Skeptisch gegenüber künstlerischen Moderscheinungen
Er ist jung, gilt aber als eher altmodisch. Und er verwahrt sich gegen kurzfristige Kunst-Trends: Der Kurator der 55. Biennale, Massimiliano Gioni. Gleichzeitig hat er sich auch schon oft als Entdecker bis dahin unbekannter Werke hervorgetan.
Obwohl Massimiliano Gioni mit seinen 40 Jahren immer noch zu den jungen Kuratoren zählt, gilt er manchen Kritikern als eher altmodischer, konservativer Vertreter unter den Ausstellungsmachern für Gegenwartskunst. Das mag an Aussagen wie diesen liegen, die Gioni etwa über seine Pläne für die aktuelle Biennale in Venedig macht:
"Was ist das für ein Raum, der noch bleibt für die Bilder in unseren Köpfen, für das, was der bekannte deutsche Kunsthistoriker Hans Belting 'die inneren Bilder' nennt - wo ist ihr Platz in einer Gesellschaft, die immer mehr von künstlichen Bilderwelten beeinflusst wird? Darum geht es. Ich sehe in dieser Ausstellung mehr ein temporäres Museum denn eine Biennale im herkömmlichen Sinn. Die Choreografie der Ausstellung wird eher der Struktur eines Museums folgen als der Anordnung von Räumen und Werken auf Biennalen."
Der aus der Lombardei stammende Gioni, der inzwischen in Mailand und New York verschiedene Kunstinstitutionen leitet, zählt zweifellos zu den Skeptikern gegenüber künstlerischen Modeerscheinungen im globalisierten Kunstbetrieb - Stilmoden, wie sie gerade auch auf Biennalen immer wieder kreiert werden.
Schon bei der von ihm geleiteten wandernden Biennale "Manifesta" von 2004 und zwei Jahre später bei der Berlin Biennale war ihm von Kritikern vorgeworfen worden, ihm gehe es eigentlich bloß um Musealisierung und Einordnung der Kunst, nicht um die Kunst als Labor und Experiment für die Gesellschaft der Zukunft. Er wage wenig und ziehe sich auf ein museal-bürgerliches Kunstverständnis zurück, von der sich die junge Gegenwartskunst mit ihren flüchtigen Kunstformen Performance und Installation gerade befreien wolle. Gioni entgegnet:
"Ich persönlich bin einer Gegenwartskunst überdrüssig, die sich nur selbst gefällt. Einer Kunst, die sozusagen durch das Trojanische Pferd des 'Meisterwerks' lediglich eine marktorientierte Hierarchie vertritt. Indem ich aber Gegenwartskunst mit anderen Materialien verbinde, kann ich mehr über den Ort der Gegenwartskunst lernen als auch über unseren Umgang mit Bildern. Für mich ist das die Kernfrage unserer Kultur heute.
Außerdem wenden sich so große Ausstellungen wie die Biennale mehr und mehr an ein breites Publikum mit sehr unterschiedlichen Erwartungen. Sie können da nicht einfach eine Show mit ihren 100 Lieblingskünstlern veranstalten. Die Leute sind neugierig auf eine Maschine, durch die sie etwas lernen, etwas sehen, was sie vorher vielleicht nicht kannten, und Kunstwerke im Dialog mit anderen Werken."
Als Besetzung für die künstlerische Leitung der Venedig Biennale ist Massimiliano Gioni vielleicht keine so abwegige Wahl. Auch dort herrscht ein gewisser Konservatismus, für Innovation bei Ausstellungsformaten oder Themen ist Venedig eigentlich nicht bekannt. Hier können Gionis Stärken fraglos besser zur Geltung kommen als bei so betont politischen Biennalen wie in Berlin.
Gioni plant einen durchaus musealen Rückblick, der bis vom Beginn des 20, Jahrhunderts bis in die Gegenwart reicht, mit mehr als 150 Positionen aus 47 Ländern. Er verspricht, professionelle neben Amateur- und sogenannten Outsider-Künstlern auszustellen, und hat sich in dieser Hinsicht schon oft als großer Entdecker bislang unbekannter Werke von erstaunlicher Qualität erwiesen.
Im Biennalen-Pavillon in den Giardini und der Corderie des Arsenale will Gioni nun eine Zusammenfassung seiner langjährigen Kernthemen ausstellen: das Unbewusste und das Unsichtbare in der Kunst. Typisch für ihn, dass er als Schlüsselwerk und Titel dafür die Arbeit eines eher unbekannten Künstlers, Marino Auriti, gewählt hat: "Il Palazzo enciclopedico", Der enzyklopädische Palast:
"Marino Auriti lebte als italienischer Einwanderer in Pennsylvania. Eigentlich war er Automechaniker – sein Leben lang aber baute er als künstlerischer Autodidakt an einem Modell für ein Museum, das alles Wissen der Welt enthalten sollte, vom Wagenrad bis zum Satelliten, wie er sagte. Dieses Museum sollte 700 Meter hoch sein mit 36 Stockwerken, die über 16 Blocks der City of Washington reichen sollten. Auriti konnte diese Vision natürlich nie verwirklichen. Aber er war so überzeugt von ihr, dass er sie 1955 sogar als Patent anmelden ließ. Es ist das einzige Kunstwerk, das je als Patent angemeldet wurde. Aber der Traum, der hinter diesem Werk steckt, der Traum von alles umfassendem Wissen zieht sich als Signatur durch die Kunstgeschichte des ganzen letzten Jahrhunderts bis heute."
Die Wahl Massimiliano Gionis steht für eine Biennale der Entdeckungen, der ungewohnten Kombinationen von Werken, der ästhetischen Verdichtung und wird, soviel darf man voraussagen, für das Publikum ein spannender, durchaus schöner und überraschender Parcours durch die Kunstgeschichte der letzten hundert Jahre werden – auch wenn er sich konzeptuell dafür wieder wird vorhalten lassen müssen, ein verkappter Romantiker zu sein.
"Was ist das für ein Raum, der noch bleibt für die Bilder in unseren Köpfen, für das, was der bekannte deutsche Kunsthistoriker Hans Belting 'die inneren Bilder' nennt - wo ist ihr Platz in einer Gesellschaft, die immer mehr von künstlichen Bilderwelten beeinflusst wird? Darum geht es. Ich sehe in dieser Ausstellung mehr ein temporäres Museum denn eine Biennale im herkömmlichen Sinn. Die Choreografie der Ausstellung wird eher der Struktur eines Museums folgen als der Anordnung von Räumen und Werken auf Biennalen."
Der aus der Lombardei stammende Gioni, der inzwischen in Mailand und New York verschiedene Kunstinstitutionen leitet, zählt zweifellos zu den Skeptikern gegenüber künstlerischen Modeerscheinungen im globalisierten Kunstbetrieb - Stilmoden, wie sie gerade auch auf Biennalen immer wieder kreiert werden.
Schon bei der von ihm geleiteten wandernden Biennale "Manifesta" von 2004 und zwei Jahre später bei der Berlin Biennale war ihm von Kritikern vorgeworfen worden, ihm gehe es eigentlich bloß um Musealisierung und Einordnung der Kunst, nicht um die Kunst als Labor und Experiment für die Gesellschaft der Zukunft. Er wage wenig und ziehe sich auf ein museal-bürgerliches Kunstverständnis zurück, von der sich die junge Gegenwartskunst mit ihren flüchtigen Kunstformen Performance und Installation gerade befreien wolle. Gioni entgegnet:
"Ich persönlich bin einer Gegenwartskunst überdrüssig, die sich nur selbst gefällt. Einer Kunst, die sozusagen durch das Trojanische Pferd des 'Meisterwerks' lediglich eine marktorientierte Hierarchie vertritt. Indem ich aber Gegenwartskunst mit anderen Materialien verbinde, kann ich mehr über den Ort der Gegenwartskunst lernen als auch über unseren Umgang mit Bildern. Für mich ist das die Kernfrage unserer Kultur heute.
Außerdem wenden sich so große Ausstellungen wie die Biennale mehr und mehr an ein breites Publikum mit sehr unterschiedlichen Erwartungen. Sie können da nicht einfach eine Show mit ihren 100 Lieblingskünstlern veranstalten. Die Leute sind neugierig auf eine Maschine, durch die sie etwas lernen, etwas sehen, was sie vorher vielleicht nicht kannten, und Kunstwerke im Dialog mit anderen Werken."
Als Besetzung für die künstlerische Leitung der Venedig Biennale ist Massimiliano Gioni vielleicht keine so abwegige Wahl. Auch dort herrscht ein gewisser Konservatismus, für Innovation bei Ausstellungsformaten oder Themen ist Venedig eigentlich nicht bekannt. Hier können Gionis Stärken fraglos besser zur Geltung kommen als bei so betont politischen Biennalen wie in Berlin.
Gioni plant einen durchaus musealen Rückblick, der bis vom Beginn des 20, Jahrhunderts bis in die Gegenwart reicht, mit mehr als 150 Positionen aus 47 Ländern. Er verspricht, professionelle neben Amateur- und sogenannten Outsider-Künstlern auszustellen, und hat sich in dieser Hinsicht schon oft als großer Entdecker bislang unbekannter Werke von erstaunlicher Qualität erwiesen.
Im Biennalen-Pavillon in den Giardini und der Corderie des Arsenale will Gioni nun eine Zusammenfassung seiner langjährigen Kernthemen ausstellen: das Unbewusste und das Unsichtbare in der Kunst. Typisch für ihn, dass er als Schlüsselwerk und Titel dafür die Arbeit eines eher unbekannten Künstlers, Marino Auriti, gewählt hat: "Il Palazzo enciclopedico", Der enzyklopädische Palast:
"Marino Auriti lebte als italienischer Einwanderer in Pennsylvania. Eigentlich war er Automechaniker – sein Leben lang aber baute er als künstlerischer Autodidakt an einem Modell für ein Museum, das alles Wissen der Welt enthalten sollte, vom Wagenrad bis zum Satelliten, wie er sagte. Dieses Museum sollte 700 Meter hoch sein mit 36 Stockwerken, die über 16 Blocks der City of Washington reichen sollten. Auriti konnte diese Vision natürlich nie verwirklichen. Aber er war so überzeugt von ihr, dass er sie 1955 sogar als Patent anmelden ließ. Es ist das einzige Kunstwerk, das je als Patent angemeldet wurde. Aber der Traum, der hinter diesem Werk steckt, der Traum von alles umfassendem Wissen zieht sich als Signatur durch die Kunstgeschichte des ganzen letzten Jahrhunderts bis heute."
Die Wahl Massimiliano Gionis steht für eine Biennale der Entdeckungen, der ungewohnten Kombinationen von Werken, der ästhetischen Verdichtung und wird, soviel darf man voraussagen, für das Publikum ein spannender, durchaus schöner und überraschender Parcours durch die Kunstgeschichte der letzten hundert Jahre werden – auch wenn er sich konzeptuell dafür wieder wird vorhalten lassen müssen, ein verkappter Romantiker zu sein.