Klimawandel in Skigebieten

Wenn der Schnee ausbleibt

06:34 Minuten
Mit Kunstschnee ist eine Wiese für den Skisport im Dezember 2018 im Allgäu beschneit.
Mit Kunstschnee bedeckt: eine Skipiste im Allgäu am 28. Dezember 2018. © picture alliance / dpa / Angelika Warmuth
Von Susanne Lettenbauer |
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Der Klimawandel lässt den Schnee schneller schmelzen, und so bleiben Pisten zunehmend grün. Klassische Skigebiete wie im Allgäu oder im Chiemgau müssen sich auf drastische Veränderungen einstellen.
Ende der 1940er-Jahre stand die erste Liftanlage im heutigen Skigebiet Spitzingsee zwischen Tegernsee und Schliersee, südlich von München. Ein kleiner Sessellift. 1953 folgte eine Doppelsesselbahn, 1954 dann der nächste Skilift – Kosten 40 000 DM. Das Skifahren boomte, die ersten Gäste kamen im November, gewedelt wurde bis April. Die überschaubaren Investitionskosten amortisierten sich umgehend.

Steigende Temperaturen

Heute, fast 70 Jahre später, schneit es auch noch im November, aber der Schnee bleibt nicht mehr liegen. Um die Weihnachtszeit 2021 taute es fast eine Woche lang am Spitzingsee. Ohne Schneekanonen geht es nicht mehr. 2,5 Millionen Euro wurden in den vergangenen Jahren in modernisierte Anlagen investiert. Im benachbarten Skigebiet Sudelfeld waren es insgesamt sogar 23 Millionen Euro.
Jetzt kommen noch die steigenden Energiekosten dazu – wenn auch erst ab Januar, denn bis dahin gelten noch die alten Verträge.
„Sicher, die ganze Firma ist auf Energieeffizienz durchleuchtet worden, und wir sind immer schon darauf bedacht, weil das ist ja unser eigener Geldbeutel“, sagt Peter Lorenz, Geschäftsführer der Alpenbahnen Spitzingsee GmbH.
42,4 Gigawattstunden Strom verbrauchen die deutschen Skigebiete pro Saison für Beschneiung und Liftbetrieb laut VDS, dem Verband deutscher Seilbahnen und Schlepplifte. Zur Einordnung: Damit ließen sich rund 10.000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen. Eine Pistenraupe für die Präparierung braucht bis zu 30 Liter Diesel pro Stunde. Deshalb gibt es dort eine neue Technik, erklärt Lorenz.
„Wir haben alle Pistenraupen mit einem Schneemesssystem ausgerüstet, dass man immer weiß, wo viel Schnee ist, wo wenig Schnee ist, dass man nicht blind rumfährt und den Schnee von einer Seite zur anderen schiebt. Man weiß wirklich, wie man schiebt und kann dann die Zeiten, die man präpariert, effektiv einsetzen und dann vielleicht auch weniger Zeit fahren.“

Fusionierte riesige Skigebiete

Man fühle sich den Skifahrern verpflichtet, die in diesem Jahr gut 13 Prozent mehr für Tagesskipass und Saisonkarte hinlegen müssen, sagt Skigebietschef Lorenz, gleichzeitig auch Geschäftsführer der Brauneck- und Wallbergbahnen GmbH am Tegernsee und bei Bad Tölz und damit verantwortlich für 81 Pistenkilometer und 38 Skilifte.
Peter Lorenz. Ein älterer Herr mit Mütze steht in einer Schneelandschaft.
Effiziente Pistenraupen sollen helfen Energie zu sparen, sagt Peter Lorenz. © Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer
Ein Trend in den Alpen: Die deutschen Skigebiete fusionieren zu großen Marketingverbünden, und auch die österreichischen Skigebiete wie „Ski Amadé“ im Salzburger Land mit gleich 20 Skigebieten oder „AlpenPlus“ im bayerischen Oberland - was die teils hunderte beworbenen irreführenden Pistenkilometer erklärt:
„Das ist halt auch gut für unsere Gäste aus München. Die können sich einen Saisonpass kaufen und damit in allen vier Gebieten Ski fahren, und man braucht nicht weit fahren nach Österreich oder Italien“, sagt Peter Lorenz.
Die Schneesaison unterhalb von 2000 Metern hat sich im Alpenraum je nach Höhenlage und Region um bis zu 34 Tage verkürzt – verglichen mit 1971. Das hat eine Langzeitstudie vom Südtiroler Institut „Eurac Research“ in Bozen ergeben.

Kürzer Skifahren, länger wandern

Eine Studie des Deutschen Alpenvereins war bereits 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass langfristig nur drei Skigebiete in den deutschen Alpen überleben werden: auf der Zugspitze, am Fellhorn und am Nebelhorn im Allgäu. Alle anderen Skigebiete müssten rund ein Drittel mehr Kunstschnee produzieren, um nicht schließen zu müssen, erklärt Tobias Hipp, Umweltexperte vom Deutschen Alpenverein:
„Wir sehen vor allem im bayerischen Alpenraum einen Wandel im Tourismus. Vom Winter – kürzere Saison – zu einem längeren Sommer. Und das ist das klare Signal, dass zum Beispiel die Wandersaison im Herbst Standard wird. Oktober-November ist eine top Wandersaison, auch Klettersaison."

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Das Achental im Chiemgau hat sich schon vor der Pandemie entschieden, eher in den Ausbau von Winterwanderwegen, Rodelbahnen, Langlaufloipen und Themenführungen zu investieren statt in Beschneiungs- oder neue Seilbahnanlagen, sagt Elisabeth Keihl vom Vorstand des Achental Tourismus. Es gebe nur einen in die Jahre gekommenen Zweiersessellift und einen Kinderskilift. Ein halber Pistenkilometer.
„Wir haben keine großen Hotels, da haben auch die Ortschaften immer drauf geachtet. Wir haben kleine Hotels. Wir haben viele schöne Ferienhäuser und -wohnungen. Wir haben eben schon immer gesagt: Wir sprechen eher die Individualtouristen an, die eher Ruhe suchen und eben nicht auf Events gehen und Halligalli machen wollen.“
Eine Bürgerinitiative hatte den Ausbau des klassischen Skigebietes verhindert, der Betrieb rentierte sich danach nicht mehr. Die Pisten verwaisten.

Groß und hip schlägt klein und unmodern

Ein Trend in den Alpen, hat Christoph Schuck, Politologe von der Technischen Universität Dortmund herausgefunden. So mussten in den vergangenen Jahren zum Beispiel in den Schweizer Alpen rund 230 von 550 Skigebieten schließen:
„Ein relativ spektakulärer Befund ist: Bis jetzt ist es nicht der Schnee gewesen. Wir haben eine Vollerhebung auf allen Schweizer Gebieten gemacht – 545 Stück – und da ist rausgekommen, dass andere Faktoren wichtig sind: zum Beispiel die Größe. Groß schlägt klein.
Also kleine Skigebiete sind besonders gefährdet. Dann sind solche gefährdet, die keine technische Beschneiung haben. Das ist mir hohen Konsistenzwerten. Und die eher unmoderne Anlagen haben. Das sind die drei Komponenten, die im Augenblick noch stärker wiegen als ein potenzieller Schneemangel.“
Der Trend in den Alpen geht in zwei Richtungen: Weniger, dafür größere, intensiv beschneite Hightech-Alpinskigebiete und mehr naturnahe Wintersportorte, wo Pistenkilometer unwichtig werden. Mehr Qualität statt Quantität wie im Achental: Ohne Beschneiungsanlagen und Zehnerlift. Wo Schneeschuhe, Tourenski und Schlitten angeboten werden. Und Wanderschuhe, wenn der Schnee ausbleibt.
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