Silvia Bovenschen: "Lug&Trug&Rat&Streben"
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2018
207 Seiten, 20 Euro
Ein Buch des Abschieds
Liebe und Freundschaft, Verrat und Treue, Hoffnung und Desillusion - in dem posthum veröffentlichten Band "Lug&Trug&Rat&Streben" entwirft Silvia Bovenschen ein rotierendes Welttheater en miniature.
Silvia Bovenschen, die im vergangenen Oktober in Berlin verstarb, zählte zu den eigenwilligsten und vielseitigsten Persönlichkeiten der bundesrepublikanischen Intelligentia. Das Spektrum ihrer Interessen reichte von der Goethezeit über die Kultur der Idiosynkrasie bis zur Mode. In ihrem Werk ist nahezu jede Gattung und jedes literarische Genre vertreten: Wissenschaftliche Studie, Essay, Roman, Krimi und autobiografischen Skizze. Einem breiten Lesepublikum wurde sie 2006 mit dem Bestseller "Älter werden" bekannt, in dem sie auf berührende, wenn auch konsequent unsentimentale Weise von der Krankheit berichtete, die ihr gesamtes Leben begleitete und es einschränkte.
Bovenschen litt seit ihrem 20. Lebensjahr an Multipler Sklerose. Was ihr an äußerer Beweglichkeit fehlte, eroberte sie sich an geistiger doppelt zurück. Wer sie kannte, durfte eine meinungsstarke Gelehrte erleben, die aus einem immensen Fundus abendländischen Wissens schöpfte und gleichzeitig über die neueste Folge der Fernsehshow "Dschungelcamp" Bescheid wusste.
Mit Scharfsinn, Eleganz und Witz
Bis kurz vor ihrem Tod arbeitete sie an dem Roman "Lug&Trug&Rat&Streben", den ihr Hausverlag S. Fischer nun postum veröffentlicht. Eindrucksvoll bündelt dieses literarische Vermächtnis noch einmal die Eigenschaften, die Silvia Bovenschens Denken und Schreiben prägten: Scharfsinn, stilistische Eleganz, Witz und jene literarische Spielfreude, die ihr umso mehr zuwuchs, je weiter sie sich im Alter von der akademischen Lehre entfernte. Auch die Skurrilität des Romanpersonals trägt Bovenschens unverwechselbare Handschrift.
In einem ramponierten Haus verteilt sich über drei Stockwerke eine aus der Zeit gefallene Kleingesellschaft. Im Keller verschanzt sich ein gewisser Herr Bärentrost vor der Welt, über ihm residieren seine missmutige Schwägerin Alma und ihre Tochter Agnes sowie ein kleiner altkluger Junge namens Max. Schließlich stößt noch Mr. Odino, ein Verehrer Almas aus früheren Tagen, zu dem Ensemble kurioser Kunstfiguren. Gemeinsam mit Max dringt Mr. Odino in den Dachboden des Hauses vor, wo sich in verstaubten Kisten und Truhen ein wahres Sammelsurium aus Schuhen, Hüten, Kostümen und Masken befindet, das nicht zufällig an das Inventar eines Theaterfundus erinnert.
In einem ramponierten Haus verteilt sich über drei Stockwerke eine aus der Zeit gefallene Kleingesellschaft. Im Keller verschanzt sich ein gewisser Herr Bärentrost vor der Welt, über ihm residieren seine missmutige Schwägerin Alma und ihre Tochter Agnes sowie ein kleiner altkluger Junge namens Max. Schließlich stößt noch Mr. Odino, ein Verehrer Almas aus früheren Tagen, zu dem Ensemble kurioser Kunstfiguren. Gemeinsam mit Max dringt Mr. Odino in den Dachboden des Hauses vor, wo sich in verstaubten Kisten und Truhen ein wahres Sammelsurium aus Schuhen, Hüten, Kostümen und Masken befindet, das nicht zufällig an das Inventar eines Theaterfundus erinnert.
Ein Roman wie ein Theaterstück
Denn seiner Form nach gleicht dieser letzte Roman von Silvia Bovenschen einem Theaterstück, das auf der dramaturgischen Technik der Drehbühne beruht. Aus kurzen, lose verbundenen Szenen und Dialogen, in denen die Figuren in wechselnden Konstellationen auftreten, entsteht ein rotierendes Welttheater en miniature, das wie nebenbei eine Fülle von Menschheitsthemen behandelt: Vergängliche Liebe und unvergängliche Freundschaft, Verrat und Treue, Hoffnung und Desillusion.
Befreit von den Gesetzen des Realismus und den Konventionen des Romans hat Silvia Bovenschen ein Buch des Abschieds verfasst, das sich Pathos und Sentiment streng verbittet. Es ist ein furioses Buch, das in der Hauptsache von der Stimme seiner Verfasserin lebt, einer überragend geistreichen und bisweilen rotzfrechen Streiterin für die Kunst.
Befreit von den Gesetzen des Realismus und den Konventionen des Romans hat Silvia Bovenschen ein Buch des Abschieds verfasst, das sich Pathos und Sentiment streng verbittet. Es ist ein furioses Buch, das in der Hauptsache von der Stimme seiner Verfasserin lebt, einer überragend geistreichen und bisweilen rotzfrechen Streiterin für die Kunst.