Grenzgebiet der Religionen
Košice in der Slowakei ist nach wie vor ein Ort religiöser Toleranz – drei Bischöfe verschiedener christlicher Konfessionen leben in der Stadt. Die Kirchendichte ist hier besonders hoch.
Axel Hartmann: "Das ist hier eine Region, die völlig zu Unrecht im Schatten steht, den Košice und die ganze Ostslowakei ist eine kulturell sehr reiche Region."
Axel Hartmann ist der deutsche Botschafter in der Slowakei.
"Hier waren Ungarn, hier waren Deutsche und hier waren natürlich auch Slowaken und natürlich auch Juden, und die haben alle friedlich zusammengelebt, über all die Jahrhunderte, hier hat es relativ wenig kriegerische Auseinandersetzungen gegeben, und das muss ja einen guten Grund haben, wahrscheinlich war es die Vielsprachigkeit."
Die Ostslowakei ist nicht nur vielsprachig, es ist auch ein Grenzgebiet der Religionen. So ist Košice griechisch-katholischer, evangelisch-reformierter und römisch-katholischer Bischofssitz.
Die Hauptstraße ist heute eine Fußgängerzone, eine breite Magistrale mit stattlichen Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen: barocke Paläste, klassizistische Bauten und viel Gründerzeit. In der Mitte liegt ein linsenförmiger Platz mit dem neobarocken Staatstheater.
Doch der eigentliche Mittelpunkt ist die Elisabeth-Kathedrale, der größte Sakralbau der Slowakei. Es ist eine gotische Hallenkirche aus dem 15. Jahrhundert, erzählt Danica Remetei der Besuchergruppe, die sie durch Košice führt.
St. Jakob ist der zweitgrößte Sakralbau in der Slowakei
Danica Remetei: "Die östlichst gelegene gotische Kathedrale in Europa. Man kann wohl sagen, dass wir uns an einer Grenze vom alten Europa befinden, bis hierhin überwogen die westlichen Baustile und Kultur und alles, und Richtung weiter östlich, da gab es keine Gotik mehr."
Die Kathedrale ist der Heiligen Elisabeth gewidmet. Sie war eine ungarische Königstochter und kam 1211 schon als Kind nach Thüringen. Später wurde Elisabeth Spitalschwester im hessischen Marburg, wo sie selbstlos den Armen und Kranken diente.
Auch St. Jakob in Levoča hat einen Elisabeth-Altar. Die Pfarrkirche St. Jakob ist der zweitgrößte Sakralbau in der Slowakei. Levoča heißt auf Deutsch Leutschau. 549 wurde die Stadt in einem Dokument des ungarischen Königs erstmals erwähnt. Im Mittelalter nannte man Levoča das „slawische Nürnberg“. Es war eine bedeutende Handelsstadt auf dem Weg nach Krakau, und erst die Türkenkriege und die Entdeckung Amerikas besiegelten ihren wirtschaftlichen Niedergang.
Berühmt sind die Altarschnitzereien von Meister Paul, der Anfang des 16. Jahrhunderts in Leutschau seine Werkstatt hatte. Maria Sajdakova steht mit ihrer Reisegruppe vor einem stattlichen Haus gegenüber der Kirche.
Maria Sajdakova: "In diesem Haus hat Meister Paul gelebt und gearbeitet. Er hatte drei Töchter und einen Sohn. Er war ein angesehener Bürger. Es gibt Quittungen, dass Meister Paul Wein verkaufte. Zu Levoča gehörten auch Weinberge im Tokajer-Gebiet. Er hinterließ wunderschöne Plastiken in slowakischen Städten. Die Spuren des Meisters führen auch nach Deutschland und auch nach Polen."
Es war eine städtische Kunst. Bedeutende Werke aus Krakau, Florenz und Nürnberg haben den Meister beeinflusst. Er kannte die Werke von Veit Stoß und Albert Dürer. Wahrscheinlich ist er selbst einmal in Süddeutschland und gewesen, bevor er in Levoča seine bedeutendsten Werke schuf. In St. Jacob ist der höchste Holzschnitzaltar der Welt zu sehen. Der gotische Hochaltar ist knapp neunzehn Meter hoch und über sechs Meter breit.
Deutsche Kolonisten brachten Kenntnisse aus Mitteleuropa mit
Wie die Kirche ist auch der Altar dem Heiligen Jakob gewidmet, zu dessen Grab in Santiago de Compostela die katholischen Christen bis heute pilgern. Zu einem heiligen Ort, der am westlichen Ende Europas liegt. Doch auch in Levoča ist Jünger Jakobus allgegenwärtig. Die in Stein gehauenen Jakobsmuscheln, das Symbol der christlichen Jakobs-Pilger, finden sich als architektonischer Zierrat an vielen historischen Häusern der Stadt.
Leutschau ist das Zentrum der Zips, einer Region, in der es traditionell viele deutsche Kolonisten gab. Die meisten Städte und Dörfer haben hier deutschen Ursprung. Schon im 11. Jahrhundert hatten ungarische Könige Siedler aus Schlesien, Sachsen und Thüringen ins Land gerufen. Maria Sajdakova.
Maria Sajdakova: "Die deutschen Kolonisten ergänzten nicht nur die Bevölkerung, sie brachten auch ihre Kenntnisse aus Mitteleuropa mit, vor allem in den Bereichen wie Landwirtschaft, Bergbau, Selbstverwaltung, aber auch Handwerk und Handel."
Rudolf Schuster ist ein Nachfahre deutscher Kolonisten. In den 80er Jahren war er Bürgermeister von Košice und von 1999 bis 2004 Staatpräsident der Slowakei.
Rudolf Schuster: „Kaschau ist 1230 und wir 1240. Und Metzenseifen war deutsch und ungarisch. Jedes Tal heißt wie Seifen: Goldseifen, Krebesseifen. Wissen Sie, das sind die Täler."
Die frommen Neusiedler gründeten im 13. Jahrhundert die „Bruderschaft der 24 königlichen Pfarrer“. Sie hatten zahlreiche Privilegien, darunter die freie Pfarrerwahl. 1544 wurde die Region für 130 Jahre protestantisch, dann kamen die Habsburger Gegenreformer, und das Land wurde erneut katholisch. In Levoča hat sich allerdings die wertvolle evangelische Bibliothek erhalten.
Maria Sajdakova: "Besonders musikalische Werke und auch handgeschriebene Werke von Luther."
Protestantische Wandmalerein mit barocker Dekoration
Nicht weit von St. Jakob wurde erstmals die slowakische Nationalhymne gesungen. 1844 zogen Studenten des evangelischen Lyzeums von Bratislava nach Levoča, um gegen die Suspendierung ihres Lehrers zu protestieren, die von der ungarischen Verwaltung verfügt worden war. Der Philosoph Ludwig Stur war Protestant und ein führender Kopf der nationalen Bewegung. Er hat die slowakische Schriftsprache begründet, sammelte literarisches Volksgut und schrieb patriotische Gedichte.
Rund um Levoča gibt es noch weitere Zeugnisse christlicher Kultur. In der Region finden sich in den Dörfern einige sehr alte Holzkirchen. Es sind kleine Gotteshäuser mit einer ganz eigenen Aura, jenseits der steinernen Baukultur. Acht von ihnen wurden 2008 in die UNESCO-Welterbeliste eingetragen, darunter die Kirche des Heiligen Franz von Assisi in Hervartov. Den deutschen Besuchern liefert ein Tonband Informationen.
Tonband Kirche Hervartov: "Die Kirche wurde unter unmittelbarem Einfluss der Gotik vor oder knapp nach dem Jahre 1500 gebaut und stellt den seltenen erhaltenen Typ einer Holzkirche in der Slowakei dar."
Die wertvollen Wandmalereien stammen aus der Zeit, als die Kirche eine Zeit lang protestantisch war. Im 18. Jahrhundert kamen barocke Dekorationen hinzu.