Smarte Chirurgie
Die Wissenschaftsdisziplin Adaptronik untersucht und verwendet intelligente Werkstoffe, die sich an veränderte Bedingungen anpassen können. Die sogenannten "Smart Materials" sind etwa in der Lage, die Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und Assistenz-Robotern zu verbessern.
Piezowerkstoffe arbeiten nach einem einfachen physikalischen Prinzip: Die in ihnen enthaltenen Quarzkristalle geben elektrische Energie ab, sobald mechanische Kräfte auf sie einwirken. Auf diese Weise funktioniert etwa die Zündung beim Feuerzeug, das ebenfalls Piezokristalle enthält. Dieser Piezoeffekt funktioniert aber auch in umgekehrter Richtung. Erhalten die Piezokristalle also einen elektrischen Impuls von außen, verändern sie ihre Form und können so äußeren Kräften entgegen wirken. Die Piezokristalle arbeiten also gleichzeitig als Sensor wie auch als Aktor. Das Wirkprinzip lasse sich durchaus mit einem Beispiel aus der Natur vergleichen, sagt Uwe Keitel von der Fraunhofer-Allianz Adaptronik:
"Wenn man es mit einem Muskel vergleicht: Der Muskel bekommt ja auch einen Nervenimpuls, die Piezokeramik bekommt ein Spannungssignal und dehnt sich dann aus. Das ist erst mal gleich. Der Unterschied liegt im Weg, also der Muskel kann viel Weg machen, einen Zentimeter oder so. Der Piezo kann nur ganz minimale Bewegungen, unterhalb eines Millimeters. Ein anderer Unterschied ist die Kraft: Der Piezo kann das Zehn- oder Zwanzigfache oder viel mehr. Würde man einen Piezo-Aktor bauen, der genauso dick ist wie ein Muskel, dann könnte man damit einen ganzen Eisenbahnwaggon anheben."
Auch in der Medizintechnik sind Piezowerkstoffe auf dem Vormarsch, etwa bei der exakten Datenübertragung zwischen Chirurg und OP-Robotern. Solche Assistenz-Roboter unterstützen seit einigen Jahren schon Ärzte bei schwierigen Operationen, vor allem bei minimal invasiven Eingriffen.
Der Chirurg sitzt dabei vor einem Monitor, auf den ein dreidimensionales Bild des zu operierenden Organs übertragen wird. Die Roboterarme steuert der Operateur mit zwei joystickartigen Hebeln, die sensibel auf jeden Befehl reagieren. Ein wesentlicher Vorteil der Technik: Ein Zittern der Hände gleicht der Roboter automatisch aus.
Was der Arzt jedoch nicht mehr selbst spürt, ist die tatsächliche Kraft, mit der der Roboter zu Werke geht: wie stark etwa mit einem OP-Werkzeug auf Knochen oder Gewebe gedrückt wird. Fühlen, was quasi der Roboter fühlt – Experten sprechen auch von taktilem oder haptischem Feedback. An entsprechenden medizintechnischen Systemen arbeitet ein Wissenschaftlerteam der belgischen Universität Leuven, dem auch der Produktionstechniker Emmanel Vander Poorten angehört:
"Taktiles Feedback bedeutet: Wir können gewissermaßen das, was ein Roboter, eine Maschine stellvertretend für uns berührt, haptisch erfassen. Durch bestimmte Sensoren und Aktoren bekommen wir dabei eine taktile Rückmeldung zum Beispiel in unseren Joystick. Die Grundidee dabei ist: Der Mensch ist einfach gewöhnt daran, Dinge zu berühren und dadurch zu verstehen."
Die belgischen Forscher haben hierfür einen Operationsroboter mit Piezokeramiken ausgestattet. Die registrieren als Sensor zunächst alle Bewegungen und Kräfte am Operationsfeld und übertragen diese Daten quasi in Echtzeit an den OP-Joystick. Auch im Joystick sind Piezowerkstoffe verbaut, die jetzt allerdings die Rolle eines Aktors übernehmen. Das heißt, sie verändern entsprechend den Sensor-Signalen ihre Form. Dadurch fühlt der Chirurg quasi Eins zu Eins, mit welcher Kraft der Roboter zum Beispiel ein Skalpell für einen Schnitt ansetzt.
In drei Jahren wollen die Forscher soweit sein, dass die Technik im OP-Saal zum Einsatz kommt. So lange wird es auch noch dauern, bis Piezowerkstoffe in der Hörgerätetechnik zum Einsatz kommen. Experten der Technischen Universität Ilmenau entwickeln zurzeit ein spezielles "Knochenleitungshörgerät" für Menschen, die an einer Schwerhörigkeit des Mittelohres leiden. Diese Patienten hören zwar die eigene Stimme gut, Geräusche und Stimmen von außen aber schlecht oder gar nicht. Ihnen fehlen bestimmte Hörknöchelchen, die den Schall von außen ins Ohr transportieren. Bislang müssen Mittelohrschwerhörige auf elektromagnetische Hörgeräte zurückgreifen, die von außen am Ohr angebracht werden. Das werde häufig als störend empfunden, erklärt Maria Gadyuchko von der TU Ilmenau:
"Bei uns geht es um einen Piezo-Aktor, der im Ohr in den Gehörgang eingesetzt wird, und da wird der Piezo-Effekt genutzt. An die Keramik wird eine elektrische Spannung angelegt, und der Aktor dehnt sich von selbst, ändert sein Volumen."
Mit dem Effekt, dass Schall von außen transportiert wird und der Patient wieder hört. Probleme bereitet den Ingenieuren dabei noch die Fixierung und genaue Positionierung des Piezo-Aktors im Ohr. Bis die "smart materials" in der Hörgerätetechnik oder im OP-Saal serienmäßig zum Einsatz kommen, wird es nach Aussagen der Forscher noch mindestens drei bis vier Jahre dauern.
"Wenn man es mit einem Muskel vergleicht: Der Muskel bekommt ja auch einen Nervenimpuls, die Piezokeramik bekommt ein Spannungssignal und dehnt sich dann aus. Das ist erst mal gleich. Der Unterschied liegt im Weg, also der Muskel kann viel Weg machen, einen Zentimeter oder so. Der Piezo kann nur ganz minimale Bewegungen, unterhalb eines Millimeters. Ein anderer Unterschied ist die Kraft: Der Piezo kann das Zehn- oder Zwanzigfache oder viel mehr. Würde man einen Piezo-Aktor bauen, der genauso dick ist wie ein Muskel, dann könnte man damit einen ganzen Eisenbahnwaggon anheben."
Auch in der Medizintechnik sind Piezowerkstoffe auf dem Vormarsch, etwa bei der exakten Datenübertragung zwischen Chirurg und OP-Robotern. Solche Assistenz-Roboter unterstützen seit einigen Jahren schon Ärzte bei schwierigen Operationen, vor allem bei minimal invasiven Eingriffen.
Der Chirurg sitzt dabei vor einem Monitor, auf den ein dreidimensionales Bild des zu operierenden Organs übertragen wird. Die Roboterarme steuert der Operateur mit zwei joystickartigen Hebeln, die sensibel auf jeden Befehl reagieren. Ein wesentlicher Vorteil der Technik: Ein Zittern der Hände gleicht der Roboter automatisch aus.
Was der Arzt jedoch nicht mehr selbst spürt, ist die tatsächliche Kraft, mit der der Roboter zu Werke geht: wie stark etwa mit einem OP-Werkzeug auf Knochen oder Gewebe gedrückt wird. Fühlen, was quasi der Roboter fühlt – Experten sprechen auch von taktilem oder haptischem Feedback. An entsprechenden medizintechnischen Systemen arbeitet ein Wissenschaftlerteam der belgischen Universität Leuven, dem auch der Produktionstechniker Emmanel Vander Poorten angehört:
"Taktiles Feedback bedeutet: Wir können gewissermaßen das, was ein Roboter, eine Maschine stellvertretend für uns berührt, haptisch erfassen. Durch bestimmte Sensoren und Aktoren bekommen wir dabei eine taktile Rückmeldung zum Beispiel in unseren Joystick. Die Grundidee dabei ist: Der Mensch ist einfach gewöhnt daran, Dinge zu berühren und dadurch zu verstehen."
Die belgischen Forscher haben hierfür einen Operationsroboter mit Piezokeramiken ausgestattet. Die registrieren als Sensor zunächst alle Bewegungen und Kräfte am Operationsfeld und übertragen diese Daten quasi in Echtzeit an den OP-Joystick. Auch im Joystick sind Piezowerkstoffe verbaut, die jetzt allerdings die Rolle eines Aktors übernehmen. Das heißt, sie verändern entsprechend den Sensor-Signalen ihre Form. Dadurch fühlt der Chirurg quasi Eins zu Eins, mit welcher Kraft der Roboter zum Beispiel ein Skalpell für einen Schnitt ansetzt.
In drei Jahren wollen die Forscher soweit sein, dass die Technik im OP-Saal zum Einsatz kommt. So lange wird es auch noch dauern, bis Piezowerkstoffe in der Hörgerätetechnik zum Einsatz kommen. Experten der Technischen Universität Ilmenau entwickeln zurzeit ein spezielles "Knochenleitungshörgerät" für Menschen, die an einer Schwerhörigkeit des Mittelohres leiden. Diese Patienten hören zwar die eigene Stimme gut, Geräusche und Stimmen von außen aber schlecht oder gar nicht. Ihnen fehlen bestimmte Hörknöchelchen, die den Schall von außen ins Ohr transportieren. Bislang müssen Mittelohrschwerhörige auf elektromagnetische Hörgeräte zurückgreifen, die von außen am Ohr angebracht werden. Das werde häufig als störend empfunden, erklärt Maria Gadyuchko von der TU Ilmenau:
"Bei uns geht es um einen Piezo-Aktor, der im Ohr in den Gehörgang eingesetzt wird, und da wird der Piezo-Effekt genutzt. An die Keramik wird eine elektrische Spannung angelegt, und der Aktor dehnt sich von selbst, ändert sein Volumen."
Mit dem Effekt, dass Schall von außen transportiert wird und der Patient wieder hört. Probleme bereitet den Ingenieuren dabei noch die Fixierung und genaue Positionierung des Piezo-Aktors im Ohr. Bis die "smart materials" in der Hörgerätetechnik oder im OP-Saal serienmäßig zum Einsatz kommen, wird es nach Aussagen der Forscher noch mindestens drei bis vier Jahre dauern.