Singhammer: "Das ist Steinzeitsozialismus"

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der CSU-Politiker Johannes Singhammer hat sich gegen eine Krippenpflicht für Kleinkinder ausgesprochen. Man dürfe Eltern nicht dazu zwingen, "ihre Kleinsten schon praktisch unmittelbar nach der Geburt in eine Kinderbetreuungseinrichtung zu geben".
Jörg Degenhardt: Kommen Krippenzwang und eine Ganztagsschulpflicht auf uns zu? Diese Forderungen kamen gestern aus der Chefetage des Deutschen Gewerkschaftsbundes, nicht für morgen oder übermorgen, eher langfristig, aber immerhin. Die Vizechefin des DGB, Ingrid Sehrbrock, sie gehört der CDU an, meinte in einem Interview, wenn man es ernst nehme mit der Chancengleichheit der Kinder, dann dürfe es keine Wahlfreiheit für die Eltern geben. Noch sieht sie für diese Ansicht aber keine politischen Mehrheiten. Deshalb müsse nun Überzeugungsarbeit geleistet werden. Wahrscheinlich kann sie damit gleich im eigenen Lager beginnen, denn der DGB hat inzwischen betont, es handele sich um die private Ansicht der zweiten Vorsitzenden. Mein Gesprächspartner ist jetzt Johannes Singhammer. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Familien, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und ich darf noch hinzufügen, Vater von sechs Kindern. Guten Morgen, Herr Singhammer.

Johannes Singhammer: Guten Morgen, Herr Degenhardt.

Degenhardt: Bisher habe die Ideen von Frau Sehrbrock bei Politikern der C-Parteien keine große Begeisterung, sondern eher Ablehnung hervorgerufen. Wie ist das bei Ihnen?

Singhammer: Das ist genauso, denn die Idee als solches geht in eine falsche Richtung. Wahlfreiheit ist für uns als Union ein ganz entscheidender Grundsatz, und Wahlfreiheit so misszuverstehen, dass Eltern jetzt gezwungen werden, verpflichtet werden, ihre Kleinsten schon praktisch unmittelbar nach der Geburt in eine Kinderbetreuungseinrichtung zu geben. Das ist das Gegenteil von Freiheit, von Elternrecht, und deshalb lehnen wir das grundsätzlich und vom Fundament her ab.

Degenhardt: Das heißt, Erziehung kann keine Staatsaufgabe sein?

Singhammer: Das ist Steinzeitsozialismus, zu glauben, der Staat sei der bessere Erzieher. Was als Idee sicherlich diskussionswürdig ist, wie können wir gleiche oder ähnliche Chancen für möglichst alle Kinder und Jugendliche schaffen. Die Antwort darauf ist nämlich, durch ein gutes Bildungssystem, alles zu tun, um den Rohstoff Geist auch wirklich zur Entfaltung kommen zu lassen, aber nicht dadurch, dass wir zu Ende gedacht letztendlich dann Eltern verpflichten würden, ihre Kinder schon im frühesten Lebensalter aus dem Haus zu geben. Und wenn sie das nicht wollen, bis dahin, dass sie sozusagen zwanghaft mit Polizeigewalt die Kinder dann weggenommen bekämen, das ist eine bizarre Vorstellung. Und man sollte sie auch nicht näher und weiter diskutieren.

Degenhardt: Herr Singhammer, Sie geben mir das Stichwort: Chancengleichheit. Zeigen nicht die Ergebnisse der PISA-Studien, dass Kinder aus den unteren Schichten nur dann die gleichen Bildungschancen haben wie Kinder aus dem mittleren oder gehobenen, wenn sie zum Beispiel in Ganztagsschulen bestens gefördert werden können?

Singhammer: Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass es entscheidend darauf ankommt, welche Bildungsmöglichkeiten zum einen bestehen und zum anderen, wie gerade die Kooperation auch mit dem Elternhaus ist, und was natürlich auch gerade die Eltern selbst unterstützend tun können. Deshalb ist zum Beispiel die Elternbildung auch etwas ganz entscheidend Wichtiges. Aber sozusagen die Chancengleichheitdiskussion zu verengen auf einen Staat als alleinigen Erzieher, der von früh bis spät die Eltern ersetzt, das kann nicht die Lösung sein und widerspricht auch allen Erkenntnissen, die wir gerade aus der Kinder- und Jugendforschung in den letzten Jahren gewonnen haben.

Degenhardt: Aber trotzdem noch mal die Nachfrage, wir hatten ja gestern gerade den Migrationsgipfel im Bundeskanzleramt mit Frau Merkel, wäre die Ganztagsschule zum Beispiel nicht eine echte Alternative für viele Migrantenkinder, die ja schon Schwierigkeiten teilweise haben in jungen Jahren mit der deutschen Sprache?

Singhammer: Ja, bei der Ganztagsschule ist natürlich jetzt eine andere Diskussionslage gegeben. Wir haben ja eine Schulpflicht, wir haben keine Kinderkrippenpflicht. Also wir sind in einer anderen Altersstufe der Kinder, da kann man überlegen, wie man das günstig gestaltet. Ich meine aber auch, dass eine Pflicht nicht der richtige Weg ist, sondern ein gutes Angebot. Ist das Angebot gut, wird es auch wahrgenommen, davon bin ich überzeugt. Die Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Das gilt genauso für Ausländerfamilien, warum sollen sie was Schlechteres wollen. Sie wollen das Beste, wir sollten das Vertrauen in die Eltern haben, wir sollen attraktive Angebote machen, das ist der Weg, der richtig ist.

Degenhardt: Noch mal zu den etwas Jüngeren. Der Präsident des Städtetages plädiert für einen weiteren Krippengipfel, nicht Krisengipfel, sondern Krippengipfel, bei dem konkret verabredet werden müsse, wie der geplante Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz umgesetzt werden kann. Den schönen Worten von Familienministerin von der Leyen müssten nun auch Taten folgen, so der Münchner OB Herr Ude. Gipfel scheinen ja derzeit Hochkonjunktur zu haben, also brauchen wir auch hier ein erneutes Spitzentreffen?

Singhammer: Ich glaube, wir sind im ständigen Gipfeltreffen zwischen Ländern und Bund. Wir treffen uns alle zwei Wochen, um die Finanzfragen abschließend zu klären. Ich glaube, wir sind einen guten Weg vorangekommen. Der Bund stellt viel Geld zur Verfügung, das ist auch richtig. Wer etwas ankündigt, muss auch Geld in die Hand nehmen, Steuergeld. Warum es eigentlich eher jetzt geht, und das ist das Besondere der Diskussion, den Mittelabfluss, das Geld, das zur Verfügung gestellt wird, so abfließen zu lassen, dass es vor allem die Länder auch akzeptieren. Also ein bisschen merkwürdige Diskussionen in dem Fall, aber die Zeit zeigt, dass wir schon ein gutes Stück vorangekommen sind. Und in dem Zusammenhang, der Rechtsanspruch ist natürlich nur eine Seite der Medaille. Die zweite Seite der Medaille ist Betreuungsgeld. Das ist für uns Wahlfreiheit. Betreuungsgeld schafft den Eltern Freiheit und gibt ihnen Freiheit auszuwählen, wie sie die Betreuung organisieren wollen. Und jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt: Wenn wir das Betreuungsgeld, zum Beispiel als Bonus, als Anreiz, auch verknüpfen mit der Forderung, die Untersuchung, die U2, U3, U6, U7 zu verknüpfen, um sicherzustellen, dass es den Kindern auch gut geht, dann denke ich, haben wir eine gute Kombination, zum einen Anreizsystem, dass den Kindern auch alles, was an Untersuchungen angeboten wird, von den Eltern wahrgenommen wird, und zum anderen ein Stück mehr Freiheit für die Eltern, dass sie sich auch finanziell wieder mehr Luft beschaffen können, was für viele momentan ganz, ganz schwierig geworden ist.

Degenhardt: Sagt Johannes Singhammer, er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Familien, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch hier im Programm von Deutschlandradio Kultur.