Feuerwerk ist Charaktersache
Über 100 Millionen Euro lassen die Deutschen jährlich in die Luft gehen. Einer, den diese ganze Knallerei ziemlich kalt lässt, ist Dietrich Reiner. Für den Berliner Pyrotechniker ist ein Feuerwerk mit schweißtreibender Arbeit verbunden und nicht bloß mit Spass.
In Sachen Feuerwerk sind die Japaner die Größten.
"Wo, wooo! Haste gesehn, was die Bombe macht? Also, die ist von einem Meister gebaut. Also, der arbeitet da ein paar Monate dran."
Auf dem Bildschirm explodiert eine Rakete in einem riesigen feuerroten Bouquet, verfärbt sich gelb, grün, verglimmt dann langsam in tausenden goldene Sternschnuppen – die sich plötzlich im Sinkflug aufbäumen, um in alle Himmelsrichtungen davon zu schießen.
"Das Publikum sagt immer Raketen, das sind aber keine Raketen, das sind Bomben. Das ist Feuerwerk. Und hier in Deutschland ist alles - Müll. Aber wir haben nichts anderes."
Dietrich Reiner liebt Feuerwerk. Das war schon immer so.
"Ja, aber ich möchte das nicht überbewerten, also ich hab nicht mehr und nicht weniger gezündelt als andere Kinder auch. Ja, alle Kinder zündeln gerne."
Dietrich Reiner, ganz in schwarz gekleidet, sitzt in einem Eck-Café in Berlin-Kreuzberg, Raucher-Zimmer. Nur wenige Schritte von seiner Wohnung entfernt. Der Kaffee wird langsam kalt, der Nusskamm bleibt unangetastet, die Zigarette verglimmt in der Hand. Wenn der gebürtige Wiener etwas macht, dann widmet er dem seine ganze Aufmerksamkeit. Zum Beispiel der Geschichte, wie aus einem gelernten Büromaschinenmechaniker erst ein Roadi wird – es war die Technik- und Musikbegeisterung, Reiner spielt Querflöte, Sitar und Keyboard – und dann ein Pyrotechniker.
"Weil, meine ganzen Freunde, die damals auch mit mir mit gearbeitet haben, die wussten ja von meiner Affinität zu Pyrotechnik. Und das haben dann irgendwie auch die Bands so ein bisserl mitgekriegt. Und dann wurde ich so oft gefragt, ob ich nicht auf der Bühne, zum Beispiel bei einem Gitarrenriff, mal einen Effekt machen kann. Und da war natürlich meine Antwort immer: Nee, darf ich nicht, ich hab ja keinen Schein."
Denn die Regeln für den Umgang mit Feuerwerk sind streng. Nicht jeder darf ganzjährig im öffentlichen Raum mit Sprengstoff umgehen. An Stelle einer Berufsausbildung ist ein Pyrotechniker-Schein vorgeschrieben.
Als die Büromaschinenmechaniker-Branche den Bach runter geht, Computer verdrängen die Schreibmaschinen, entschließt sich Dietrich Reiner, die Prüfung zu machen.
"Und dann hab ich eben angefangen, mich bei verschiedenen Firmen in Berlin und Bundesgebiet zu verdingen, weil ich ja 26 Feuerwerke nachweisen muss. Bei denen ich mitgewirkt habe, als Helfer."
Zwei Praxis-Jahre und eine staatliche Prüfung später, macht er sich 1986 selbständig. Und komponiert fortan Feuerwerke für Geburtstage, Firmenjubiläen, Hochzeiten, Stadtfeste …
"… alles Mögliche, wo eben mal irgendein Highlight dazu gemacht werden soll.
Das sind römische Lichter, ich liebe es, wenn sie sich so kreuzen, ich liebe es."
Das Feuerwerk entsteht am heimischen Schreibtisch. Als erstes kommt die Musik. Dann werden die einzelnen Effekte dazu komponiert.
"Das sind zum Beispiel Popping Flowers. Also die poppen auf und machen diese Blumen."
Gut 2000 pyrotechnische Effekte gibt es. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Die schönsten finden Eingang in eine Choreografie. Die Einleitung, den Mittelteil, eine Berg- und Talfahrt aus kleinen Höhepunkten bis zum großen Finale.
"Inzwischen brauche ich natürlich keinen Schmierzettel mehr, weil ich alle Effekte im Kopf habe, ich weiß was sie tun, wie hoch sie steigen, welche Farbe sie haben, wie lang ist die Brennzeit. Also, jetzt habe ich die Effekte praktisch vor meinem geistigen Auge und setze die wie ein Puzzle zusammen."
Am Computer werden dann Musik und Effekte sekundengenau aufeinander abgestimmt.
"Das hört sich nun alles sehr einfach an, ist es aber nicht, das ist hochkompliziert. Ich habe auch schon ein Wochenende gesessen und gerade drei, vier Minuten Feuerwerk geschafft …"
Etwa 2600 Feuerwerke gehen mittlerweile auf das Konto des passionierten Rauchers. Von Ermüdungserscheinungen keine Spur, seine braunen Augen funkeln, wenn er sich an persönliche Highlights erinnert.
"Also immer noch, obwohl es jetzt zehn Jahre her ist, mein für mich privat schönstes und aufwendigstes Feuerwerk war in Köpenick. Auf Wasser. Das war 2003. Und da hab ich wirklich ein halbes Jahr an dieser Show gearbeitet. Und die Pyro war einfach gigantisch."
Die Shows, das ist die schöne Seite des Berufs, die glitzernden Feuerwerke im Himmel, die begeisterten Rufe des Publikums.
"Die andere Seite ist eben Blut, Schweiß und Tränen."
Bei allem Ärger, ans Aufhören denkt der 62-Jährige nicht.
"Feuerwerk ist Charaktersache. Man hat es in der Seele, oder man hat es nicht."