So spannend wie ein Krimi

Von Silke Lahmann-Lammert |
Das ZDF nimmt den ersten Todestag von Papst Johannes Paul II. (2. April) zum Anlass, das Doku-Drama "Karol Wojtyla - Geheimnisse eines Papstes" zu zeigen. Der Film bietet nicht nur einen Blick auf die wichtigsten Stationen aus dem Leben Karol Wojtylas, sondern zeigt vor allem, wie entscheidend sein Einfluss auf die Demokratisierung Polens und auf den Fall des Eisernen Vorhangs war.
Die kleine Theatergruppe hat sich in einem düsteren Raum versammelt. Während draußen deutsche Soldaten nach Widerstandskämpfern fahnden, singen die jungen Männer und Frauen verbotene polnische Lieder. Einer von ihnen ist der Student Karol Wojtyla. Neben ihm sitzt seine Freundin, Halina Krolikiewicz. 65 Jahre später erinnert sie sich:

"Karol wäre zuerst verhaftet worden, er stellte seine Wohnung für unsere geheimen Treffen zur Verfügung. Irgendwann – ich glaube es war nach dem Tod seines Vaters – sagte er mir, dass er sich ganz der Theologie widmen will. Ich muss zugeben: Das war ein Schock."

In Gero von Böhms Film mischen sich dokumentarische Bilder mit fiktionalen Szenen. Devid Striesow spielt den jungen Wojtyla, Michael Mendl den polnischen Kardinal, der 1978 zum Papst gewählt wird. Ein Glücksgriff. Obwohl Mendl äußerlich wenig Ähnlichkeit mit Johannes Paul II. hat, mimt er überzeugend den Heiligen Vater, der mit viel Geschick an den Fäden der Weltpolitik zieht. 1979, ein Jahr nach seinem Amtsantritt, reist der Papst zum ersten Mal nach Polen. Zbignew Brzezinski, damals Sicherheitsberater von Jimmy Carter, erinnert sich:

"Diese Reise war taktisch sehr geschickt von ihm. In einem Land mit 35 Millionen Einwohnern waren fast 35 Millionen für ihn auf die Straße gegangen. Wo also waren die vermeintlichen Millionen von Kommunisten?"

Die sowjetische Führung versteht die Polenreise des Pontifex Maximus als Kriegserklärung an den Kommunismus. In einer nachgestellten Szene denkt KGB-Chef Juri Andropow darüber nach, den Papst zu beseitigen.

"So ein Papst freut sich doch auf den Himmel, er kann es sicher kaum erwarten hinzukommen."
Ob der sowjetische Geheimdienst tatsächlich hinter dem Attentat von 1981 steckt, ist bis heute unklar. Fest steht, dass selbst Hardliner - wie der ehemalige polnische Staatschef Jaruzelski – wissen, dass sie dem Papst und seinem Einfluss auf die Bürgerrechtsbewegungen im Ostblock nicht gewachsen sind:

"Als ich Jahre später dem Papst zum ersten Mals gegenübertrat, zitterten mir die Knie. Schließlich war ich nicht nur Kommunist, sondern auch Pole. Und die katholischen Wurzeln meines Landes kann ich schon gar nicht verleugnen."
Gero von Böhm hat nicht nur prominente Zeitzeugen vor die Kamera geholt, er konnte sie auch dazu bewegen, mehr als offizielle Politikererinnerungen preiszugeben. In seinem Film tauchen sie noch einmal ein in die widersprüchlichen Gefühle von damals:

"Wenn man dann tiefer einsteigt, wenn man lange genug mit ihnen spricht, kommen oft sehr spannende Sachen, die wirklich an den Kern der Dinge gehen. Und es ist interessant, weil es auch Aufschlüsse gibt über den Einfluss von Johannes Paul II. auf diese Männer der Politik."

Auf Männer wie Michail Gorbatschow:

"Dieser Papst war notwendig. Nicht nur für die Christen, sondern für die ganze Welt. Auch mich hat er tief geprägt. Er war ein Humanist, vielleicht der größte Humanist unserer Zeit. Denn er war ja nicht nur ein Gegner des Kommunismus, sehr vieles, was im Kapitalismus, im Westen geschah, gefiel ihm ebenso wenig."

Die strikte Sexualmoral Johannes Pauls II., seine unnachgiebige Haltung gegen die Abtreibung und seine Weigerung, das Priesteramt für Frauen zu öffnen, sind Themen, die der Film sträflich vernachlässigt. Verzeihlich ist das nur, weil Gero von Böhm einen anderen Schwerpunkt setzt. Er konzentriert sich auf den politischen Menschen: Auf den jungen Karol Wojtyla, der sich im Widerstand gegen die Nazis engagiert, und auf die 1980er Jahre, in denen Johannes Paul II. entscheidenden Einfluss auf die Demokratisierung Polens und den Fall des Eisernen Vorhangs nimmt. Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbignew Brzezinski bringt es auf den Punkt:

"Ich habe ihm einmal gesagt, wenn ich mit Präsident Carter rede, habe ich den Eindruck, einen religiösen Führer vor mir zu haben. Wenn ich mit Ihnen rede, Heiligkeit, rede ich mit einem Staatsmann. Er hat herzlich gelacht. Das hat ihm dann doch gut gefallen!"

"Karol Wojtyla – Geheimnisse eines Papstes". Heute um 21.00 Uhr im ZDF.