Snowden-Anwalt

Mutiger Verteidiger der Menschenrechte

Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) posiert im Rahmen einer Pressekonferenz zur strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen für Folter in Guantanamo am 27.06.2013 in Berlin.
Der Anwalt Wolfgang Kaleck © dpa/picture-alliance/Jörg Carstensen
Von Eberhard Schade |
Wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte geht, ist Wolgang Kaleck in seinem Element. Der Anwalt ist international vernetzt und strengte u.a. einen Strafprozess gegen Donald Rumsfeld an. Jetzt verteidigt er den Whistleblower Edward Snowden. Für sein Engagement erhält der Anwalt den Hermann-Kesten-Preis des deutschen PEN-Zentrums.
Wolfgang Kaleck: "I am a little bit exhausted at the moment I have to admit, because it is a little bit too much what we are doing at the moment ..."
Der Mann ist erschöpft. Gestern ein Event gegen den Einsatz von Drohnen, zeitgleich Besuch von jungen palästinensischen Kollegen. Und nun ist Wolfgang Kaleck auch noch Gastgeber von acht Anwältinnen, die aus der ganzen Welt ins Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, dem ECCHR nach Berlin-Kreuzberg gekommen sind.
Sein kurzer Auftritt: unaufgeregt, zugewandt, uneitel. Das ist also der Mann, der juristisch gegen Diktaturen auf der ganzen Welt kämpft, sich jahrelang an Politgrößen wie Donald Rumsfeld oder George W. Bush abgearbeitet hat und nun den Whistleblower Edward Snowden juristisch vertritt.
Eine Woche später. Wieder in der großen Fabriketage. Das kahle Treppenhaus wäre die ideale Kulisse für ein Video der deutschen Kultband Einstürzende Neubauten, die der Anwalt so liebt.
Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR aber hat – bis auf seine wippende Haartolle vielleicht – so gar nichts gemein mit dem extrovertierten Frontmann Blixa Bargeld. Er trägt ein kariertes Hemd unter der Outdoor-Jacke, sieht noch immer müde aus. Sein Büro: nüchtern.
Von Pinochet zu Rumsfeld
Sich für Menschenrechte einsetzen, das machen doch so viele, sagt der 54-Jährige bescheiden. Er hätte sich lediglich früh dafür entschieden, international zu arbeiten. Menschenrechte mit juristischen Mitteln durchzusetzen, mithilfe des von ihm 2007 gegründeten ECCHR. Ende der 90er-Jahre spielt ihm der Aufbau der internationalen Strafjustiz in die Hände.
"Und genau in dem Augenblick waren wir in Deutschland mit der Koalition gegen Straflosigkeit für die argentinischen Diktaturopfer schon aufgestellt, und ich war schnell mittendrin und zwar mittendrin nicht nur in den Argentinienfällen, sondern auch in den internationalen Netzwerken."
Als 1998 in London Augusto Pinochet verhaftet wird, will Wolfgang Kaleck mehr. Den nächsten Schritt gehen – von Pinochet zu Rumsfeld.
Ihm den Prozess machen zu wollen, halten viele anfangs für einen PR-Gag. Der extrem gut vernetzte Jurist kniet sich rein, arbeitet ein Jahr lang mit Dutzenden von deutschen und US-Anwälten, Studenten und Professoren an einer 500 Seiten dicken Strafanzeige. Der damalige Generalbundesanwalt ermittelt zwar nicht – Wolfgang Kaleck aber hinterlässt Spuren innerhalb der Community - und nicht nur dort ...
"In dem Moment aber wo Rumsfeld selber sich getroffen fühlte, wo er gesagt hat ich komme nicht nach Deutschland, da wurde schon klar, die sind nicht nur genervt, sondern dass das einen realen Gehalt hat."
Offenes, politisches Elternhaus
Wolfgang Kaleck wächst in Jülich bei Aachen auf. Seine Eltern sind beide Flüchtlinge, seine Mutter aus dem rumänischen Siebenbürgen, sein Vater aus Königsberg, heute Kaliningrad. Ein junges, offenes, politisches Elternhaus.
"Wir haben da schon in der Familie drüber gesprochen und zwar nicht in revanchistischer Art und Weise, also Siebenbürgen ist unser, sondern dass es halt 'ne Folge des von den Deutschen angezettelten Krieges war und diese Haltung habe ich schon relativ früh mitbekommen."
Als "unabhängig links" hat er sich mal in einem Interview verortet, zu seinem politischen Fundament zählen vor allem Autoren der Weimarer Republik: Ernst Toller, Oskar Maria Graf, Brecht, Tucholsky – aber auch die Geschichten des Spanischen Bürgerkriegs.
Bücher frisst er in seiner freien Zeit wie Akten. Schon früher, als er sie noch ausleihen musste, in der Stadtbibliothek Jülich. Ein Buch inspiriert ihn so sehr, dass er nach Argentinien aufbricht: Bruce Chatwins "Patagonien".
"Und kurz darauf fing halt meine Arbeit auch zu Argentinien an ..."
Arbeit, die er lebt. Die ihn ständig umgibt und ausfüllt. Frau und Kinder hat Wolfgang Kaleck nicht.
"Ein Leben, was sehr reich ist"
Natürlich, sagt er, empfinde er eine gewisse Genugtuung, dass heute in Argentinien die Generäle und Polizeichefs von damals vor Gericht stehen. Es helfe gegen das Gefühl der Ohnmacht.
"Ich fühl mich deswegen privilegiert, weil ich die Möglichkeit habe, mich daran abzuarbeiten. Ich habe die Möglichkeit, dagegen was zu tun, weil ich mir die juristische, berufliche Qualifikation dafür angeeignet habe. Natürlich ist es anstrengend, muss ich Anderes dafür drangeben, aber im Grunde genommen ist es ein Leben, was sehr reich ist."
Und das auch dank Berlin. Hier lenken Konzerte, Ausstellungen, Freunde den robusten Rheinländer immer wieder ab, fangen ihn auf, wenn ihm ein Beweisvideo, eine Zeugenaussage zusetzt. Was nicht ausbleibt, wenn einer sich täglich mit Menschen beschäftigt, die misshandelt und gefoltert werden.
Was auch hilft: die Gesellschaft von acht mutigen Anwältinnen ...
"Alejandra is the director of our partner organization in Mexiko. And she received a very well known reward in Geneva."
Heute Abend bekommt er den Applaus. Und wird in Darmstadt mit dem Hermann Kesten Preis ausgezeichnet. Für sein beharrliches und unerschrockenes Engagement für die Opfer staatlicher Gewalt.
Mehr zum Thema