Der vollendete Nikolaus
Am 6. Dezember ist er 85 Jahre alt geworden - der Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Sehr selten, dafür umso eindrücklicher sind seine Auftritte. In einer Aufnahme aus dem Wiener Musikvereinssaal porträtiert er mit den Philharmonikern der Stadt Franz Schubert.
Nikolaus Harnoncourt feierte am Vortag seinen 85. Geburtstag. In den Wochen zuvor beschenkte er die Musikwelt mit seinen immer seltener werdenden Konzertauftritten. Er muss mit seine Kräften haushalten, doch steht er erst einmal auf der Bühne, strahlt er eine ewig junge Energie und Freude an der Musik aus. Mit den Wiener Philharmonikern setzte er sich vor vier Wochen noch einmal mit der Ur-Wienerischen Musik Franz Schuberts auseinander.
Von der politischen Öffentlichkeit unbemerkt hat sich in einer Berufsgruppe die Rente mit 87 durchgesetzt: 87 Jahre ist jedenfalls das gefühlte Durchschnittsalter, in dem Dirigenten beschließen, künftig etwas kürzer zu treten. Nikolaus Harnoncourt, geboren am 6. Dezember 1929 in Berlin, aufgewachsen in Graz, der wohl einflussreichste österreichische Dirigent nach Herbert von Karajan, ist nun 85 Jahre alt – sieht aber aus wie 65 und dirigiert, als wäre er 45. Dennoch denkt Harnoncourt schon seit langer Zeit ans Aufhören und sagt immer wieder Konzerte ab. Für die nächste Zeit sind nur noch Auftritte in seiner Heimat geplant.
Zu einer Ausnahme ließ sich Harnoncourt allerdings überreden: Mit den Wiener Philharmonikern studierte er ein reines Schubert-Programm ein, das er nicht nur im Wiener Musikverein (von dort stammt diese Aufzeichnung vom 9. November), sondern auch im Berliner Konzerthaus aufführte. Dieser Auftritt war als Abschied Harnoncourts von seiner Geburtsstadt angekündigt ("einmal noch Berlin") – entsprechend emotional reagierten Publikum und Musiker. Allen wurde in diesem Konzert bewusst, dass sich hier eine Epoche überzeugender, immer neuer musikalischer Interpretationsansätze ihrem Ende zuneigt.
Harnoncourts Qualitäten als zweifelnder, suchender, unbeirrbar ernster Musik-Befrager waren an diesem Abend ebenso zu erleben wie seine Fähigkeit, das Publikum mit unterhaltsamen Bemerkungen über die Hintergründe vermeintlich bekannter Musik aufzuklären. In unserer Sendung präsentieren wir Ihnen den Mitschnitt aus Wien, angereichert um Eindrücke des Berliner Abschieds. Nicht zuletzt wird Nikolaus Harnoncourt an diesem Abend selbst zu Wort kommen.
Musikverein Wien
Aufzeichnung vom 09.11.2014
Franz Schubert
„Rosamunde, Fürstin von Zypern". Musik zu dem Romantischen Schauspiel von Helmina von Chézy op. 26 D 797
ca. 21.00 Uhr Konzertpause, darin:
„Dem Wienerischen hinter die Spur kommen" - Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Musikern der Wiener Philharmoniker über ihre Arbeit mit Nikolaus Harnoncourt
Franz Schubert
Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 „Unvollendete"
Wiebke Lehmkuhl, Alt
Arnold Schoenberg Chor
Wiener Philharmoniker
Leitung: Nikolaus Harnoncourt