Eine umfangreiche Studie zur Situation in Polen ist zu finden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift osteuropa mit dem Thema: "Gegen die Wand. Konservative Revolution in Polen"
Wer kritische Fragen stellt, fliegt raus
Die polnische Regierung erlässt derzeit im Hauruckverfahren Gesetze, wie sie ihr passen. Und die Medien werden verstaatlicht. Doch Redaktionen und Pressehäuser wollen das nicht kampflos hinnehmen: Das neue Mediengesetz ist ein Fall für die Verfassungsrichter.
Die Redaktionstreffen wie diese beim Polnischen Rundfunk finden noch in alter Besetzung statt. Doch bald könnte man hier andere Stimmen hören. Nach dem neuen Mediengesetz wird nämlich allen Angestellten der öffentlichen Anstalten bis Ende März gekündigt. Nach einer Eignungsprüfung könnten sie wieder eingestellt werden. Könnten, aber müssen nicht.
Wojciech Skurkiewicz: "Alle Journalisten, die fundiert, objektiv und professionell die Gesellschaft informieren, brauchen sich nicht zu fürchten. Weder der jetzige Rundfunkrat noch der künftige Rat der Nationalen Medien darf und wird darauf Einfluss nehmen, wie sie zu arbeiten haben. Dafür gibt es die Redaktionsleiter."
Regierung entscheidet über Leitungspositionen
...versicherte noch vor der Abstimmung Wojciech Skurkiewicz, Sejm-Abgeordneter der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit",PiS, und Mitglied des Kultur- und Massenmedienausschusses. Das neue polnische Mediengesetz von Ende Dezember des vergangenen Jahres berechtigt die Regierung, über Leitungspositionen in den öffentlich-rechtlichen Medien zu entscheiden.
Der für Medien zuständige Minister tauscht nicht nur Vorstands- und Aufsichtsgremien aus, zum ersten Mal werden auch einfache Journalisten entlassen. Kritiker sehen darin einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Presse. Prof. Stanisław Biernat, Verfassungsrichter:
"Die öffentliche Debatte beschäftigt sich derzeit damit, dass der Rundfunkrat – ein wichtiges Verfassungsorgan – bei der Ernennung der Intendanten übersprungen wurde. Das Führungspersonal wurde ausgetauscht. Und das beeinflusst die Arbeit der öffentlichen Medien, insbesondere die des Fernsehens."
Erste Entlassungen
Der neue Fernseh-Intendant, Jacek Kurski, einer der führenden Vertreter der Regierungspartei, sei Autor der aggressiven Ansprache, meint Marcin Kowalski. Kowalski ist einer der ersten Infoprogramm-Moderatoren, die entlassen wurden. "Ohne Stil", sagt er:
"Das ist innerhalb von 24 Stunden nach meiner letzten TV-Sendung per Telefon passiert. Ich stellte damals kritische Fragen zur Entmachtung des Verfassungsgerichts. Es hieß dann: 'Solche Fragen stellt die Opposition, das dürfen wir nicht'."
Seine Kollegen äußern sich nur ungern, die Situation ist angespannt. Viele wollen vor das Arbeitsgericht ziehen. Und der Chef der Info-Agentur des Polnischen Fernsehens, TAI, ignorierte mehrere Anfragen für eine Stellungnahme für diesen Bericht.
Hasserfüllte Kommentare
Man habe mit einem "Erdbeben in den öffentlichen Medien zu tun", meint der Chefradakteur der konservativen Tageszeitung "Rzeczpospolita". Jede unbequeme Äußerung werde hasserfüllt kommentiert, ergänzt der stellvertretende Chefredakteur der liberalen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", Wojciech Fusek. Und: Man übt wirtschaftlichen Druck aus
"Viele staatliche Institutionen, die wirtschaftlich wichtig für uns sind, arbeiten nicht mehr mit uns zusammen, schalten keine Anzeigen mehr, machen keine Projekte mit. Man übt auch Druck auf private Firmen aus, dass sie das Gleiche machen."
Jerzy Urban, Chefredakteur des systemkritischen Wochenblatts "NIE" und ehemaliger Regierungssprecher der Volksrepublik Polen, sieht durch den Zugriff auf die Medien und die Beschneidung des Verfassungsgerichts eine große Gefahr für die Meinungs- und Pressefreiheit und letztendlich für die Demokratie:
"Diese Regierung ist machthungrig. Fälle wie der Verfassungsbruch isolieren Polen in der Welt und sorgen für das Bild eines marginalisierten, exotischen Landes mit einer Scheindemokratie, die eine Diktatur verdeckt."
Noch sind die polnischen Medien jedoch nicht verloren. Und sie geben nicht auf.