Skyclubbing in Berlin

Von Gerd Brendel |
Tanzen war in den vergangenen Jahren oft mit einem Abstieg verbunden, einem Abstieg in dunkle, feuchte Keller. In Berlin wird nun dieser Trend umgekehrt, statt nach unten geht’s nach oben, um sich bei guter Aussicht zu amüsieren.
Wiechmann: " Mann muss mal die Tradition des Clubs in der Tiefe betrachten…"

Trojahn: "In nem U-Bahnhof, oder in ner Tiefgarage, immer in Kellern, und Projektionen kann keiner mehr sehen."

Aber damit ist es jetzt vorbei.

"Wo müssen wir hin?

Achter stock, na, ganz nach oben …"

Denn jetzt wird oben, gefeiert, ganz oben.

Eine gute halbe Minute braucht der Aufzug in der Potsdamer Straße 58 um die Partysucher in den achten Stock zu transportieren. Und deswegen heißt der neuste Club über den Dächer von Berlin auch "40 seconds", ein ganz besonderer Club aus mehr als einem Grund.

Kömm: "Wir sind ein Club im Westen, wir sind oben auf dem Dach und wir haben eine extrem schicke Ausstattung , im Prinzip ist es so ne Sex and the city location."

Getreu dem Leitspruch, den PR-Frau Sandrina Kömm für den Club erfunden hat:

Kömm: "Einzigartige Menschen, brauchen einzigartige Kulissen."

Kein Wunder, dass besonders die Menschen, die auch von anderen für einzigartig gehalten haben, den Club für sich entdeckt haben, die oder ihre Agenten und die Trend-Scouts der Lifestyle-Presse.

Kömm: "Es hilft sicherlich, dass wir viel in der Lifestyle-Presse sind, dieses Mal sind wir in der Glamour., daran sieht man , dass wir ne nationale Bedeutung haben, ich will zwar nicht sagen wie sind wie das P1 aber …"

Aber ein paar Promis haben sich schon in den achten Stock verirrt: Marrylin Manson hat hier seine Bilder vorgestellt, Jennifer Lopez ihre neue Platte und Roland Emmerich zur Berlinale mit Freunden zur Berlinale eine einzigartige Party veranstaltet.

Kömm: "Und dann war dort Klaus Wowereit mit George Michael zu sehen, sie haben sich nicht wirklich geknutscht, aber es hat nicht mehr viel gefehlt."

Und auch wenn an diesem Freitagabend, weder Politiker, noch Popstars auf den cremefarbenen Couchs aus Lederimitat herumlungern, oder vor dem weißen Champagnerstand mit den goldenen Lettern anstoßen: Vorstellen kann man sich die high society hier gut. Vor den Fenstern liegt der Potsdamer Platz. Das Sony-Centre ertrahlt in kaltem Neon. Die Stadt dahinter versinkt in Dunkel. Nur der Fernsehturm weit hinten und die Hochhäuser am Alexanderplatz leuchten. Aus einem funkelt es lila-orange. Hier hat Markus Trojahn seinen "Weekend-Club" eingerichtet.

"Wo müssen wir hin? Versuchs mal mit 13.. .ne 12. , 12? ."

Trojahn: "Am besten gefallen mir die Leute, die zum ersten Mal kommen., wie die sich verhalten wenn die reinkommen, erst mal unsicher sind, zu den Fenstern gehen und rausschauen dann erst mal diesen Raum und langsam locker werden."

" Was ein wahsinnig glücklicher Umstand ist, dass du mitten in der Stadt auf dem Alexanderplatz im 12. Stock Bums machen kannst , ohne dass es jemand stört, weil du keine Nachbarn hast, weil wenn die gehen kommen wir, und wenn wir gehen, gehen die. "

Markus und seine beiden Nachtleben-erfahrenen Geschäftspartner.

Trojahn: "Der eine war DJ, der andere Türmann, ich war Barmann."

Ihnen kam die wirtschaftliche Talfahrt und der damit einhergehende Büroleerstand zugute, als sie sich nach einem eigenen Club umschauten. Das "Haus des Reisens" war eigentlich zum Abriss vorgesehen, der westdeutsche Eigentümer hatte den Büromietern schon gekündigt- Da wurde der Neubau des Alexanderplatzes auf Eis gelegt.

Trojahn: "Jetzt war das so, dass die erst mal ein fast leeres Haus hatten ... und dann haben sie gesagt: ohhh, jetzt bleibt das ja noch zehn Jahre stehen, und dann kann da son Spinner wie ich an und hat gesagt, ich würd gern 600 m2 mieten."

Der Erfolg hat dem "Spinner" mittlerweile Recht gegeben.
In dem spartanisch ausgestatteten Riesenraum mit dem großen Bar-Rechteck in der Mitte tummelt sich an den Wochenenden ein buntes Partyvolk: zerfetzte Jeans, Anzug, Vokuhila , Glatze, Kapuzenträger, Flitterröckchen, Pumps und Stiefel.

Wiechmann: " Wenn man sich das ansieht sind die mit der New Economy groß geworden, sind älter geworden und vielleicht ärmer."

Erklärt der Publizist und Jugendforscher Peer Wiechmann den Erfolg.

"Und natürlich sind sie dann auch nicht mehr so scharf auf das morbide, die Keller, sondern nehmen sich die Chefetagen, und die Häuser mit Ausblicken um vielleicht da mit Aussicht zu tanzen."

Die Aussicht der Chefetagen, die ihnen tagsüber verschlossen bleiben werden. Die Aussicht auf eine wenigstens bei Nacht und von oben, übersichtliche Welt.

Gast: " Ich finds sehr angenehm, wenn ich aus dem Fenster gucke, seh ich Berlin, wenn ich ins Glas gucke seh ich Wiskey, was brauch ich mehr. "