Slowakei

Was vom Aufstand übrig blieb

Flagge der Slowakei
Das Gedenken an den Nationalaufstand vor 70 Jahren spaltet die Slovaken. © dpa / picture alliance / Igor Zehl
Von Michal Hvorecky · 29.08.2014
Am 29. August 1944 fand in der Slowakei der große Nationalaufstand statt: gegen die "Schutzmacht" Nazideutschland. Der Schriftsteller Michal Hvorecky beklagt, dass in der Debatte um das Gedenken heute die Populisten dominieren.
Als Heinrich Himmler im September 1944 Bratislava besuchte, war er schockiert. Ende August hatte es in Banska Bystrica, der fünftgrößten Stadt der Slowakei, einen militärischen Aufstand gegeben, die Waffenbrüder der Wehrmacht waren zum sowjetischen Feind übergelaufen. Und in der Hauptstadt schien sich niemand für den "totalen Krieg" zu interessieren.
Nach Berlin zurückgekehrt, zog er brutale Konsequenzen und ließ den Aufstand niederschlagen, kurz bevor die Rote Armee das Land besetzte.
1938 hatte sich die Slowakei auf deutschen Druck hin aus der Tschechoslowakei gelöst. Doch die proklamierte Souveränität war eine Illusion, das neue Regime eine Marionette und die Demokratie ein Schein. Entstanden war ein autoritärer Staat, geführt von Jozef Tiso, einem katholischen Priester. Und Hitler höchstpersönlich stellte die junge Republik unter seinen Schutz.
Die Rüstungsindustrie blühte und der Zweite Weltkrieg hielt sich fern. Weswegen die überwiegend bäuerlich-katholische Bevölkerung, unter ihnen auch die Karpatendeutschen, von ihrem Präsidenten begeistert waren.
Doch nach dem Fall von Stalingrad drehte die Stimmung. Hunderte von slowakischen Soldaten, die an der Ostfront auf Seiten der Wehrmacht kämpften, desertierten zur Roten Armee.
Und schließlich probten Teile der Armee den Aufstand. Die Gegenoffensive der Wehrmacht und der SS war schnell und drastisch. Die deutschen Nationalsozialisten übernahmen die Macht und überzogen das Land bis Kriegsende mit Terror.
Unbelehrbare stilisieren Jozef Tiso zum Märtyrer
Und heute? Die katholische Kirche verehrt unbelehrbar ihren Priester und Politiker Jozef Tiso. Gemeinsam mit der extremen Rechten stilisieren sie ihn zum Märtyrer - ihn, der als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt wurde. Mehrere Bischöfe fordern gar, dass er vom Papst heiliggesprochen wird.
Und da ist die andere Seite. Sie erwartet zum 70. Jahrestag des Aufstands Wladimir Putin als Gast. Doch weil der russische Präsident gerade viel zu sehr mit der Ostukraine beschäftigt ist, wird wohl nur der Verteidigungsminister kommen.
Wie Russland damals den slowakischen Widerstand behandelte, ist noch immer heftig umstritten. Stalin ignorierte die demokratischen Freiheitskämpfer. Die Hoffnung der Aufständischen in Banska Bystrica, von den Rotarmisten unterstützt zu werden, erfüllte sich nicht. Die Sowjets heroisierten eben nur kommunistische Widerständler. Christliche und liberale Nazigegner dagegen wurden später Opfer stalinistischer Gewalt.
Premierminister Robert Fico, ein Sozialdemokrat, folgt dieser Tradition. Den Jahrestag nutzt er, um Russland zu loben und die aktuellen Sanktionen des Westens als "sinnlos und unglaublich schädlich" zu bezeichnen. Unterstützt wird er in Europa nur von seinem ungarischen Kollegen Viktor Orbán. Beide Populisten fälschen und schönen gern die Erinnerung an die Geschichte.
So lehrt uns das Gedenken an den slowakischen Militäraufstand im August 1944, dass der Faschismus sich brutal wehrte, aber letztlich nicht gesiegt hat. Bei vielen Osteuropäern, das zeigt sich jetzt, ist jedoch etwas von ihm übrig geblieben.
Michal Hvorecky, geboren 1976, ist Schriftsteller und Leiter der deutschsprachigen Bibliothek im Goethe-Institut in Bratislava. Jüngst ist von ihm der Roman "Tod auf der Donau" (Klett-Cotta) auf Deutsch erschienen.
Michal Hvorecký im Porträt
Michal Hvorecký© Michal Hvorecký/privat
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