Der letzte Häuptling der Sioux
Sitting Bull ist wahrscheinlich der berühmteste Indianer der Geschichte. Der Lakota-Häuptling wurde zum Symbol des indianischen Widerstands, unbeugsam stemmte er sich gegen die Übermacht der Weißen. Heute vor 125 Jahren wurde er ermordet.
In der Nacht auf den 15. Dezember 1890 lag tiefer Schnee über der Prärie von South Dakota. Ein Trupp von 44 Reitern kämpfte sich auf vereisten Pfaden durch das Tal des Grand River. Es war das gesamte Aufgebot der Indianerpolizei im Sioux-Reservat Standing Rock. Um sie heulten die Kojoten.
"Sie wollen uns warnen! Hütet euch!", sagte einer von ihnen. Sie hatten Befehl, den alten Häuptling Sitting Bull festzunehmen, die letzte Bastion des Widerstands der Sioux gegen die weiße Regierung.
"Als wir Sitting Bulls Hütte erreichten, sprangen wir schnell ab und umstellten sie. Es war noch dunkel, alle schliefen. Leutnant Bullhead klopfte an die Tür. Sie wurde geöffnet und Bullhead sagte: ‚Du bist verhaftet'. Als Sitting Bull mitgehen wollte, stieß eine seiner Frauen einen lauten Schrei aus."
Männer liefen herbei, bereit, den Häuptling zu verteidigen. Schnell war das ganze Lager in Aufruhr. Frauen schrien, Kinder weinten. Sitting Bull sträubte sich nun.
"Die Offiziere legten Hand an ihn und zerrten ihn heraus. Bear that Catches zog ein Gewehr unter seiner Decke hervor und schoss auf Leutnant Bullhead. Ich rannte hin. Leutnant Bullhead schoss auf Sitting Bull, während er ihn noch festhielt, und Red Tomahawk gab auch einen Schuss ab, der den Häuptling tötete."
Immer gegen die Weißen gekämpft
Fast sein ganzes Leben lang hatte Sitting Bull gegen die Weißen gekämpft, um die Freiheit der Lakota-Sioux und ihre Lebensweise zu verteidigen. Als er um 1830 geboren wurde, beherrschten die Lakota die Prärien, über die 40 Millionen Bisons zogen. Den Lakota gaben die Büffel Nahrung, Kleidung und Behausung. Dann kamen die Goldsucher, die Eisenbahnbauer, die Soldaten und die Siedler. Sie massakrierten die Büffel und verdrängten die Lakota von ihrem Land.
"Wenn der Große Geist irgendjemanden auserwählt hat, der Häuptling dieses Landes zu sein, dann bin ich es," erklärte Sitting Bull einmal vor einer Delegation des Senats der Vereinigten Staaten. Er, nicht der weiße Mann. Doch ein Stammeshäuptling war er nicht. Die Lakota kannten kein Oberhaupt, sie lebten in lose verbundenen Gruppen.
"Er war sicherlich ein sehr wichtiger Kriegshäuptling. Und wenn man eben erfolgreich war beziehungsweise im Kampf gegen die Siedler auch diejenigen, die eben aggressiver waren, die sich mehr gewehrt haben, die wurden dann relativ bekannt, denen folgten immer mehr Leute."
... sagt Heike Bungert, Professorin für Nordamerikanische Geschichte. So wurde Sitting Bull zu einem der mächtigsten Anführer der Sioux. Ebenso wichtig war seine Verbindung zur Geisterwelt.
"Er war ein holy man, ein heiliger Mann, was bedeutete, man hatte Visionen, und wenn man denen folgte, wurde man erfolgreich. Insofern geht man davon aus, dass bei den Lakota die meisten Kriegshäuptlinge heilige Männer waren, weil sie diese Visionen brauchten, um erfolgreich zu sein in ihren Kriegszügen."
Sitting Bull war der letzte Häuptling der Sioux, der die Waffen niederlegte. Als er 1881 kapitulierte, waren die Büffel fast ausgerottet und sein Volk lebte in Reservaten, abhängig von der weißen Regierung. Im Reservat wehrte er sich gegen die aufgezwungene Assimilierung.
"Gott schuf mich als Indianer. Wenn der Große Geist gewollt hätte, dass ich ein weißer Mann bin, hätte er mich so geschaffen. Adler müssen keine Krähen sein."
1889 verbreitete sich eine neue Religion in den Reservaten. Ihre Zeremonien würden die Weißen vertreiben und die Büffel zurückbringen, glaubten ihre Anhänger. Sitting Bull machte sich zu einem Anführer dieser Bewegung. Die Regierung in Washington und ihr Vertreter im Reservat Standing Rock fürchteten einen bewaffneten Aufstand der Sioux.
"Wurde der Häuptling ermordet?"
In der amerikanischen Presse kam sofort das Gerücht auf, sein Tod sei geplant gewesen.
"Dass die Regierung den Tod des berühmten alten Wilden seiner Gefangennahme vorzog, bezweifelt kaum jemand, Indianer oder weiß. Sitting Bull hinter Eisengittern wäre eine Quelle endloser Probleme gewesen."
"Wenn man Sitting Bull hätte erschießen sollen, dann hätte man das machen können, bevor die anderen Indianer dazu kamen. Es war eine sehr aufgeputschte Situation in dem Moment. Aber dass man dahin geschickt wurde, um Sitting Bull zu ermorden, das halte ich für sehr unwahrscheinlich."
"Ein kalter Wind fuhr über die Prärie, als der letzte Büffel fiel – ein Todeswind für mein Volk. Ich will in Erinnerung bleiben als der letzte Mann meines Stammes, der sein Gewehr niederlegte."