Smart Farming

Computer und Roboter revolutionieren die Landwirtschaft

Smart Farming hätte Vorteile für die Landwirtschaft.
Smart Farming hätte Vorteile für die Landwirtschaft. © picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen
Von Calla Katharina Wilhelm |
Melkroboter, Futterautomaten, Rechner, die die Gesundheit der Tiere überwachen: In vielen Tierzuchtbetrieben ist das Computerzeitalter längst angebrochen, sie sind auf dem Weg zur Landwirtschaft 4.0. Das spart Personal - und kann helfen, die Betriebsgewinne zu erhöhen.
Ein Mähdrescher bei der Ernte - umgeben von einer haushohen Staubwolke aus Spreu und Spelzen. Die gelbe Wolke kommt näher. Und allmählich werden die Dimensionen der Erntemaschine sichtbar. Mit einer Schneidwerksbreite von über zehn Metern zählt der Mähdrescher zu den Giganten unter den Erntemaschinen.
Andreas Faber von der Domäne Salzdahlum bei Braunschweig steuert das Ungetüm. Genauer gesagt: Er lässt es steuern. Denn Mähdrescher dieser Größenordnung lassen sich nicht mehr von Hand führen. Das geht nur noch mit Hilfe von Navigationssatelliten wie dem GPS. Auf dem Monitor des Bordcomputers sieht der Fahrer, wo es langgeht.

GPS-gestützte Mähdrescher schaffen sieben Hektar pro Stunde

Faber: "Bei dem GPS gebe ich generell einmal vorab eine A-B-Linie ein. Dementsprechend fährt er zehn, zwanzig Meter parallel dazu jedes Mal wieder. Eingeben kann ich hier einen manuellen Versatz, sprich 30 Zentimeter nach rechts, 30 Zentimeter nach links. Und zudem sehe ich noch, wo ich gedroschen habe. Das ist grün hinterlegt. Und das Weiße ist die noch zu dreschende Fläche."
Sieben Hektar schafft der Mähdrescher pro Stunde, doppelt so viel wie herkömmliche Maschinen. Fünf Stunden später erinnern nur noch Stoppeln an das Gerstenfeld.
"Generell würde ich es immer als Arbeitserleichterung einschätzen und halt auch als Arbeitseffizienz. Also wesentlich mehr Leistung. Gerade bei dieser Schnittbreite damals, meinetwegen drei Meter, sechs Meter, die größeren Maschinen heutzutage bis zu 14 Meter – das ist anders gar nicht mehr zu machen, dadurch, dass man die ganze Schnittbreite kontrollieren muss."
Der Gigantismus - immer größer werdende Mähdrescher, Schlepper und andere Maschinen – ist nur ein Grund für die Computerisierung in der Landwirtschaft. Daten schaffen neue Erkenntnisse. Durch die Verknüpfung von Positionsdaten mit Maschinendaten zum Beispiel weiß der Landwirt genau, was wo auf dem Feld passiert: So lässt sich der Ernteertrag an jeder Stelle des Kornfeldes darstellen – auch in Relation zum Düngemitteleinsatz.
"Big data, Landwirtschaft 4.0 und Precision Farming": Rund 100 Experten diskutierten Ende vergangenen Jahres über dieses Thema im Haus der Ernährungswirtschaft in Berlin. Nach Ansicht von August Altherr vom Landmaschinenhersteller John Deere führt kein Weg an der Digitalisierung vorbei. Denn: Heute schon erfassen Mähdrescher, aber auch Traktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen eine Vielzahl von Daten, so der Referent.
August Altherr: "Zunächst haben wir die Position der Maschine, aber auch die Maschinendaten der Maschine. Hier können Sie zum Beispiel von Manfreds Mähdrescher den Füllstand des Tankes einsehen. Das nächste ist: Wir tracken seinen Weg. Wir wissen, wo er ist, und wir wissen, wo er war. Sie können auch hier im Kalender zurückgehen und schauen, wo war er gestern. Diese Funktionalität kann zum Beispiel einem Lohnunternehmer helfen, einmal nachzuweisen, ich hab' da Dein Feld gemacht, und von da nach da habe ich gebraucht, es zu tun. Es ist alles dokumentiert, sie haben die ganze Historie. Sie können auch genau an dieser Stelle einsehen, wie weit er mit dem Feld ist. Ist er halb durch, ist er fast fertig, oder er hat gerade erst angefangen."

Die Gewitterfront erscheint virtuell Stunden zuvor

Möglich ist die online-Verbindung durch "Telematiksysteme": Sender, die den Datenstrom entweder direkt von der Maschine auf den Betriebsrechner oder auf den Server des Herstellers übertragen. Auch in Verbindung mit geografischen Daten. Aus der Map ist zum Beispiel ersichtlich, wo und wieviel gedüngt wurde. Externe Daten, vom Deutschen Wetterdienst DWD zum Beispiel, können ebenfalls eingebunden werden. Eine heranziehende Gewitterfront sieht der Landwirt virtuell viele Stunden im Voraus und kann entsprechend reagieren.
Mittlerweile rüsten sich auch große, international agierende Softwareunternehmen wie SAP für BigData in der Landwirtschaft. Gisbert Böcker ist für das Agribusiness zuständig.
Böcker: "Was heißt denn eigentlich 'big data' an dieser Stelle. Wir reden bisher immer davon, dass es nur ein paar Gigabyte sind, die übertragen werden müssen. Du hast ein Video, da muss ein bisschen was fließen. Wenn wir heute mit der DWD reden, dann reden wir ganz schnell nicht mehr über Giga-, wir reden auch nicht über Tera-, wir reden über Betabyte und mehr. Das heißt, wir bekommen durch die Vielzahl der zukünftigen Sensoren ein unglaubliches Datenvolumen, was aber dann wieder runtergebrochen werden muss, und greifbar gemacht werden muss für den Landwirt."
Es herrscht Goldgräberstimmung: Bei Landmaschinen-Herstellern genauso wie bei Softwareunternehmen. Neue Fahrzeuge sind heute geradezu bespickt mit einer Vielzahl Sensoren: GPS, Spritverbrauch, Zustandsdaten der Maschine. Um das alles auswerten zu können, sprießen digitale Dienstleister wie Pilze aus dem Boden. Auf diese Weise können die Daten zum Beispiel eines Traktors mit den Daten einer angehängten Egge, Düngemaschine oder Spritze eines anderen Herstellers kombiniert werden.
Alle zwei Jahre präsentieren Firmen ihre Landtechnik-Innovationen auf der AGRITECHNICA in Hannover. Eines dieser Unternehmen heißt "3-6-5 FarmNet". Landwirte, die den Internet basierten Dienstleister in Anspruch nehmen, finden auf der Homepage – Passwort geschützt – die Daten des eigenen Maschinenparks und können so völlig neue Erkenntnisse erzielen, wie Geschäftsführer Maximilian von Löbbecke erklärt.
"Der Mähdrescher beispielsweise ist ein sehr intelligentes System, der genau aufzeichnet, auf welchem Quadratmeter hat er welche Qualität und Menge geerntet. Diese Ertragskartierung bringt mir noch gar nichts, wenn ich daraus nichts lesen kann. Und das ist bisher der Fall gewesen. Und wir gehen hin und nehmen diese Ertragskartierung für den Landwirt, der in unserem System diese verschneiden kann mit dem, was er auf dem Schlag draufgebracht hat an Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln. Und mit dem, was wir an Wetterkonditionen hatten. Damit er dann eine Aussage hat, aha, bei den Konditionen und dem Input hat ich den Ertrag gehabt.
Das heißt, er kann diese Informationen nutzen für die Planung seines Folgejahres, um dort viel effizienter vorzugehen, weil er sieht, aha, ich habe hier an dem einen Stück zu wenig Bodennährstoff und muss mehr Dünger partiell und nicht mehr den Dünger einfach auf das Feld streuen, egal ob ich ihn brauche oder nicht. Und damit haben wir eine Einsparung an Düngemitteln und damit natürlich auch einen hohen Effekt auf den Umweltschutz."
Mehr und mehr Landwirte schätzen die neuen Möglichkeiten der GPS-basierten, punktgenauen Ackerbearbeitung, zumal neuere Landmaschinen ohnehin GPS mit an Bord haben und sämtliche Betriebsdaten erfassen.

Smart Farming als dreifacher Gewinn?

Das alles zu vernetzen und zu nutzen, ist da nur der nächste Schritt, meint Horst Friedrich Hölling, der einen Ackerbaubetrieb im Landkreis Hameln/Pyrmont betreibt.
"Das Stichwort ist ja Smart Farming: A verspreche ich mir davon, Betriebsmittel einzusparen. B muss ich meiner Dokumentationspflicht nachkommen und versuche, das zu vereinfachen, und drittens ist natürlich auch gegenüber unseren Abnehmern diese Rückverfolgbarkeit sicher zu stellen."
Thomas Stadler baut auf rund 400 Hektar Weizen, Gerste und Raps in Alfeld zwischen Göttingen und Hannover an. Neuerdings setzt er einen Stickstoffsensor zur Erfassung des Düngemittelgehaltes im Boden ein. Gedüngt wird seitdem nur noch "teilflächenspezifisch" – also nach Bedarf. An manchen Stellen gar nicht, anderswo auf dem Acker hingegen mehr. Im Ergebnis verbraucht er weniger Dünger bei höheren Erträgen, sagt der Landwirt auf der Agritechnica in Hannover. Ein Plus auch für die Umwelt.
Stadler: "Also die Firma, von der ich dieses Gerät gekauft habe, die sagt – innerhalb von zwei, drei Jahren bei meiner Betriebsgröße – macht sich das Gerät bezahlt. Ich habe das nun inzwischen sechs Jahre. Ich denke schon, dass sich das rechnet. Wir haben natürlich wenige Vergleichsmöglichkeiten. Also dass wir Versuche fahren, parallel, nebeneinander her, diese Vergleichsmöglichkeit haben wir nicht. Aber eben, wenn ich mir das bei Nachbarn anschaue, die nicht mit dem Sensor düngen, die haben zum Beispiel mehr Lager als wir. Also von daher wird es dann auch manchmal sichtbar – der Effekt von Sensoren."
Eine zu hohe Stickstoffversorgung führt zu weichen Getreidehalmen, die dann umknicken und sogenannte "Lager" bilden. Halme, die auf dem Boden liegen, bleiben länger feucht und werden häufig von Pilzkrankheiten befallen. Ernteausfall ist die Folge. Diese Probleme hat Thomas Stadler mit seiner digitalen Bewirtschaftung nicht mehr.

Drei Satelliten behalten die Agrar-Flächen im Auge

Interessante Daten entstehen nicht nur bei der Bewirtschaftung der Felder, sie kommen auch von Oben - aus dem Orbit:
Mit "Lancet 8", "Rapid-Eye" und "Sentinel" kreisen heute mehrere Erdbeobachtungssatelliten um die Erde, die ständig Fotos von der Erdoberfläche erstellen – also auch von Feldern, Wiesen und Weiden. Die Spezialkameras sind empfindlich von Infrarot über den sichtbaren Bereich bis Ultraviolett. Je nachdem, ob die Ackerpflanzen mehr Rot- oder mehr Blauanteile reflektieren, stecken wichtige Informationen in den Bildern. Dr. Holger Lilienthal vom Julius Kühn Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde in Braunschweig kann daraus sogar ableiten, wie die künftige Ernte ausfällt.
"Sobald diese Photosynthese irgendwie gestört ist durch Nährstoffmangel, Wassermangel, wie auch immer, dann sehen wir eine Veränderung auch in der Chlorophyllkonzentration. Das heißt, diese Veränderungen sind sehr schnell und sehr deutlich zu erkennen, und das können wir anhand der Spektralsignatur in dem Bereich auch wieder detektieren."
Es gibt Tausende solcher Aufnahmen, die kostenlos im Internet zur Verfügung stehen. Holger Lilienthal hat die Satellitenbilder ausgewertet und später mit den tatsächlichen Erträgen der erfassten Felder abgeglichen. Seitdem die Forscher wissen, wie Spektralsignatur und Ernteertrag zusammenhängen, lassen sich nun auch Prognosen erstellen. Seine Kollegin Heike Geringhausen zeigt auf ihren Monitor.
Gerighausen: "Hier sehen Sie Flächen eines landwirtschaftlichen Betriebes in Westmecklenburg nahe der Stadt Detmonsdorf, wo wir für Winterweizenflächen Ertragsschätzungen für das Jahr 2013 vorgenommen haben, und im Ergebnis wird deutlich, dass wir eine mittlere Abweichung von neun Prozent haben, wenn man die Fernerkundungsdaten mit den gewogenen Erträgen pro Schlag vergleicht."
Wieviel Korn letztlich im Speicher landet, das wissen die Landwirte heute erst, wenn die Ernte eingefahren ist.
Durch die Analyse von Satellitendaten werden die Landwirte viel früher im Bilde sein, prophezeit Holger Lilienthal. Die Cloud – die Datenwolke – eröffnet aber noch weitere Möglichkeiten:
"Es geht jetzt nicht darum, die Märkte zu bedienen oder irgendwelche Warenterminbörsen zu bedienen mit Daten. Sondern es geht eigentlich darum, den Einsatz von Pflanzenschutz und Düngemitteln zu optimieren. Denn wenn ich eine Information schon relativ früh habe über meine Bestände, und weiß, aus irgendwelchen Gründen wächst es da nicht besonders gut, dann kann ich als Landwirt sagen, OK, an dieser Stelle brauche ich nicht mehr weiter zu düngen, weil da kann ich sowieso keinen hohen Ertrag mehr erzielen und spare mir das an dieser Stelle entsprechend ein."

"Eine Entwicklung, die wohl nicht aufzuhalten ist"

Noch ist die "fernerkundliche Erfassung des Ertragspotentials" ein Thema für die Wissenschaft. Nach Einschätzung von Experten wird es allerdings nicht mehr lange dauern, bis auch Landwirte die Informationen aus dem Orbit nutzen können: Aufbereitet von digitalen Dienstleistungsunternehmen, die derartige Cloudlösungen als Geschäftsmodell entwickeln und anbieten.
"Es ist eine Entwicklung, die vermutlich nicht aufzuhalten ist, weil die Technik ja nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Sie wird ja ganz woanders entwickelt – BigData. Und im Grunde sind das SpinOffs, die eben auch in der Landwirtschaft nutzbar werden",
sagt Bernhard Forstner vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig. Der Agrar-Ingenieur hat sich auf Agrar- und Unternehmensstrukturen spezialisiert.
"Ich vermute, dass der Strukturwandel sich durch diese Techniken beschleunigen wird. Es wird auch andere Entwicklungen geben, dass es zu mehr Spezialisierungen kommt, das heißt, dass also Tätigkeiten ausgelagert werden. Ganz einfach, weil die Technik, die eingesetzt wird, sehr kapitalintensiv ist und natürlich auch ein hohes Maß an Fachwissen für eine ordentliche Nutzung erfordert. Von daher gehe ich davon aus, dass die Betriebe stärker wachsen werden als in der Vergangenheit, aber auch dieses hängt wieder davon ab, wie eben die Rahmenbedingungen sein werden. Stichwort: Regulierung und Förderung."
Landwirtschaftliche Betriebe sind infolge teurer Landmaschinen heute schon extrem kapitalintensive Unternehmen. BigData wird diese Entwicklung weiter befeuern, denn Sensortechnik, Elektronik und Software ermöglichen noch größere und leistungsstärkere Maschinen. Für die Kleinen der Branche könnte es eng werden, befürchten Experten. Soll heißen: das Höfesterben – seit Jahrzehnten ein schleichender Prozesse in Deutschland – könnte weitergehen, in Zukunft möglicherweise sogar schneller als zuvor.

Beschleunigt Smart Farming das Artensterben?

Und die Folgen für die Umwelt? Hier scheiden sich die Geister. Umweltschützer wie Konrad Thye aus Hannover befürchten Schlimmes:
"Also, wir haben ja in manchen Großstädten eine höhere Artenvielfalt inzwischen als in der sie umgebenden, freien Agrarlandschaft. Mittlerweile ist die Agrarlandschaft lebensfeindlich geworden durch die Monokulturen: Mais, Raps, rasch aufwachsende Rohstoffe, Energiepflanzen – wir kennen das. Und selbst die Feldwege, die ja auch mit ihren Rändern irgendwo noch Lebensraum bieten, werden immer breiter, die Maschinen immer größer, immer schwerer. Die Feldwege müssen befestigt, asphaltiert werden. Selbst die fallen weg. Und auch Büsche, Hecken, es wird ja alles weggerodet."
Nicht alle Experten teilen diese Ansicht. Vor allem nicht jene Wissenschaftler, die für "Smart Farming" forschen: Weniger Düngemittel, weniger Gift, dafür mehr Umweltschutz. Zum Beispiel durch Ackerdrohnen.
"Das ist ein Hexakopter, und der ist dazu gemacht, dass wir spezielle Kugeln ausbringen können, die den Maiszünsler bekämpfen, rein biologische Maiszünslerbekämpfung aus der Luft",
sagt Dr. Axel Weckschmied aus Dresden, der bundesweit Flugdienstleistungen anbietet. Gerade fallen wieder weiße Kügelchen aus der autonom fliegenden Drohne.
"Und jetzt, er lässt alle zehn Meter eine Kugel fallen und versetzt die Bahnen um zehn Meter, kommt zurück und wirft wieder ab. So, und dass muss er am Tage 14 Stunden lang machen, damit wir auf 50 bis 80 Hektar pro Tag kommen. Das heißt, der Kopter muss relativ strapazierbar sein, und die Auswurfvorrichtung muss relativ sicher sein."
Pestizide sind teuer, sie schmälern das Betriebsergebnis. Außerdem vergiften sie den Boden. Beim Maiszünsler indes gibt es ein natürliches Gegenmittel: Schlupfwespen. Bislang werden die Eier der Wespen als Biozid mit hoch aufgeständerten "Stelzentraktoren" im Maisfeld verteilt. Doch die Spezialmaschinen sind teuer. Außerdem machen die Räder viele Pflanzen platt und komprimieren den Boden. Mit Ackerdrohnen, GPS-gesteuert über dem Feld, ist die Schädlingsbekämpfung einfacher, preiswerter und umweltschonender, wirbt Axel Weckschmied.
Ortswechsel. Wir sind in Braunschweig. Mit einem Minitransporter geht es raus auf's Feld. Auch im Julius Kühn-Institut für Pflanzenschutz und Ackerbau spielen Ackerdrohnen eine wichtige Rolle – als fliegender Forschungsgegenstand.
Dominik Feistkorn: "Ja, die Drohne fliegt jetzt zum Startpunkt, fliegt dann die Fläche ab, die wir definiert haben und macht alle vier Sekunden ein Bild senkrecht nach unten. Wenn die Route abgeflogen ist, kommt die Drohne automatisch zurück und würde auch exakt an der Stelle landen, wo sie gestartet ist."

Drohne erkennt Unkräuter an ihrer Blätterform

Jedes Bild, das die Drohne vom Zuckerrübenfeld schießt, speichert auch die geografischen Koordinaten. Von den Pflanzen, die auf den Fotos zu sehen sind, ist die Position bekannt. Nach der Landung werden die Aufnahmen ausgelesen und von einem Analyseprogramm ausgewertet.
Grasartige Unkräuter erkennt die Software an ihren schmalen Blättern, die sich erheblich von den breiten Blättern der Zuckerrübe unterscheiden. Doch nicht immer ist die Unterscheidung so einfach, sagt Dr. Michael Pflanz. Wenn Unkraut und Nutzpflanze einander sehr ähnlichen sind, müssen andere Analyseverfahren her:
Pflanz: "Man kann sich gewisse Geometrien innerhalb eines Feldes anschauen – aufgrund der Aussaat. Eine Reihensaat erfolgt immer entlang eines bestimmten geometrischen Musters. Das kann man in der Bilderkennung berücksichtigen und damit die Kulturpflanze segmentieren aus dem Bild. Dann hätte man eine Unbekannte weniger. Man kann sich dann auf die Pflanzen konzentrieren, die zufällig verteilt um diese geometrische Anordnung liegen."
Noch sind viele Probleme zu lösen. Es würde sich lohnen. Die Idee dabei. Wenn die Koordinaten der Unkräuter bekannt sind, würde in einem zweiten Durchlauf eine sogenannte "Spritze" genau dorthin fahren und das Unkraut mit Pestiziden bekämpfen.
Bis heute werden Felder immer noch komplett besprüht- egal, wo das Unkraut steht. Wenn Pflanzenschutzmittel in Zukunft nur noch gezielt gesprüht werden, erhoffen sich Wissenschaftler wie Dr. Henning Nordmeyer vom Julius Kühn Institut erhebliche Einsparungen – auch wirtschaftlich gesehen. Das Interesse der Landwirte kommt dann von ganz allein.
Nordmeyer: "Die Landwirtschaft ist natürlich grundsätzlich sehr daran interessiert, Spritzmittel – in diesem Falle Herbizide – einzusparen, um letztlich ökonomische Vorteile daraus zu ziehen. Also meine Prognose dazu ist, dass die innovative Technik, seien es nun Roboter oder seien es Flugdrohnen, die Informationen liefern, zunehmend Eingang in die Landwirtschaft finden werden, einfach um weitere Informationen über Kulturpflanzenbestände zu schaffen, die man dann nutzen kann für bestimmte Maßnahmen. Also in diesem Fall bei uns wären es eben Pflanzenschutzmaßnahmen."
Regen prasselt auf das Garagendach des Instituts. Kein guter Tag für einen elektronisch hochgerüsteten Feldroboter, gesteht Prof. Arno Ruckelshausen.

Der Roboter der durch die Felder zieht

Die Hochschule Osnabrück gilt als ein Zentrum für Agrarroboter.
"Die Robustheit der Systeme ist tatsächlich ein wesentlicher Knackpunkt. Es ist nicht schlimm, wenn die Sonne mal scheint. Nur, wenn sie mal scheint und mal nicht scheint. Wenn es mal regnet und mal nicht regnet."
Heute bekommt "Bonirob" eine Plastikplane übergestülpt - gegen den Regen. Bonirob ist ein Feldroboter: 700 Kilo auf vier Rädern, aufgeständert, einer hochbeinigen Spinne nicht unähnlich. In der Mitte hat das autonome Gefährt eine Aussparung, in die verschiedene Geräte eingehängt werden können. Zum Beispiel ein System zur Erkennung von Unkräutern, das Wolfram Strothmann entwickelte.
"Es geht darum, die Daten praktisch auch online zu verarbeiten, das heißt, dass wir auch nach der Auswertung direkt im Anschluss daran eine Aktion durchführen können und ein Aktor sofort an der entsprechenden Stelle, wo sich das Beikraut, das wir uns nicht wünschen, befindet, entsprechend eine Aktion durchführen kann, das Beikraut vernichten kann."
Heute liegen Erntehelfer bäuchlings auf sogenannten "Jätefliegern" und zupfen das Unkraut von Hand. Ökobetriebe haben da keine Wahl, denn Pestizide sind bekanntlich verboten. Bonirob könnte eines Tages helfen, die Unkräuter ohne Chemie, aber auch ohne Menschen zu bekämpfen. Mehr noch: Der Feldroboter analysiert auch den Boden, bestimmt die Bodendichte quasi im Vorbeifahren und pflügen kann er auch noch, ergänzt Christian Scholz.
"Im Moment wird eigentlich schlageinheitlich gepflügt. Das bedeutet, ich stelle den Pflug eine Tiefe ein und bearbeite das Feld durchgängig in einer Tiefe. Das muss gar nicht so sein. Wenn ich Informationen habe, wo die Bodendichte vielleicht stärker ist, und wo sie lockerer ist, da kann ich dann auch den Pflug anpassen. Ich kann tiefer pflügen, ich kann höher pflügen, ich kann gar nicht pflügen und generiere eine dynamische Bewirtschaftung und kann dadurch Ressourcen sparen: Treibstoff, auch Zeit, und das wollen wir damit zeigen.
"Landwirtschaft 4.0" wird die Agrarbetriebe verändern – keine Frage. Zweifellos hin zu riesigen, selbstfahrenden Maschinen, die kein Mensch mehr von Hand steuern könnte. Doch auch die kleinen ökologisch orientierten Betriebe könnten durch den Einsatz von Feldrobotern und Drohnen neuen Aufwind bekommen. Durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel sind Ökobetriebe sehr personalintensiv – die Produkte entsprechend teuer.

Roboter als Traktoren der Zukunft?

Mit kleinen Robotern, die das Feld bestellen, Unkraut mechanisch jäten und die Ernte einfahren, würden auch diese Betriebe mit nur wenigen Hektar Anbaufläche profitieren, meint Robotik-Entwickler Arno Ruckelshausen aus Osnabrück und schaut dabei auch auf Länder außerhalb Europas.
"Wir können auch auf kleinen Feldern diese Roboter einsetzen. Ich habe also auch schon Gespräche mit Chinesen geführt, mit Afrikanern. Da finde ich eine extreme Aufgeschlossenheit. Wenn diese Roboter klein, intelligent und kostengünstig sind, dann sind das natürlich die Traktoren der Zukunft für Afrika. Da sage ich, ach, es ist vielleicht nicht unbedingt etwas, was zuerst in ‚China kommt. Da sagen die, nein, das ist ja gerade super, dann würden wir vielleicht die Landflucht ein bisschen reduzieren, indem da tolle Technik auf dem Land ist, kommen da vielleicht wieder welche zurück. Ich sehe es nicht unbedingt so, dass der Trend unbedingt zu großen Unternehmen durch diese Robotik unterstützt wird, sondern ich sehe gerade die Potentiale – mittelfristig – dass auch kleinere, landwirtschaftliche Bereiche diese Technologie nutzen können."
Noch steckt die Technologie in den Kinderschuhen. Die Roboter müssen erst feldtauglich werden, Drohnen die Unkräuter fehlerfrei aufspüren, und auch die Daten selbst sind noch ein Problem. Viele der Daten können bei der Wartung der Landmaschinen ausgelesen werden, sie landen beim Hersteller der Fahrzeuge oder bei Dienstleistern, die sich um die Aufbereitung kümmern. Dr. Christian Halm, Fachanwalt für Agrarrecht, sieht da erheblichen Handlungsbedarf:
"Wer hat Interesse an den Daten: Der Landwirt, der Lohnunternehmer, der Maschinenhändler, der Maschinenring. Der Landhandel, die Politik, die Wirtschaft. Der Anbieter der Cloud. Also eine Vielzahl von Interessen. Welche Rolle hat der Landwirt selbst. Er ist Maschinenbediener, Maschineneigentümer, Instandhalter der Maschine. Grundstückseigentümer: Stellen Sie sich vor, ihr Grundstückseigentümer weiß, was Sie ernten. Sagt, super, letztes Jahr war eine gute Ernte, ich habe kurz nachgeschaut, sie haben so und soviel verdient auf meiner Fläche, ich erhöhe jetzt mal die Pacht, ansonsten kündige ich Dir den Vertrag."
Durch die Auswertung der landwirtschaftlichen Daten könnten Dritte problemlos die Werthaltigkeit der landwirtschaftlichen Flächen erkennen. Nach dem aktuellen Bundesdatenschutzgesetz sind gleichwohl nur personenbezogene Daten geschützt. Nicht aber betriebliche. Kurzum: Die Datenhoheit der Landwirte ist alles andere als sichergestellt. Fachanwalt Christian Halm.
"Welchen Einfluss hat der Landwirt, wenn der Landmaschinenhändler oder der Programmierer die Daten einfach ohne Zustimmung sendet? Überhaupt keine. Was soll der vorher denn sagen? Der bestellt den Lohnunternehmer und der erntet und die Daten werden automatisch weiter gegeben, ohne dass er einen Einfluss hat. Selbst wenn er Einfluss hätte, hätte er auch keinen Einfluss. Was soll er denn sagen: Nein, ich will das nicht? Der Lohnunternehmer wird sagen, ich kann gar nichts dafür. Das ist ja auf der Maschine drauf. Der kann es ja nicht ausstöpseln. Denken Sie an Facebook. Jeder muss den Datenschutzbestimmungen von Facebook zustimmen. Und wenn er es nicht macht, ist er bei Facebook draußen. Insofern ist es problematisch. Man muss mit der Zeit insoweit mitgehen."

Landwirt kann Datenverwendung kaum kontrollieren

Mangelnde Datensicherheit auch beim Anbieter der Cloud. Dienstleister sind nach geltendem Recht nur verpflichtet, die Daten im Rahmen eines Auftrags zu nutzen – zum Beispiel eine Ernteprognose aus den Satellitendaten zu erstellen. Eine Kontrolle, was darüber hinaus mit den aufbereiteten Daten geschieht, ist für den Landwirt kaum möglich. Was bleibt, so der Fachanwalt für Agrarrecht, ist die Hoffnung auf einen besseren Datenschutz in Zukunft. Das EU-Parlament berät zurzeit eine Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.
Landwirtschaftliche Daten wie zum Beispiel flächenbezogene Ernteerträge dürfen demnach ohne Zustimmung des Bauern, dem diese Daten gehören, nicht weiter gegeben werden, weil sie unter das Geschäftsgeheimnis fallen. Für das Smart Farming sind nicht nur technologisch, sondern auch politisch und juristisch noch viele Hürden zu nehmen, um Vertrauen in die neue Technik auf dem Acker herzustellen.
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