So viel Spaß für die paar Peanuts
Wenn die Vorwürfe des "Spiegel" wahr sind, wurde die Fußball-WM 2006 für 6,7 Millionen Euro Schmiergeld gekauft. Doch was ist daran eigentlich so schlimm? Das Kosten-Nutzen-Verhältnis jedenfalls stimmt, meint Arno Orzessek. Eine Glosse.
Wir nehmen mal an, hier unter Realisten zu sein und nicht unter Moralaposteln. Und Realisten sind sich in einem Punkt ja wohl einig: Läppische 6,7 Millionen Euro Schmiergeld für das größte Sommermärchen aller Zeiten - das wäre, wenn's stimmt, ein grandioses Kosten-Nutzen-Verhältnis. So viel Kollektiv-Spaß für die paar Peanuts, da müssten die Bundesverdienstkreuze eigentlich noch im Nachgang an die Revers fliegen.
Darum sagen wir: Danke, Kaiser Franz! Danke, WM-Bewerbungskomitee! Danke, Monsieur Robert Louis-Dreyfus im Grabe, fürs Vorstrecken der Penunze damals! Und bitte, Wolfgang Niersbach, stellen Sie Ihre frömmelnde Verteidigungstaktik um. Leugnen Sie nicht, dass Sie's gewusst haben. Selbst wenn Sie's nicht gewusst haben. Lächeln Sie franzmäßig und sagen Sie: Hey, Leute, wir haben's fürs Volk getan, für die Erhebung Deutschlands zur Gute-Laune-Nation! Und das für ein paar Millionen, wie sie Spitzenkicker pro Halbjahr abgreifen. Organisieren Sie einen Volksentscheid zu der einzigen Frage: War es die Sache wert oder nicht? Sie können sich darauf verlassen: Dieses Land ist Balla Balla, heute wie damals.
Kann der Fußball wirklich sauber werden?
Aber klar, so wird es nicht kommen. Denn gerade ist ja irgendwie der Wurm drin in der Weltmacht Fußball, der man das angeborene Recht rauben will, auf alle weltlichen Spielregeln zu pfeifen. Der Fußball, kein Witz, soll sauber werden! Das hört sich so schräg an wie "Nord-Korea soll demokratisch werden" - nur, dass es ernst gemeint zu sein scheint. Der Fußball soll so sauber werden, wie es diese vermaledeiten Dieselmotoren von VW nie waren. Und die Geschäfte der Deutschen Bank erst recht nicht. Vom Ex-Schmiergeldmonster Siemens ganz zu schweigen.
Es gibt halt eine starke Reinigungstendenz "Made in Germany", die dem beschmutzen Label "Made in Germany" selbst gilt. Und ein Land, in dem unbedeutende Doktorarbeiten Zeile für Zeile auf Zitierfehler abgesucht werden, wirft auch kritische Blicke auf durchgestochene Schriftstücke des hochbedeutenden DFB, na klar. Das heißt, letzteres tut der ehrpusselige "Spiegel" - unter dem hanebüchenen Titel: "Das zerstörte Sommermärchen".
Eigentlich gibt's gar nichts mehr aufzuklären
Wer von Ihnen, liebe Hörer, daran glaubt, unser Sommermärchen, diese Perle des kollektiven Gedächtnis', tiefer verwurzelt in Deutschlands Seele als die Märchen Grimms, könnte von "Spiegel"-Enthüllungen zerstört werden, der hebe die Hand! Na, sehen Sie viele Hände? Ist Ihre eigene dabei? Andererseits, so geht's zu beim Reinemachen: Der "Spiegel" schickt DFB-Präsident Niersbach jede Menge Fragen - und dass Niersbach nicht zack, zack, zack binnen 24 Stunden antwortet, gilt als implizites Geständnis, Punkt. Also: Zurücktreten! Journalismus als Standgericht: Auch das schmückt die Zeiten der großen Säuberung.
Aber lassen wir das. Eigentlich gibt's doch gar nichts mehr aufzuklären. Schließlich hat der DFB die umwegreiche Rückzahlung des mutmaßlichen Schmiergelds als "Beitrag Kulturprogramm FIFA" deklariert. Und welche Kultur dominiert in der FIFA? Na bitte! Die Korruptionskultur. Weiß doch jeder. Keine weiteren Fragen. Außer einer: Hat WM-Chef Beckenbauer 2006 den Wettergott bestochen, damit der kalte Frühsommer pünktlich in Fußballfieberhitze umschlägt - oder hat er nicht? Wenn der "Spiegel" da mal eine Quittung fände: Chapeau!
Andernfalls glauben wir mit Fußballdeutschland weiter daran, dass dem Franz Wolken und Wind auch für lau gehorchen, wenn es um unser Spiel geht.