Ein Nachbau wird das erste Goethe-Denkmal Asiens
Vor seine neue Firmenzentrale in Seoul möchte der südkoreanische Konzern Lotte ein Goethe-Denkmal stellen. Schließlich ist das Unternehmen nach einer Figur des Dichters benannt. Es soll ein Nachbau einer Statue im Berliner Tiergarten sein - allerdings ohne die Gebrauchsspuren des Originals.
Ungewöhnlicher Besuch in der Bronzegießerei Knaack in Oberschöneweide. Eine Delegation aus Südkorea ist da, um den Fortschritt der Arbeiten an ihrem Denkmal zu begutachten. Hier wird zurzeit eine Kopie des sechs Meter hohen Goethe-Standbilds aus dem Berliner Tiergarten gefertigt. In der Werkstatt sind Teile des großen Dichterfürsten verteilt, in verschiedenen Materialien und Stadien der Reproduktion.
Valerie Otte: "Hier haben wir ein Teil des Gewandes, dann haben wir einzelne Teile des Gewandes in Gips nachgearbeitet, und da vorn haben wir den gegossenen Goethe-Kopf in Bronze."
Bildhauerin Valerie Otte erläutert die komplizierten Zwischenstufen: Silikon, Gips, Wachs, Bronze. In 50 Teilen wird das sechs Tonnen schwere Denkmal nachgegossen, die einzelnen Teile sollen per Luftfracht nach Korea geflogen werden, um dort Ende des Jahres wieder zusammenmontiert zu werden. Hintergrund für den ungewöhnlichen Kultur-Export: Der südkoreanische Multikonzern "Lotte" baut sich derzeit eine neue Firmenzentrale in Seoul. Für die Grünanlage davor wünscht sich das Unternehmen, das 1948 mit der Herstellung von Kaugummis begann, und heute eines der umsatzstärksten in ganz Asien ist - ein Goethe-Denkmal.
Thomas Lucker: "Der Firmengründer dieses Konzerns war begeistert von Johann Wolfgang von Goethe, und hat seinen Konzern nach der 'Lotte' von Weimar genannt, also nach der Charlotte aus 'Die Leiden des jungen Werther'. Und jetzt, wo dieser Konzern sich eine neue Firmenrepräsentanz baut - einen 550 Meter hohen Turm in Seoul, das fünfthöchste Gebäude der Welt -, das fand man, da der Firmengründer so Goethe-begeistert war, da möchte man einfach ein Goethe-Denkmal an diesem Ort stehen haben."
Thomas Lucker: "Der Firmengründer dieses Konzerns war begeistert von Johann Wolfgang von Goethe, und hat seinen Konzern nach der 'Lotte' von Weimar genannt, also nach der Charlotte aus 'Die Leiden des jungen Werther'. Und jetzt, wo dieser Konzern sich eine neue Firmenrepräsentanz baut - einen 550 Meter hohen Turm in Seoul, das fünfthöchste Gebäude der Welt -, das fand man, da der Firmengründer so Goethe-begeistert war, da möchte man einfach ein Goethe-Denkmal an diesem Ort stehen haben."
Zu empfindlich für herkömmliche Abformung
Projektleiter auf deutscher Seite ist der Bildhauer und Restaurator Thomas Lucker. Die Koreaner hatten sich mit ihrem Ansinnen zunächst an die Klassik Stiftung Weimar gewandt. Die fand, das 1880 von Fritz Schaper geschaffene Denkmal im Berliner Tiergarten sei der Goethe der Wahl. Nicht ganz unproblematisch, erklärt Lucker, denn das Berliner Denkmal sei stark geschädigt, und erst vor wenigen Jahren restauriert und wieder im Außenraum aufgestellt worden.
"Das Landesdenkmalamt und ich, wir haben gesagt: ist berührungsempfindlich, und es kann keine herkömmliche Abformung gemacht werden. Und deswegen, und das ist wirklich spannend an unserem Projekt, ist das Original vollständig im 3-D-Scan-Verfahren vermessen worden, und die 3-D-Scan-Daten bieten dann die Grundlage für die zu erstellende Kopie."
Die 3-D-Scan-Technik erlaubt es, ohne Berührung des Originals eine exakte Kopie des Denkmals im Computer zu erstellen – und dieses, aufgeteilt in 50 Teile, in Originalgröße in Styropor zu fräsen. Die koreanischen Auftraggeber wollen ihr Denkmal allerdings ohne die Gebrauchsspuren des deutschen Originals.
"Die Koreaner haben ein ganz anderes ästhetisches Empfinden, und die möchten eigentlich das Goethedenkmal so haben, wie es 1880 quasi frisch aus der Lade gekommen ist, also ohne Beschädigungen, ohne Risse, ohne Fehlstellen."
Nicht nur die Schäden müssen von Hand überarbeitet werden. In Knaaks Werkstatt feilt Bildhauerin Surina von Kayserling an den Fingernägeln einer allegorischen Figur aus Frässchaum herum. Der Computer kann zwar eine exakte Kopie erstellen, doch die Fräse ist nicht genau genug, um Feinheiten wie Nasenlöcher, Augen oder eben Finger wiederzugeben.
"Wie man sieht, ist es nicht so ganz hundertprozentig. Die sind auch zu schmal, die Finger, der Daumen auch. Ich modellier' das dann einfach drauf, wie das hier zu sehen ist. Ich war auch vor Ort, hab mir das genau angeguckt und rundum fotografiert."
Welche Patina bekommt Goethe?
Erst die bildhauerische Nachbearbeitung geben dem Denkmal Ausdruck und Leben. Ein aufwendiges Verfahren – doch für You Kyung Son, Senior Manager der Lotte-Corporation, lohnen sich Aufwand und Kosten. Goethe sei in Korea als herausragender Dichter bekannt, sagt Son.
"Mit unserem Projekt haben wir das Ziel oder die Hoffnung, dass durch das Projekt von Lotte die Errungenschaften von Goethe noch viel, viel weiter verbreitet werden im Land. Da dieses Bauprojekt am Ende wirklich eine Art Meilenstein in Asien sein wird, ein Treffpunkt in Asien, wo sich viele, viele Besucher versammeln werden. Wenn davon auch noch Deutsche nach Korea kommen, wird es ein kultureller Austausch und dadurch nochmal einen Schritt wichtiger."
Am nächsten Tag wird die Delegation von Lotte in der Berliner Senatskanzlei erwartet – zur offiziellen Unterschrift. Mit seinem Denkmal kann das Unternehmen dann machen, was es will - ein Copyright gibt es nicht auf Fritz Schaper. Doch zuvor muss noch eine wichtige Entscheidung getroffen werden: Welche Patina bekommt Goethe? Golden schimmernd, braun oder Grünspan-grün? Die Gäste schauen und überlegen. Am Ende entscheidet sich die Delegation für eine dunkle Alterspatina. Eine gediegene Wahl für das erste Goethe-Denkmal in Asien. Thomas Lucker ist überzeugt, dass es sich in Seoul gut machen wird.
"Die Grünfläche, die für die Ausstellung vorgesehen ist, dort finden sich auch viele weitere zeitgenössische koreanische Kunstwerke. Und ich kann mir vorstellen, dass sich das Berliner Denkmal sich dort gut einfügen wird und vor allem auch gut behaupten wird."