Singen mit Anspruch

Von Caroline Kuban |
Die "Chorifeen" aus Hannover sind ein gemischter Chor, der sich seit 1998 einmal wöchentlich zum Singen trifft. Nicht immer mit dem Anspruch, "Koryphäe" zu sein, wohl aber mit Freude an Musik und dem richtigen Gespür für Außergewöhnliches.
"So! Action, los geht’s!"

13 Frauen und acht Männer klatschen rhythmisch in die Hände, laufen im Takt kreuz und quer über das Parkett des lang gezogenen Saals. Rhythmisches Einsingen mit Körpereinsatz.

"Eins, zwei, drei vier - no, no, no, no!"

"Es gab einen Gesangsworkshop für Gesangslehrer speziell, organisiert vom 'Tut', dem Institut für Tanz und Theater hier in Hannover und aus diesem Gesangsworkshop heraus ist die Idee entstanden, dass man doch einen Chor gründen könnte, wo es nicht nur um Singen geht, sondern wo Bewegung und Singen miteinander verknüpft werden und dann gab's bei den Mitgliedern die Idee, dass doch wöchentlich zu machen … und ob’s da jemanden gibt, der das leiten würde und da hab ich gleich gesagt: Ja, könnte ich mir vorstellen, hätt' ich richtig Lust dazu."

Klaus Wössner leitet seit zwölf Jahren die Chorifeen in Hannover. Geboren in Baden-Württemberg studierte der 44-Jährige zunächst in Heidelberg Schulmusik und Mathematik und ließ sich in einem zweiten Studiengang in Hannover zum Rhythmiker ausbilden. In regelmäßigen Workshops gibt Wössner sein Wissen zum Thema "Stimme und Bewegung" weiter, und auch als Chorleiter setzt er hier Akzente.

"Rhythmiker macht mit einem Chor, dass er zum Beispiel Body Percussion übernimmt oder dass wir zu verschiedenen afrikanischen Gesängen auch irgendwelche Klatschrhythmen haben, und was wir auch machen: dass wir eben den Raum immer bespielen, dass wir nicht nur vorne stehen, sondern dass wir den kompletten Raum auch besingen, dass wir uns im ganzen Raum bewegen, dass wir den ganzen Chor verteilen im Raum in kleinen Gruppen und dann mit der Raumakkustik spielen."

Das zeichnet auch die Konzerte der Chorifeen aus. Seit Jahren treten die 23 Sänger an verschiedensten Orten auf:

"Wir haben zum Beispiel einmal im Zirkuszelt einen Auftritt gemacht, da hatten wir einen Conferencier und das ganze Programm war eher so varietémäßig. Wir sind in Kirchen aufgetreten, dann sind wir im Historischen Museum aufgetreten, da war's ne ganz andere Räumlichkeit, so ganz steril mit Beton und Glas, das finden wir auch spannend."

Corinna von Kietzell gehört zu den Sängerinnen der ersten Stunde. Von Anfang an singt die Sopranistin bei den Chorifeen mit. Dabei bedeutet Singen für die Schauspiellehrerin weitaus mehr als Entspannung und Freude an Musik:

"Auch Kommunikation, eine ganz andere Art der Kommunikation, nicht über das Wort, viel mit Blick, mit Gefühl, man kann ja nicht singen ohne Gefühl, ohne Stimmung gibt es gar keine Stimme; und auch mich anleiten zu lassen, weil ich sonst immer anleite, find ich es sehr schön, hierher zu kommen und mich anleiten zu lassen, dass jemand sagt: mach so, mach so … wunderbar!"

Das sieht Basssänger Guido Süttmann ähnlich. Der Gynäkologe ist seit sieben Jahren mit Begeisterung dabei und genießt die etwas andere Chorarbeit. Auch wenn er sich am Anfang von seinen klassischen Chorerfahrungen verabschieden musste:

"Es ist sehr locker und sehr abwechslungsreich, für mich war das sehr gewöhnungsbedürftig mit dem Bewegen, wir müssen ja immer klatschen und hüpfen und alles Mögliche machen, das ist mir schwergefallen, nicht rhythmisch, aber ich musste einige Hemmungen überwinden, und das Programm ist sehr abwechslungsreich."

Das Repertoire der Chorifeen umfasst alle Epochen und Stile – vom polyfonen Gesang der Renaissance über Jazz und Pop bis hin zum Sprechgesang. Viele Stücke sind von Chorleiter Klaus Wössner selbst arrangiert. So auch ein Stück von Heinz Erhardt.

"Die 'Made' ist aus unserem letzten Programm, da haben wir eine Ausstellung umrahmt, die hieß: 'Kleingärten in Hannover', da war das Thema vorgegeben, es ging rund um Garten und da kamen wir auf die 'Made'."

Am Ende der Probe noch eine Übung für besseres Hören: Der Chor stellt sich im Raum verteilt in drei großen Kreisen auf. In jedem Kreis sind alle vier Stimmen vertreten. Die Sänger stehen Schulter an Schulter, Blick und Stimme gehen nach außen, die Augen sind geschlossen. Anne Düsing hält ihren friedlich schlafenden Säugling im Tragetuch vor dem Bauch und genießt.

"Man ist nicht so abgelenkt mit Augen zu. Dann kann man sich mehr noch aufs Hören konzentrieren. Dann wird das alles miteinander verbunden, also Gesang und Bewegung. Dann konzentriert man sich nicht nur auf Text und ist nicht so gebunden an ein Blatt Papier und kann das alles besser spüren und fühlen."

Spüren, fühlen und auf andere Gedanken kommen - das macht auch für Corinna von Kietzell das Wesentliche am Singen aus.

"Dieser Mittwochabend ist für mich immer absolute Erholung, egal wie müde ich hierherkomme, hinterher bin ich auf jeden Fall angeregt, aufgeregt, ganz am Anfang konnte ich sogar abends gar nicht einschlafen vor laute Anregung, jetzt geht das schon besser, aber auf jeden Fall immer ein sehr schönes Erlebnis."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.