Singen, lachen und fliegen

Von Gerhard Richter |
Sie sind Zivilisten und Militärs und sie singen gemeinsam, weil sie Spaß daran haben: Im Gospelchor in Lerchenfeld geht es zackig und militärisch zu, trotzdem haben seine Mitglieder viel Spaß miteinander. Und das Singen hilft ihnen auch bei der Arbeit in der Luftwaffe.
Lustig geht es zu in der Versöhnungskirche Lechfeld. Auf den Stufen zum Altar stehen 43 Sängerinnen und Sänger. Dicht an dicht, wie ein Block. Davor - direkt neben dem Taufstein – dirigiert Andreas Kohlhosser den Chor. "Dirigieren" ist übertrieben, der 47-jährige Oberstabsfeldwebel mit dem Bürstenhaarschnitt gibt den Einsatz mit militärisch knappen Zeichen. Als Frontmann singt er die meisten Soli.

"Ich mach Musik seit fast 40 Jahren, hab mit Blockflöte und Trompete angefangen, hab das viele Jahre gemacht. Mit meiner Versetzung nach Bayern hat´s dann für die Blasmusik nicht mehr so das richtige Betätigungsfeld für mich gegeben, und dann hab ich erst mal ne Zeitlang nichts gemacht. Und dann kam die Chance des Gospelchores."

"Ne Gesangsausbildung hab ich nicht, ich sing, weil ich gerne singe und Spaß dran hab. Und wir versuchen das halt so in der Gesamtheit rüberzubringen."

Carola Wagner: "Es fing damit an, dass wir einmal ein Familienwochenende mit dem Thema Gospel gemacht haben, und da kam der erste Chorleiter, der Jimmy Potratz dazu, und zuerst war da durchaus ein bisschen Skepsis, grade bei den Männern. So: 'Können wir wirklich singen?' Aber der Jimmy Potratz hat wirklich eine Gabe, Menschen zum Singen zu bringen. Und innerhalb von 20 Minuten haben wir 'Amen' vierstimmig gesungen. Und das war so der allererste Anfang."

Das war 2007, erzählt Carola Wagner, die Pfarrerin der Militärseelsorge Lechfeld. Der erste Auftritt war noch im selben Jahr beim 40. Jahrestag der technischen Schule der Luftwaffe. Jimmy Potratz, der erste Chorleiter, wurde mittlerweile von Andreas Kohlhosser abgelöst, aber der Gospelchor singt bis heute bei kirchlichen und bei militärischen Anlässen.

Dass Christen als Soldaten oder Zivilangestellte in der Bundeswehr dienen, ist für die Militärpfarrerin kein Widerspruch.

"Es wär doch irgendwie schrecklich, wenn sich Christen aus dem ganz raushalten würden. Wenn man das Leuten überlassen würde, denen das egal ist. Und da dann genau zu fragen, wann ist welche Gewalt, wie angemessen. Das ist doch gut, wenn das in verantwortungsvollen Händen ist. Und ich denke, man kann kein Christentum als Weltflucht betreiben. Zu sagen, ich halt mich raus. Aber damit übernimmt man keine Verantwortung für eine Gemeinschaft. Auch für eine Weltgemeinschaft. Auch für einen Staat."

Oberstleutnant Siegfried Beck zum Beispiel ist Pilot. Beim Chor steht er in der ersten Reihe und wenn es um Kampfeinsätze geht ebenfalls. Dann steuert er einen Tornado ins Kriegsgebiet und riskiert sein Leben und das der Feinde. Existenzielle Situationen in Todesnähe.

"Während des Kosovo-Kriegs war's so: Wir hatten den ersten Einsatz geplant und durften nicht mehr mit Zuhause telefonieren. Ja und dann sitzt man halt alleine in seinem Hotelzimmer und dann hab ich halt einen Abschiedsbrief geschrieben, weil man wusste ja nicht, was passiert. Jetzt krieg ich wieder Gänsehaut."

Bisher kam Siegfried Beck von seinen Einsätzen im Himmel über dem Kosovo und über Afghanistan immer gesund zurück. Weil er im Kampfjet alles Irdische hinter sich lässt, sagt er. Familie, Chor, Jesus, alles.

"Wenn man einsteigt, muss man so funktionieren, wie man trainiert hat, in dem Moment, wo´s Triebwerk anspringt, redet man nur noch über den Einsatz. Wann man am Tanker sein muss und so weiter… Und in dem Moment denkt man da gar nicht dran. Gar nicht."

Erst danach, erzählt der 49-jährige Familienvater, erst nach der Landung ist wieder Platz für das normale Leben, für Gott und die Welt, und da brauche er dann die Musik.

"Während der Afghanistan Einsätze - ich hab dann meine Gospel-CDs irgendwo auf dem Ipod oder Iphone mit dabei und wenn man dann zurück war und auf seinem Bett gelegen hat, dann hör ich mir die auch an. Und das bringt mich auch wieder runter dann."

Im Gospelchor singen nicht nur Soldaten. Schon seit langem sind die Ehefrauen dabei, Kinder, Zivilangestellte der Bundeswehr oder einfache Zivilisten. Bei den Auftritten tragen alle eine Art Uniform. Dunkelblaue Hosen und hellblaue Hemden, das entspricht der Dienstkleidung der Luftwaffe. Die Soldaten im Chor erkennt man an ihren militärischen Rangabzeichen auf den Schulterklappen.

Carola Wagner: "Als die, die aus dem zivilen Bereich kommen, die wissen, das ist unser Selbstverständnis. Wir sind Teil der Militärseelsorge. Und das ist so das Einzige, was die Zivilisten anerkennen müssen… ja, dass wir uns nicht davon distanzieren."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.