Smoove & Turrell: "Mount Pleasant"
Japaleno Records 2018
Die Working Class Heroes des Northern Soul
Smoove & Turrell gehören seit Jahren zur Speerspitze der Northern Soul-Szene. Dabei ist ihr Sound auch von Jazz, Funk und Hip-Hop beeinflusst. Auf ihrem neuen Album "Mount Pleasant" besingen sie vor allem ihre Kindheit in einem Arbeiterviertel im Nordosten Englands.
"Wir werden als Northern Soul einsortiert - ein Kompliment, aber wir wollten das große Erbe nie beanspruchen. Wir sind nur eine Band, die Musik mit Soul und eigenem Ansatz macht. Deshalb nennen wir es Northern Funk."
Jonathan Scott Watson, genannt Smoove, 47, DJ, Sample-Freak, Produzent. Seine Sounds entstammen vielen Strömungen, vor allem dem Northern Soul – der Musikbewegung, die Ende der 1960er-Jahre aus der Leidenschaft britischer Mods für alte US-amerikanische Soul-Musik entstanden ist und die die Musik- und Clubszene Englands seitdem nachhaltig beeinflusste.
Smoove & Turrell gehören als Band seit Jahren zur Speerspitze der Northern Soul-Szene. Auch wenn sie mit ihren Funk-, Jazz- und HipHop-Einflüssen mehr als nur Soul machen. Begonnen haben sie 2007 in ihrer Heimat im Nordosten Englands als Duo: Smoove zusammen mit Sänger und Texter John Turrell.
"Das neue Album ist nach der Arbeitergegend benannt, wo John aufgewachsen ist. Es geht auf 'Mount Pleasant' also um Respekt für seine Heimat, den Vorort Deckham. Deshalb gibt’s auf dem Album den 'Deckham love song'."
Musik wie ein Foto aus den 70ern
Sänger John Turrell blickt mit sehnsuchtsschmachtender Sahnemeerrettich-Stimme zurück auf seine Kindheit - wie auf ein vergilbtes Foto aus den 1970ern. Wo man die eigene Armut nicht spürt, wenn es den Nachbarskindern genauso geht.
Er kommt wie die anderen Musiker aus der Gegend um Gateshead zwischen Newcastle und Sunderland. Kohle, Stahl und Werften gab es hier einst – auch nach dem Niedergang sitzen alle im gleichen Boot. Smoove & Turrell - die Working Class Heroes des Northern Soul und Funk.
"Diese Arbeiterklassen-Mentalität steckt in uns. Wir behalten die Füße auf dem Boden. Uns sagen Leute immer wieder: Ihr klingt wie geerdete Menschen und seid auch so. Es hilft dabei, hier in Englands Nordosten zu leben. Und das reflektieren wir in einigen Songs."
"Subversiv, aber nicht direkt ins Gesicht"
Auch in "Small town", der Ode an die herunter-gekommene Kleinstadt als Synonym für den Niedergang des britischen Imperiums, von dem viele glauben, ihn mit dem Brexit aufhalten zu können.
"Wir denken ziemlich auf Labour-Art. Generell wählen die Menschen im Norden Englands ja meist die Labour Party und im Süden die Konservativen. Wir interessieren uns für Politik, wollen aber keine zu direkten Botschaften in unserer Musik haben. Subversiv, aber nicht direkt ins Gesicht."
Nur einmal werden Smoove & Turrell auf dem neuen Album ganz deutlich: Im Song "Hate seeking missile" geht es um die hassgetriebenen Geschosse, die die junge Labour-Abgeordnete Jo Cox im Brexit-Wahlkampf ermordet und schon zuvor das politische Klima vergiftet haben.
Ansonsten ist "Mount Pleasant" ein vergleichsweise handzahmes Album, das im besten Sinne unterhalten und Hüften wackeln lassen will. Unter den fünf der Band aus neun Jahren nicht das Allerbeste. Aber mit einigen schönen Songs – und immer treu zu ihrer geografischen und politischen Herkunft. Was würde Smoove also als Premierminister angehen?
"Ich würde Dinge gerechter gestalten. Dass die Reichen nicht immer reicher werden. Oder: Der nationale Gesundheitsdienst wird so schlecht gefördert, dass er zusammenbricht. Wenn man da arbeitet wie meine Schwester, kennt man die Misere, wie bei den Schulen. Meine Frau ist Lehrerin. Und wenn’s in der Bildung nicht läuft, dann bei den Menschen auch nicht."