Eine neue olfaktorische Kunst
Immer wieder wurde in der Kunst davon geträumt, Geruch nutzbar zu machen. Der Künstler Wolfgang Georgsdorf hat eine Maschine namens "Smeller" gebaut, die mit Duft Geschichten erzählen kann.
In der Küche von Wolfgang Georgsdorf riecht es - gemütlich. Viele mit Kräuternamen beschriftete Behälter stehen im Regal, auf der Heizung trocknen zwei kleine braune Pilze.
Autorin: "Was machst du dir da zum Frühstück – Fisch?"
Georgsdorf: "Ja, Sprotten."
Autorin: "Sprotten?"
Georgsdorf: "Die riechen auch gut."
Autorin: "Hmm, ganz geräuchert - na, das ist ja ein Frühstück!"
Georgsdorf: "Das is'n Frühstück..."
Georgsdorf: "Ja, Sprotten."
Autorin: "Sprotten?"
Georgsdorf: "Die riechen auch gut."
Autorin: "Hmm, ganz geräuchert - na, das ist ja ein Frühstück!"
Georgsdorf: "Das is'n Frühstück..."
Wolfgang Georgsdorf ist Künstler, Erfinder und Geruchsmensch.
"Die Sinne, die nicht zu den Hauptsinnen gehören, und die Sprachen, die nicht zu den Hauptsprachen gehören, haben mir immer am meisten bedeutet, weil sie Unbekanntes stärker in mir aufgerufen haben."
Aufgewachsen in Österreich in einer, wie er sagt: hypochondrischen Familie, erlebt er die ersten Jahre bei seinen Großeltern in großer Freiheit und darf mit faszinierenden Dingen spielen:
"Das begann, glaub ich, mit gefühlten vier Jahren meines Alters, und ich hatte dann bald einen ganz schönen Kasten von abgelaufenen Medikamenten in meiner Sammlung von Spielzeug. Und was meine Großmutter und mein Großvater gesagt haben, ist: 'Wir geben dir diese Sachen aber tu eines nie: iss es nicht, trink sie nicht, nimm es nicht in den Mund, das darfst du nicht.' – Aber was ich durfte, war riechen. Und ich hatte bald einen großen Baukasten mit verschiedenen Fläschchen, die ich öffnen und schließen konnte und deren Geheimnis mir sich nur über den Geruch erschlossen hat."
"Geruch geht ins Unterbewusstsein"
Vielleicht war das ein Schlüsselerlebnis, denn seitdem beschäftigt die geruchliche Seite der Welt Georgsdorf immer wieder. Die Art und Weise wie Gerüche im Gedächtnis gespeichert werden, besonders wenn sie mit starken Emotionen einhergingen, fasziniert ihn. Genauso, die Tatsache, dass eine Erinnerung in großer Klarheit, allein durch einen Dufteindruck wieder lebendig werden kann.
"Beim Geruch ist es eine besondere Sache noch weil es ins Unterbewusstsein so rein geht, weil die Querverbindungen zwischen Geruch und dem Unbewussten stärker noch deutlich stärker zu sein scheinen wie zwischen dem Hören und dem Unbewussten oder dem Sehen und dem Unbewussten."
Viele Jahre nach seinem Erlebnis mit den Medikamentenfläschchen baut er deshalb eine riesige Maschine und gestaltet einen eigenen Raum um sie herum. Hier soll flüchtige Welt der Gerüche erfahrbar werden. Smeller nennt er sie.
Monatelange Tüftelei und die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Ingenieuren, Designer und Parfümeuren führen dazu, dass er sie erstmals 2012 für drei Monate in Linz im Zentrum für Gegenwartskunst vorstellen kann. Seitdem arbeitet Georgsdorf fieberhaft daran den Smeller auch in Berlin installieren zu können. Für 2016 plant er ein eigenes Festival dafür im Radialsystem, aber die Größe und Komplexität des Smellers machen es nicht einfach, die nötigen Mittel dafür zusammenzutragen.
Ventile ploppen.
Das ist das Geräusch der ploppenden Ventile, die die Gerüche in den Smeller-Raum, ins Olfaktorium entlassen. Wenn man den Raum betritt, sieht man eine von tausenden Löchern durchbrochene Wand in deren Mitte sich eine Rosette aus Rohrmündungen befindet. Georgsdorf nennt sie das Hauchmaul. Aus diesem Hauchmaul strömen die Gerüche in den ansonsten leeren Raum und das was man dann erlebt, spielt sich ungefähr so ab:
"Ich kann in diesem Raum in völliger Stille und Dunkelheit große Bilder in mir erleben, während ich einfach nur atme - indem ich Gerüche aufnehme, einatme, rieche, die ich entweder schon mal gerochen habe oder nur glaube, sie schon einmal gerochen zu haben. Und ich kann in eine bestimmte Stimmung kommen nur durch die Abfolge von Gerüchen - dadurch dasd ich Leder rieche und dann Fisch und dann Rose und dann einen alten Bücherschrank und nicht in der umgekehrten Reihenfolge."
Ein geruchlicher "Malkasten"
Die Düfte werden natürlich nicht wahllos eingestreut, sondern der Smeller funktioniert im Grunde wie ein Instrument. Die Gerüche oder Geruchskomponenten können einzeln angesteuert und ähnlich wie Noten zu komplexen Sequenzen zusammengestellt und freigesetzt werden. Synolfien oder Synosmien nennt Georgsdorf das Ergebnis dieser Kompositionen.
Damit es im Raum nicht zu ungewollten Vermischungen oder Ablagerungen kommt, wird er permanent mit verwirbelungsfreier Frischluft versorgt.
"Das heißt, in so einem Smeller-Raum, der 20 Meter lang ist, dann werden ungefähr 43.000 Kubikmeter Luft pro Stunde umgesetzt. In anderen Worten: Alle 90 Sekunden wird die Luft in diesem Raum komplett ausgetauscht."
Ein geruchlicher "Malkasten" auf der Basis von 64 Gerüchen und Geruchskomponenten steht dem Smeller zur Verfügung. Von nasser Hund über brackige Pfütze bis zu Raubtierkäfig - unzählige Mischungen lassen sich so erzeugen. Für Wolfgang Georgsdorf ist der Smeller aber mehr als eine Maschine, die man zum präzisen funktionieren gebracht hat.
Es geht ihm nicht allein darum, die Technologie zu feiern oder die Besucher, die Zuriecher, zum Staunen und Erinnern zu bringen, sondern er sieht ihn als Vehikel für eine neue olfaktorische Kunst, die er Osmodrama nennt. Storytelling with Scents - Geschichtenerzählen mit Duft. Was sich mit dieser Kunst erleben lassen wird, ist noch offen. Letztlich geht es vor allem darum, unserem Geruchssinn größere Aufmerksamkeit zu schenken und im besten Fall auch mit Gerüchen eine eigene Sprache zu entwickeln.
"Und das fasziniert mich auch daran so, dass wir da in einem Bereich hineingehen, in dem wir sensorisch endlich mal wieder was erleben, was wir nicht sofort zuordnen, nicht sofort abmarken, kartieren können, wo wir noch wirklich schwimmen - in einer Sphäre des Neuen und Unbekannte und Tastenden. Wo wir noch was rausfinden können und müssen. Und zwar im großen Stil!"