"Ich habe mich gegen Wut entschieden"
Mit ihrem neuen Album kann man die Musikerin Anja Plaschg alias Soap&Skin zu den großen, eigenwilligen Künstlerinnen der zeitgenössischen Popmusik zählen. Auf "From Gas To Solid: You Are My Friend" ist sie reifer geworden – und überzeugend.
"Heal" heißt eines der zentralen Stücke auf Soap&Skins neuem Album. "Heilung" - schon ein neues Thema bei dieser Frau, Anja Plaschg, inzwischen 28 Jahre alt, bei der doch immer eher der Tod, die Sehnsucht nach Auslöschung im Mittelpunkt stand. Mit zwei düsteren Alben wurde die junge Frau 2009 und 2012 als Wunderkind gefeiert. Es folgten Film- und Theatermusiken, aber ob es noch einmal ein Soap&Skin-Album geben würde, war lange ungewiss.
Anja Plaschg: "Ja, das war mir wirklich völlig unklar. Nach den ersten beiden Alben war es wirklich so, ja, fertig, und was ist jetzt? (lacht) Vielleicht werde ich nie mehr Musik machen. Irgendwas muss mich zwingen. Also keine Person, aber irgendwas im Leben, eine Erfahrung. Mich interessiert das Leben auch zu sehr."
Die Seele wund geschrien
Wer hätte diesen Satz erwartet von einer Frau, die den Tod einst so viel interessanter fand? Und jetzt noch einen draufsetzt, mit einem Cover von "What A Wonderful World", dem lebensbejahendsten Song überhaupt – auch wenn er bei Plaschg natürlich einige Brechungen durchmacht. Ist diese Frau, die sich in den letzten zehn Jahren die Seele wund geschrien hat, vielleicht tatsächlich geheilt – von welchem Leid auch immer?
"Das weiß ich nicht genau. Aber ich habe mich damit beschäftigt, ob das überhaupt möglich ist, zu heilen, und ich habe mich gegen Wut entschieden ein bisschen. Das war ja früher ein großer Teil auch meiner Musik. Ich habe Verzweiflung und Schmerz in dem Fall versucht, einfach anders umzutransformieren."
Transformation – in verschiedenen Facetten – ist das Thema des neuen Albums von Soap&Skin, auch im Titel: "From Gas To Solid – You Are My Friend". Von gasförmig zu fest – dazwischen liegt noch das Flüssige.
"(This Is) Water" heißt ein Stück, eine Reverenz an David Foster Wallaces Essay über das Erwachsenwerden. Anja Plaschg hat sich transformiert, in so etwas wie eine Erwachsene, sicher auch mit der Geburt ihrer inzwischen fünfjährigen Tochter. Die Transformation ist natürlich auch musikalisch geschehen, und das ist sehr gelungen. Die Musik von Soap&Skin peitscht einem nicht mehr ins Gesicht wie früher, auch sie ist reifer geworden und damit auch etwas weniger aufregend. Aber nicht weniger überzeugend. Anja Plaschg hat ihren Stil ausgebaut - mit dieser Kompositionstechnik, die sie als Malerei bezeichnet:
"Weil ich bestimmte Regeln in der Musikproduktion ignoriere, ganz bewusst. Zum Beispiel eine Geschwindigkeit, bevor man beginnt, einfach mal so eine Geschwindigkeit einzustellen, in der man den Song haben will, und dann hat man so ein Raster. Dieses Raster ignoriere ich und bewege mich frei in dem Raster und setze jeden einzelnen Beat. Und ich setze halt einfach jedes einzelne Geräusch, das man hört.
Die künstlerische Reise hat gerade erst begonnen
Soap&Skin hat längst internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, für ihr neues Album gibt Plaschg Interviews in halb Europa. "From Gas To Solid: You Are My Friend" ist das Album, mit dem Plaschg zeigt, dass man sie nun wirklich einreihen kann unter die ganz großen, ganz eigenwilligen Künstlerinnen der zeitgenössischen Popmusik – die schwer fassbaren und umso faszinierenderen Persönlichkeiten, von Portisheads Beth Gibbons bis Anna Calvi. Ein Schritt, für den Anja Plaschg sich allerdings noch nicht unbedingt bereit fühlt:
"Oooohhh, aaaahh ... das macht tatsächlich was, wenn ich das höre. Ich krieg schon Angst, wenn ich an sowas denke."
Und dann sagt sie den Satz, den man von ihr erwartet, den man sich, wenn man ihre Kunst liebt, von ihr gewünscht hat:
"Also ob ich bereit bin ... ich weiß nicht, was das ist. Ich werde mich nicht anpassen, glaube ich, was es für viele bedeutet, dann irgendwie großes Business zu machen."
Die große künstlerische Reise der Anja Plaschg alias Soap&Skin, sie hat gerade erst begonnen.