Sinologe über Seidenstraßen-Gipfel

"Wir müssen uns auf Veränderungen einstellen"

10:17 Minuten
Das Bild zeigt den Containerhafen in Duisburg. Ungefähr 25 Züge pro Woche nutzuen die neue Seidenstraßen-Verbindung zwischen Duisburg und den chinesischen Städten Chongqing und Yiwu.
Duisburg profitiert von der Seidenstraßen-Verbindung schon heute. © getty images / Maja Hitij
Marcus Hernig im Gespräch mit Dieter Kassel |
Audio herunterladen
Es gibt keinen Grund für Angst vor China, vielmehr gute Gründe zu selbstbewusster Zusammenarbeit, findet Sinologe Marcus Hernig. In Peking beraten derzeit Staats- und Regierungschefs über das wohl größte Handelsnetzwerk der Welt: die neue Seidenstraße.
Das Projekt "Neue Seidenstraße" ist Kern der chinesischen Außenpolitik. Drei Tage lang diskutieren in Peking 40 Staats- und Regierungschefs über das wohl größte Wirtschaftsprojekt der Welt. Die "Belt-and-Road-Initiative", wie die Chinesen das Handelsnetzwerk zwischen Asien, Afrika und Europa nennen, ist international umstritten.

Kritik auch in China

Bei der "Belt-and-Road-Initiative" handele sich um keinen klaren Plan, sagt der Sinologe und Buchautor Marcus Hernig im Deutschlandfunk Kultur. Als Initiative sei das Konzept offen und habe kein klares Planungsende. Das werde aber auch in China kritisch betrachtet. So sei beispielsweise in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ein großer Industriepark gebaut worden, den China finanziert habe. "Auch da weiß man von der chinesischen Seite noch überhaupt nicht, was da rausgekommen ist und was dabei herauskommen wird", sagt Hernig, der selbst in Schanghai lebt. Deshalb werde auch unter den chinesischen Verantwortlichen darüber diskutiert, ob das vielleicht eine Nummer zu groß sei und Projekte im Rahmen der Seidenstraße vielleicht auch kleiner angelegt werden müssten. Die chinesische Regierung sei dazu bereit, Projekte zu korrigieren.
Zu sehen ist Xi Jinping aus großer Entfernung hinter einem Redepult. Im unteren Teil des Bildes sind zahlreiche Delegierte zu sehen, die ihm zuhören.
Chinas Staatschef Xi Jinping während seiner Eröffnungsrede auf dem Gipfel zur "Neuen Seidenstraße" in Peking© AFP / FRED DUFOUR

Gleichgewicht mit den USA

Diese Haltung sei mit ein Grund für den zweiten Gipfel in Peking, sagt der Sinologe: "Man ist auch an ausländischer Kritik interessiert, die kritisch ist, aber eben nicht ablehnend kritisch." Es gehe um konstruktive Kritik und um Austauschprojekte. China versuche außerdem, über die Seidenstraßen-Initiative in der Welt bekannter zu werden und sein Image zu verbessern. Es gehe auch darum, gegenüber den USA gleichgewichtiger zu werden. Es gehe aber nicht darum, eine Weltherrschaft anzustreben, so Hernig.
Grafik Handelswege zu Chinas Vorhaben "Neue Seidenstraße"
Die Handelswege von Chinas „Neuer Seidenstraße“© picture-alliance/ dpa-infografik/ Bökelmann

Deutsche Hanse als Ansatz

Es gebe keinen Grund, Angst vor China zu haben. "Wir müssen nur die Bereitschaft haben, uns auf Veränderungen einzustellen und eben aktiv daran mitzuarbeiten", sagt er. Wenn es Befürchtungen gegenüber China gebe, müsse man eben aktiv dafür eintreten und Alternativen anbieten. In Deutschland habe es auch einmal in der Geschichte das handelspolitische Konzept der Deutschen Hanse gegeben, das fast vergessen sei, aber für eine Weltentwicklung interessant sein könnte. "Auch das war mal ein wunderbar funktionierender Wirtschaftsraum mit sehr interessanten und sehr deutschen Ansätzen." China sei für solche konstruktiven Ansätze offen.
"Die Chinesen sind oft sehr visionär, die versuchen Dinge aufzustellen, die man vielleicht in 30 Jahren erreichen will", erklärt Hernig. "Wo ist, bitte schön, die entsprechende Vorstellung, die wir in Deutschland und in Europa dazu haben – das fehlt uns."
(gem)

Marcus Hernig: Die Renaissance der Seidenstraße - Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas
FinanzBuch Verlag 2018, 22,99 Euro.

Mehr zum Thema