Singuläre Erscheinung
Die Ikone der Frauenbewegung hat sich an ein mehrbändiges Memoirenprojekt gewagt. "Lebenslauf" erzählt die Jahre von Alice Schwarzers Kindheit bis zur Gründung der Zeitschrift "Emma". Zum ersten Mal gibt die Feministin auch den Blick auf ihr Liebesleben frei.
Sie ist mehr als nur eine Journalistin. Sie ist seit dreieinhalb Jahrzehnten Verlegerin, Herausgeberin und Chefredakteurin der feministischen Zeitung EMMA in Personalunion. Sie ist auch mehr als eine feministische Aktivistin und Pionierin, sie ist eine Ikone, sie ist das Gesicht der deutschen Emanzipationsbewegung seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Vor allem aber ist sie nicht einfach nur bekannt: Alice Schwarzer ist ein Promi, ja ein echter Star. Und nur bei echten Stars genügt es, den Nachnamen zu nennen, um sie zu identifizieren.
Wer Alice sagt, weiß, dass die streitbare, den öffentlichen Auftritt und den öffentlichen Streit liebende, jede Talk-Show dominierende Kölnerin Alice Schwarzer gemeint ist. Sie nimmt einen Status ein, den in der Geschichte der Bundesrepublik nicht viele Persönlichkeiten erreicht haben. Und weil ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Weltsicht weit über Deutschland hinaus so vertraut sind, glaubt man, sie zu kennen. Dabei ist - was die Lektüre ihrer jüngst erschienenen Autobiografie mit dem Titel "Lebenslauf" auf verblüffende Weise zeigt - über die Privatperson Schwarzer und ihr Privatleben kaum etwas bekannt. Schwarzer, geboren 1942, erzählt in diesem Buch von ihrer Kindheit, die sie als Einzelkind in der Obhut der Großeltern und in ungewöhnlicher Distanz zur eher schwesterlichen als mütterlichen Mutter verbrachte, bis zum entscheidenden Jahr ihrer Berufslaufbahn, dem Gründungsjahr von "Emma" 1977.
Offensichtlich handelt es sich bei "Lebenslauf" um den ersten Band eines auf mehrere Bände angelegten Memoirenprojekts, was entfernt an Alice Schwarzers feministisch-philosophische Leitfigur und enge Freundin Simone de Beauvoir erinnert, deren weltberühmte Autobiografie drei Bände umfasst.
Zum ersten Mal gibt Alice Schwarzer hier den Blick frei auf ihr Liebesleben, vor allem auf ihre große, über zehn Jahre währende Liebe zu einem französischen Mann namens Bruno, den sie während ihrer Zeit in Paris kennen lernte und mit dem sie lange zusammenlebte. Viele ihrer beruflichen und politischen Stationen, die Alice Schwarzer hier resümiert, sind bekannt, sie gehören dem kollektiven Gedächtnis neuerer deutscher Zeitgeschichte an: Die Aktion "Wir haben abgetrieben" der Zeitschrift "Stern" im Jahr 1971, die für einen Beitrag des TV-Magazin "Panorama" gefilmte Abtreibung 1974, das Rededuell zwischen Alice Schwarzer und Esther Vilar im Jahr 1975.
Der Reiz von Schwarzers Autobiografie liegt indes in jenen unbekannten Lebensepisoden, die der Ikone ein lebendiges Charakterbild verleihen. So reiste Alice Schwarzer während ihrer Zeit als Redakteurin der Satirezeitschrift "Pardon" 1969 mit Robert Gernhardt nach Nordafrika in einen Club Méditerranée, um inkognito die angeblich in diesem Club herrschende Libertinage zu recherchieren.
Alice Schwarzer ist, wiewohl das Gesicht der deutschen Frauenbewegung, in erster Linie eine Individualistin, eine singuläre Erscheinung. Eben dies dürfte die Langlebigkeit ihres Ruhms erklären.
Besprochen von Ursula März
Alice Schwarzer: Lebenslauf
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011
461 Seiten, 22,99 Euro
Wer Alice sagt, weiß, dass die streitbare, den öffentlichen Auftritt und den öffentlichen Streit liebende, jede Talk-Show dominierende Kölnerin Alice Schwarzer gemeint ist. Sie nimmt einen Status ein, den in der Geschichte der Bundesrepublik nicht viele Persönlichkeiten erreicht haben. Und weil ihr Gesicht, ihre Stimme, ihre Weltsicht weit über Deutschland hinaus so vertraut sind, glaubt man, sie zu kennen. Dabei ist - was die Lektüre ihrer jüngst erschienenen Autobiografie mit dem Titel "Lebenslauf" auf verblüffende Weise zeigt - über die Privatperson Schwarzer und ihr Privatleben kaum etwas bekannt. Schwarzer, geboren 1942, erzählt in diesem Buch von ihrer Kindheit, die sie als Einzelkind in der Obhut der Großeltern und in ungewöhnlicher Distanz zur eher schwesterlichen als mütterlichen Mutter verbrachte, bis zum entscheidenden Jahr ihrer Berufslaufbahn, dem Gründungsjahr von "Emma" 1977.
Offensichtlich handelt es sich bei "Lebenslauf" um den ersten Band eines auf mehrere Bände angelegten Memoirenprojekts, was entfernt an Alice Schwarzers feministisch-philosophische Leitfigur und enge Freundin Simone de Beauvoir erinnert, deren weltberühmte Autobiografie drei Bände umfasst.
Zum ersten Mal gibt Alice Schwarzer hier den Blick frei auf ihr Liebesleben, vor allem auf ihre große, über zehn Jahre währende Liebe zu einem französischen Mann namens Bruno, den sie während ihrer Zeit in Paris kennen lernte und mit dem sie lange zusammenlebte. Viele ihrer beruflichen und politischen Stationen, die Alice Schwarzer hier resümiert, sind bekannt, sie gehören dem kollektiven Gedächtnis neuerer deutscher Zeitgeschichte an: Die Aktion "Wir haben abgetrieben" der Zeitschrift "Stern" im Jahr 1971, die für einen Beitrag des TV-Magazin "Panorama" gefilmte Abtreibung 1974, das Rededuell zwischen Alice Schwarzer und Esther Vilar im Jahr 1975.
Der Reiz von Schwarzers Autobiografie liegt indes in jenen unbekannten Lebensepisoden, die der Ikone ein lebendiges Charakterbild verleihen. So reiste Alice Schwarzer während ihrer Zeit als Redakteurin der Satirezeitschrift "Pardon" 1969 mit Robert Gernhardt nach Nordafrika in einen Club Méditerranée, um inkognito die angeblich in diesem Club herrschende Libertinage zu recherchieren.
Alice Schwarzer ist, wiewohl das Gesicht der deutschen Frauenbewegung, in erster Linie eine Individualistin, eine singuläre Erscheinung. Eben dies dürfte die Langlebigkeit ihres Ruhms erklären.
Besprochen von Ursula März
Alice Schwarzer: Lebenslauf
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011
461 Seiten, 22,99 Euro