusammen erklingen lassen."
Cornelia Ferguson ist fast täglich für die Besucher da. Ein Schmuckstück der Ausstellung, so die Assistentin der Museumsleitung, steht ein paar Meter weiter an der Wand.
"Das ist die Kopie einer Silbermann-Orgel aus Etzdorf bei Roßwein. Das Original steht in Bremen im Dom in der Krypta. Und diese Kopie steht jetzt hier seit 1994 und wird von uns auch regelmäßig genutzt für Konzerte, mehrmals im Jahr. Hin und wieder haben wir auch Gruppen da, die extra für ein Orgelvorspiel zu uns kommen. Dann kommt einer unserer Kantoren und bietet, ungefähr eine Stunde, Musik an dieser Orgel dar und erklärt auch viel über die Orgeln selbst, über Orgelmusik, über Komponisten der Barockzeit."
Viele Tagesbesucher halten am Frauensteiner Museum, erzählt Ferguson. Urlauber kommen gern vorbei, um sich erst die Burgruine anzuschauen und danach noch einen Blick ins Museum zu werfen. Dazu Orgelfans aus Amerika, England und Japan – für die die Schau ein Höhepunkt ihrer Rundreise durch die Orgellandschaft Sachsens ist. Hier können sie alte Grafiken und Bilder aus der Zeit Silbermanns studieren, Geschichten über die Familie nachlesen und historische Werkzeuge bestaunen, die allerdings nicht aus dem direkten Nachlass von Silbermann stammen.
"Silbermann war ja nicht verheiratet, hatte auch keine Kinder und hat deshalb keine Universalerben hinterlassen. Sein Besitztum wurde aufgeteilt zwischen seinen Lehrlingen, einigen von seinen Neffen und anderen Leuten wie seiner Magd. Deshalb ist von seinem Nachlass selbst nicht viel vorhanden. Was wir noch haben sind bestimmte Werkzeuge aus dem Orgelbau in einer Vitrine. Da sind z.B. Stimmhörner und Stimmeisen, womit die Zinn-Blei-Pfeifen gestimmt werden. Dann sehen sie hier auch bestimmte Hobel, die benutzt werden für die Herstellung der Holzpfeifen."
Eine Bergkirche nach Dresdner Vorbild
Weiter geht es ins knapp 30 Kilometer entfernte Seiffen. Der Kurort an der Grenze zu Tschechien ist vor allem für eines berühmt: sein Kunsthandwerk, für Holzspielzeug und Weihnachtsschmuck in allen Variationen. Schwibbögen und Räuchermänner säumen die Läden an der Hauptstraße bis hinauf zur alten Bergkirche. Hier lädt das Festival zum Kammermusik-Abend.
Die kleine Bergkirche selbst ist die wohl bekannteste Kirche des Erzgebirges. Denn kein Gotteshaus wurde häufiger in Holz dargestellt als dieses – weltweit, erzählt am nächsten Tag Seiffens Pfarrer, Michael Harzer, der der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde seit zehn Jahren vorsteht. Auf unzähligen Postkarten sei sie verewigt, so der 48-Jährige, dazu als Modell sehr häufig auf Schwibbögen und Pyramiden zu finden:
"Ich denke es ist so gewesen, dass seit den 30er Jahren vermehrt Gäste zu uns kamen und die wollten natürlich auch die Kirche zu Hause zeigen. Und da ist sie dann auch in Holz hergestellt worden. Die ältesten Darstellungen sind jetzt aber so um die 95 Jahre alt. Ich kenne sie natürlich von Kindheit an, denn ich stamme hier aus der Gegend, Zöblitz bei Marienberg, also 20 Kilometer von Seiffen entfernt. Und meine Vorfahren haben vor 300 Jahren schon hier in Seiffen als Bergleute gearbeitet. Einer der Vorfahren hat sogar das Kreuz hier drüben mit gestiftet."
Erbaut wurde die Bergkirche zwischen 1776 und 79 – ihr berühmtes Vorbild: Die Dresdner Frauenkirche.
"So entstand diese Kirche in der Grundform des regelmäßigen Achtecks, des Oktogons. Und wir haben täglich, das ganze Jahr über, mittags um 12 Uhr die Führung, außer sonntags. Im März, April kann es passieren, es sind nur zwei oder drei Leute da. Aber in der Adventszeit da kann es schon sein, dass 300 Leute oder sogar mal 400 Leute da sind. Wir haben es erlebt, dass die Emporen der Kirche gefüllt waren zur Mittagsführung."
Deshalb gibt es in der jetzt anstehenden Adventszeit ganztägig Führungen im 20-Minuten-Takt. Auch die Seiffener selbst sind eng mit ihrem Gotteshaus verbunden, so Pfarrer Harzer, etwa die Hälfte der 2300 Einwohner im Ort zählt er zu seiner Kirchgemeinde. Doch ein Problem vieler ländlicher Gemeinden macht auch vor Seiffen nicht halt: zu viele junge Menschen wandern ab.
"Die kommen sehr gern in kirchliche Räume, machen die Zeit des Konfirmandenunterrichts sehr, sehr bewusst mit und sehr engagiert mit. Dann gehen natürlich viele auch zur Ausbildung nach Außerhalb. Gibt leider sehr wenige, die hier vor Ort den Beruf des Spielzeugmachers erlernen. Hängt sicher auch mit den finanziellen Aussichten stark zusammen. Und überhaupt stellen sich vielen die Frage, ist das voll hier zukunftsfähig, wird es das in dieser Weise, wie wir es jetzt kennen, in 30, 40 Jahren noch geben."
Natürlich gibt es auch in der Seiffener Bergkirche eine Orgel – die ist allerdings, weil das Haus dafür zu jung ist, nicht von Gottfried Silbermann. Um noch ein wirklich imposantes Instrument aus seiner Planung zu sehen und zu hören, lohnt ein Besuch der Kathedrale in Dresden. Silbermann hat den Auftrag für den Bau erst kurz vor seinem Tod erhalten, zu Ende gebaut wurde sie schließlich von einem Schüler und Mitarbeiter des Meisters. Ihrem fabelhaften Klang hat das nicht geschadet.
Bespielt wird sie an diesem Abend von David Higgs, der zu den herausragenden US-amerikanischen Organisten zählt. Und Frederik Kranemann? Der ist beim Orgelwettbewerb am Ende doch nicht über die 2. Runde hinausgekommen. Das Finale gewonnen hat eine Japanerin.