Siri Hustvedt
Warum kann Siri Hustvedt auf dem Friedhof nicht mehr sprechen? Wie wäre sie fast einmal gestorben? Und wieso bereiten ihr Grabsteine Spaß?
Siri Hustvedt spürt ihre Lippen nicht mehr. Seit einer Stunde ist sie nun schon auf dem eingeschneiten Green-Wood Cemetery, bei zwei Grad unter null. Eigentlich ist sie warm gekleidet, hat den eleganten schwarzen Hut tief ins Gesicht gezogen und die Enden eines Wollschals verwoben in den Ausschnitt ihres Mantels gesteckt. Und doch kann sie vor Kälte nicht mehr sprechen. Um sich aufzuwärmen, rennt sie einmal im Kreis und gibt möwenartige Rufe von sich. Zwei Kanadagänse, die durch den Schnee waten, schauen verdutzt herüber:
"Ich bin starr vor Kälte."
Die aus dem Schnee ragenden Grabsteine werfen lange Schatten auf diesem hügeligen, parkartigen Friedhof. 266 Fußballfelder hätten hier Platz.
"Ich mag diese Kombination aus großen Mausoleen und kleineren, bescheideneren Gräbern. Auch die Namen sind großartig. Da liegt ein Van Vlack. Ich weiß nicht, woher der kommt. Aber hier: Howe, ein englischer Name. Da vorne deutsche Namen. Und ein schwedischer: Ålström. Das macht schon Spaß!"
Wir stehen auf dem höchsten Punkt des Friedhofs, der zugleich der höchste ganz Brooklyns ist. Hier erinnert sich Siri Hustvedt daran, wie sie fast gestorben wäre:
"Ich hatte mal einen sehr schlimmen Autounfall in Brooklyn, gemeinsam mit unserer Tochter und unserem Hund. Ein Lastwagen war an einer Kreuzung auf unser Auto draufgefahren. Ich war in einem Schockzustand. Der hat mich wohl davor geschützt, Todesangst zu empfinden. Es war, als beobachtete ich mich selbst. Bei Nahtod-Erfahrungen sehen Menschen ja oft Lichter, fühlen sich entspannt und glücklich. Vielleicht bereitet uns so der Organismus auf den Tod vor."
"Ich bin starr vor Kälte."
Die aus dem Schnee ragenden Grabsteine werfen lange Schatten auf diesem hügeligen, parkartigen Friedhof. 266 Fußballfelder hätten hier Platz.
"Ich mag diese Kombination aus großen Mausoleen und kleineren, bescheideneren Gräbern. Auch die Namen sind großartig. Da liegt ein Van Vlack. Ich weiß nicht, woher der kommt. Aber hier: Howe, ein englischer Name. Da vorne deutsche Namen. Und ein schwedischer: Ålström. Das macht schon Spaß!"
Wir stehen auf dem höchsten Punkt des Friedhofs, der zugleich der höchste ganz Brooklyns ist. Hier erinnert sich Siri Hustvedt daran, wie sie fast gestorben wäre:
"Ich hatte mal einen sehr schlimmen Autounfall in Brooklyn, gemeinsam mit unserer Tochter und unserem Hund. Ein Lastwagen war an einer Kreuzung auf unser Auto draufgefahren. Ich war in einem Schockzustand. Der hat mich wohl davor geschützt, Todesangst zu empfinden. Es war, als beobachtete ich mich selbst. Bei Nahtod-Erfahrungen sehen Menschen ja oft Lichter, fühlen sich entspannt und glücklich. Vielleicht bereitet uns so der Organismus auf den Tod vor."
Siri Hustvedt ist schon lange fasziniert von jenem Bereich, in dem die Grenze zwischen Körperlichem und Psychologischem verläuft. In ihrem Buch "Die zitternde Frau" versucht sie ihrer eigenen Funktionsstörung auf den Grund zu gehen: einem Zittern, das ihren ganzen Körper erfasste. Zum ersten Mal als Reaktion auf den Tod ihres Vaters. Nun, auf dem Friedhof, zittert Siri Hustvedt einfach nur, weil sie friert. Ich entschuldige mich:
"Schon gut! Es ist ein Abenteuer, es ist ein Abenteuer!"
Sie dürfe mich auch verklagen, wenn sie bleibende Erfrierungen bekomme.
"Nein, das kann nicht passieren. Aber eins ist sicher: Ich habe schon lange nicht mehr so gefroren."
Und doch ist sie froh über den Besuch dieses Friedhofs. Hier hat sie für sich und ihren Mann Paul Auster schon länger einen Platz reserviert.
"Ich möchte eingeäschert werden, aber einen Grabstein haben. Vor allem aber möchte ich neben meinem Mann beigesetzt werden. Ich mag die Vorstellung: zwei Steine, Seite an Seite, in Brooklyn, auf diesem riesigen Friedhof, in dieser Totenstadt. Und wir sind dann ein Teil von ihr."
"This is Siri Hustvedt, I am standing in Green-Wood Cemetery, Brooklyn. It's in the USA."