So klappt's mit dem Gottesdienst

Von Wolfram Nagel |
Bei jüdischen Gottesdiensten assistieren sogenannte Gabbaim dem Rabbiner. Sie sind für den ordentlichen Ablauf der Zeremonie verantwortlich. Für das notwendige Know-how sorgt ein Seminar, das die Allgemeine Rabbinerkonferenz und der Zentralrat der Juden anbieten.
Ursprünglich wollte Rabbiner Jona Simon nur ein lokales Seminar anbieten, innerhalb des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen. Ihm ging es darum, die Gabbaim für den Gottesdienst zu schulen. Deren Aufgabe bestehe nicht nur darin, die Gebetbücher zurecht zu legen. Sie müssten auch wissen, wie die Tora aus- und eingehoben wird oder wie der aktuelle Wochenabschnitt in der Torarolle zu finden ist. Außerdem verteilen Gabbaim die Aliot und rufen die Beter zur Tora auf. Oft sind es Kleinigkeiten, aber gerade die seien wichtig für ein gutes Gemeindeleben, sagt Jona Simon.

"Der Gabbai sollte wissen, wer von den Aufgerufenen hatte Geburtstag oder wer in der Gemeinde begeht den Jahrestag des Todes eines Verwandten, der sollte auch aufgerufen werden. Das sind alles Dinge, die der Gabbai beherrschen sollte. Er hat viel Organisatorisches zu tun und natürlich auch Praktisches, indem er diese Segenssprüche sagen kann oder sogar in der richtigen Melodie singen kann."

Im besten Fall sollten die Gabbaim auch den hebräischen Tora-Text beherrschen, um den Chasan beim Mitlesen auf Fehler aufmerksam machen zu können. Das aber ist ein hoher Anspruch, den viele Gabbaim nur recht und schlecht erfüllen, sagt Jona Simon. Im Gespräch mit Kollegen habe sich herausgestellt, dass viele Gemeinden das gleiche Problem hätten.

"Und darauf sagte mir der stellvertretende Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, wir bieten das an als Rabbinerkonferenz in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat und zwar für ganz Deutschland."

Erfurt bot sich als idealer Ort für ein solches Seminar an. Die Stadt liegt zentral, gut erreichbar von Berlin, München, Frankfurt oder Oldenburg. Vor allem aber besitzt die Erfurter Gemeinde zwei Beträume in der 1952 geweihten Synagoge.

Rabbiner Konstantin Pal: "Wir haben zwei Toraschreine, zwei Plätze, wo man die Tora lesen kann, also man kann sich in zwei Gruppen aufteilen, man kann auch üben, bei 25 Teilnehmern, wenn man die Leute aufteilt in zwei Gruppen geht das viel schneller, die lernen einfach viel schneller."

Drei Tage lang übten sich die Teilnehmer im Tefilinlegen, sprachen über die Liturgie und Choreographie des jüdischen Gottesdienstes, diskutierten über unterschiedliche Traditionen in den Gemeinden. Ein wichtiges Kriterium für die Ausschreibung war, dass auch Frauen aus egalitären Gemeinden an dem Seminar teilnehmen sollten, sagt der Erfurter Rabbiner.

"Man hat den Gottesdienst zusammen angefangen und auch beendet, aber die Toralesung wurde getrennt gemacht auf die beiden Synagogen aufgeteilt, es war wirklich ein Lernprozess, jeder konnte sich mal in der Funktion ausprobieren."

Josef Strzegowski von der Augsburger Jüdischen Gemeinde gehört zu den erfahrenen Gabbaim. Der Musiker hat lange in Israel gelebt und ist Mitbegründer der Klezmergruppe Feygele. Auch er habe dazugelernt, obwohl er schon viele Jahre beim Gottesdienst neben dem Rabbiner an der Bima stehe:
"Man sieht einfach, wie es bei den Anderen ist und welche Problematiken. Manchmal sind sie ähnlich und es gibt immer was dazu zu lernen. Für mich persönlich waren das die Misheberachs, die Segenssprüche für alle passenden Anlässe. Für mich waren aber auch Details wichtig, wie zwei Formen den Tallit anzuziehen. Für mich war auch wichtig, wie man eine richtig Tora aufrollt."

"Ich finde das sehr bereichernd. Sehr inhaltsvoll. Sehr beglückend zu sehen, dass es so viele unterschiedliche Gabbaim und Gabbaot sind. Ich bin erstaunt, dass es durchaus Frauen sind, die als Gabbait tätig sind. Damit habe ich nicht gerechnet."

Ludmila Edelmann gehört zum egalitären Minjan der Jüdischen Gemeinde Frankfurt/Main. Als geborene Moldawierin hat die Sozialarbeiterin einen großen Vorteil, sie spricht russisch. Und weil sie lange in Israel gelebt hat, beherrscht sie auch Ivrit. Erfahrungen als Gabbait habe sie jedoch bisher wenige sammeln können.
"Das ermutigt mich auch ein bisschen, in meiner eigenen Arbeit als Gabbait weiter tätig zu sein. Dass ich da keine Ausnahme bin. Auch in anderen Gemeinden sind Frauen Gabbait und es gibt eben auch andere Gemeinden, die egalitär-liberal tätig sind, wo Frauen auch die Möglichkeit haben zur Tora aufgerufen zu werden oder auch zu den Alijot Aufrufe zu machen. Das mache ich als Gabbait."

Dieses erste Gabbaim-Seminar in Erfurt könne nur ein Anfang sein, weiß Rabbiner Jona Simon. Aber es habe sich gezeigt, dass traditionelle und egalitäre Lerngruppen gut harmonieren.

"Wenn ich mir das Niveau anschaue und auch den Wissensdurst, den die Leute haben und die Fragen, die sie bewegen, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es eine Fortsetzung des Seminars oder wenigstens eine Wiederauflage geben sollte."

Josef Strzegowski, der Gabbai aus Augsburg, wünscht sich Erfurt als Ort weiterer Seminare. Dies helfe auch der kleinen Thüringer Landesgemeinde, werde sie doch dadurch bundesweit bekannt. Einmal abgesehen davon, dass die Stadt mit ihrer Alten Synagoge und der mittelalterlichen Mikwe jüdische Stätten von Weltrang besitzt.

"Ich denke, in Erfurt ist mit dem Gabbaim-Seminar ein sehr gutes Fundament gelegt worden, wie man miteinander spricht, es waren ja Gabbaim aus verschiedensten Gemeinden da, die nicht immer alle so gut aufeinander zu sprechen sind, egalitär, konservativ, orthodox, aber man hat miteinander geredet, man konnte sehr gut miteinander von Mensch zu Mensch sprechen, auch in religiöser Hinsicht. Das macht Mut."