Slowenischer Politiker gegen Flüchtlingsquote

"Die möchten vor allem nach Deutschland"

Flüchtlinge im slowenischen Sredisce ob Dravi
Flüchtlinge im slowenischen Sredisce ob Dravi an der Grenze zu Kroatien © dpa/picture-alliance/ Igor Kupljenik
Alojz Peterle im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Alojz Peterle, früherer slowenischer Ministerpräsident und heute EVP-Abgeordneter im EU-Parlament, hält eine Verteilungsquote für Flüchtlinge innerhalb der EU für unrealistisch. Zwar müsse man solidarisch sein, aber die meisten Flüchtlinge wollten eh nach Deutschland.
Alojz Peterle, früherer slowenischer Ministerpräsident und heute EVP-Abgeordneter im EU-Parlament, hält eine Verteilungsquote für Flüchtlinge innerhalb der EU offenbar für unrealistisch.
Zwar räumt Peterle ein, man müsse solidarisch mit den am meisten betroffenen Staaten sein und die Lasten besser verteilen. Auch sei Slowenien bereit, eine gewisse Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen. Allerdings wollten diese nicht im Land bleiben, nur wenige hätten Asyl beantragt.
"Das Problem liegt darin, dass die Flüchtlinge die Idee der Quote nicht akzeptiert haben, weil: die möchten vor allem nach Deutschland", betonte der Politiker.
"Die haben ihren eigenen Willen, das ist das Problem."
Außengrenze der EU kontrollieren
Peterle verteidigte den Einsatz von Militär an der slowenisch-kroatischen Grenze: Es gehe hier nicht um eine Militarisierung Sloweniens, aber angesichts der großen Zahl an Ankommenden sei die Polizei nicht imstande, die Situation zu beherrschen. Der konservative Europapolitiker betonte jedoch, die Linie der EVP sei es nicht, die nationalen Grenzen zu schließen, sondern die Außengrenze der EU zu kontrollieren.
"Aber vor allem müssen wir die Ursachen der Konflikte beseitigen."
Der slowenische Politiker warnte ferner vor "romantischem Humanismus" in der Flüchtlingspolitik.
"Das war vielleicht am Anfang. Aber später hat man gesehen, es geht um Sicherheit, es geht um Arbeit, es geht auch um verschiedene Kulturen, es geht auch um Gesundheitsprobleme."
Außerdem habe man es mit einer "sehr heterogenen Masse an Leuten" zu tun:
"Am meisten kommen zu uns nicht die Leute aus Syrien, zum Beispiel sind es Leute aus Afghanistan, Pakistan, Nigeria, Eritrea und so weiter."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Den Militärs der Armee will Slowenien jetzt mehr Befugnisse geben in Sachen Flüchtlinge, man werde sonst der vielen Menschen nicht mehr Herr. Immer mehr von ihnen kommen ja nach Europa über die verschiedensten Routen, eben auch nach Slowenien. Und in Madrid treffen sich derzeit die Europäischen Christdemokraten, die in der EVP verbunden sind, zu einem Kongress, dessen zentrales Thema das Flüchtlingsdrama an Europas Grenzen ist. Heute werden dort auch Angela Merkel und Jean Claude Juncker erwartet. Welche Linie die EVP, die Europäische Volkspartei in der Flüchtlingsfrage verfolgt, das will ich jetzt von Alojz Peterle erfahren. Er ist EVP-Abgeordneter aus Ljubljana und war kurze Zeit slowenischer Ministerpräsident. Guten Morgen!
Alojz Peterle: Guten Morgen!
Hauptaufgabe ist die Beseitigung der Fluchtursachen
von Billerbeck: Die Europäische Union ist, kann man sagen, weit entfernt von einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik. Wie sieht es denn innerhalb der EVP-Fraktion aus, gibt es da Gemeinsames oder überwiegen die nationalen Interessen? Also, sind Sie eher EVP-Mann oder doch Slowene?
Peterle: Ich bin der slowenische EVP-Mann und ich bin froh, dass zurzeit die gemeinsame Flüchtlingslinie stärker ist als die nationalen Interessen. Man weiß ganz gut, man muss etwas zusammen unternehmen, denn die einzelnen Mitgliedsstaaten sind nicht imstande, das Problem einzuschränken, zu lösen. Und was die EVP betrifft, ist die Linie ganz klar: Man sagt nicht, wir müssen die Grenzen schließen, sondern die Außengrenze kontrollieren. Wir brauchen Solidarität mit denen, die am meisten betroffen sind, wir brauchen auch bessere Asylpolitik, aber vor allem müssen wir die Ursachen der Konflikte beseitigen, das ist die Hauptaufgabe. Und da sind wir in Europa, aber nicht nur in Europa, auch in der Welt schwach, denn es gibt so verschiedene Interessen, was zu unternehmen ist.
"Wir müssen die Lasten verteilen"
von Billerbeck: Das eine sind ja langfristige Aufgaben, nämlich die Lage in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern, das andere ist das Kurzfristige, das sind die Flüchtlinge eben hier, auch an Ihren Grenzen. Sind Sie denn bereit, die Lasten gleichmäßiger zu verteilen, dass also nicht nur Deutschland, Österreich, Schweden die allermeisten Flüchtlinge nehmen, sondern eben auch die Länder Südosteuropas?
Peterle: Ich bin bereit. Ich meine, man muss die Lasten verteilen. Das Problem liegt darin, dass die Flüchtlinge nicht die Idee der Quote akzeptiert haben, denn sie möchten vor allem nach Deutschland. Und man kann verschiedene Modelle haben, aber sie möchten eigentlich weiter. In Slowenien war es auch in dieser Nacht so, einige Tausend sind gekommen, einige sind weitergegangen. Und zurzeit bleibt unter denen ... Also, wir fahren weiter nach Deutschland, ein Zelt, mehrere Zelte sind in Slowenien verbrannt worden. Eine der Personen sagt, sie haben es darum gemacht, weil sie böse darüber waren, dass sie blockiert wurden, sie möchten so bald wie möglich weiter über Österreich nach Deutschland.
Kaum Antragsteller in Slowenien
von Billerbeck: Na ja, wenn sich die Bedingungen in den anderen Ländern verbessern würden für die Flüchtlinge, würden sie sich vielleicht auch entscheiden, dort zu bleiben. Was macht denn Ihr Land dafür?
Peterle: Also, bei uns ... Wenn es um kleinere Zahlen geht, dann können wir das Problem bewältigen. Das Problem ist in Slowenien und auch in anderen Ländern, dass zu viele Leute kommen. Darum ist auch die Armee eingesetzt worden. Nicht wegen der Militarisierung Sloweniens, sondern die Polizisten sind nicht imstande, die Situation selbst so zu beherrschen. Bei uns sind nur sehr wenige, nur einige, die sich um Asyl bewerben. Sie möchten eigentlich weiter. Wir haben können eine gewisse Anzahl nehmen, aber zurzeit gibt es nicht viele Leute, die bei uns leben möchten.
von Billerbeck: Aber wenn alle das so machen würden wie Ihr Land – man versteht ja, dass Sie da versuchen, das Problem in den Griff zu bekommen, die Polizei schafft es nicht, also setzen Sie Militär ein –, wenn das andere EU-Staaten auch machen, dann haben wir ja die Festung Europa, dann ist ja alles dicht!
"Das Problem ist, dass die Flüchtlinge ihren eigenen Willen haben"
Peterle: Ich meine, am bedeutendsten ist, dass wir die Grenze kontrollieren. Das war auch mit Ungarn so. Viktor Orbán war nicht komplett dagegen, dass die Leute kommen, aber er wollte ... Ungarn wollte den Zustrom beherrschen, die Leute registrieren. Einige sind dort geblieben, viele sind weitergegangen. Also, hier ist ... Es geht nicht um einen romantischen Humanismus, das war vielleicht am Anfang, aber später hat man gesehen, es geht um Sicherheit, es geht um Arbeit, es geht auch um verschiedene Kulturen, es geht auch um Gesundheitsprobleme. Also, wir haben hier eine sehr heterogene Masse von Leuten. Wir haben gesehen, die meisten Leute kommen nicht aus Syrien zu uns, sondern es sind Leute zum Beispiel aus Afghanistan, Pakistan, Nigeria, Eritrea und so weiter. Und das ist ... Also, die haben ihren eigenen Willen, das ist das Problem.
von Billerbeck: Also, da gibt es doch heftige Vorbehalte, höre ich da heraus. Alojz Peterle war das, der slowenische EVP-Europaabgeordnete und einstige slowenische Ministerpräsident.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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