Klicks für die Kirchen-Stewardess
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Kirche muss sich neuen Kommunikationsformen öffnen, wenn sie nicht den vielbeschworenen Kontakt zur Basis verlieren will. Das gilt auch für die sozialen Medien. Das Bistum Essen bemüht sich mit Witz um Klicks und Likes.
"Guten Abend, meine Damen und Herren! Pastor Brinkmann und die gesamte Besatzung begrüßen Sie ganz herzlich an Bord der Kirche St. Theresia. Unsere heutige Gottesdienstdauer ist mit 65 Minuten vorausberechnet."
Eine Stewardess in blauem Kostüm, samt Käppi auf dem Kopf, die in der Kabine gestenreich Anweisungen erteilt, das kennt man als Flugpassagier vor dem Start, nicht aber aus einer katholischen Kirche. Obwohl es durchaus gewisse Ähnlichkeiten gibt. "In diesem Kirchentyp gehören auch die Sitzplätze in der ersten Reihe zur Economy Class".
Vorsicht Weihrauch!
Bei der Belegung der Plätze gelten für eine Kirchen-Crew allerdings andere Maßstäbe als in einem Flieger. "Wir dürfen Sie nun bitten, Ihre Plätze in den Sitzbänken einzunehmen. Aber bitte nicht in der zweiten Reihe außen links. Da sitzt Renate Heitkamp seit 40 Jahren jeden Sonntag."
Und selbstverständlich geht es in einer katholischen Kirche anders zu als in einem Flugzeug, wenn dicke Luft in der Kabine herrscht. "Im Falle eines plötzlichen Weihraucheinsatzes der Messdiener fallen in den Kirchenbänken automatisch Sauerstoffmasken von der Decke. Führen Sie die Maske über Mund und Nase und atmen Sie ruhig im Takt der Orgelmelodie weiter."
Virales Bistums-Video
Mit diesem aus dem gewohnten kirchlichen Rahmen fallenden Video, mit dem man für die Weihnachtsgottesdienste in den Gemeinden warb, landete das Bistum Essen in den sozialen Medien einen vielbeachteten Coup.
"Also, das Video ist wirklich durch die Decke gegangen", resümiert der zuständige Online- und Social-Media-Redakteur Jens Albers. "Unser Hauptkanal für solche Sachen ist Facebook. Da ist das Video mittlerweile unser erfolgreichstes Video mit knapp anderthalb Millionen Aufrufen. Bei Youtube sind wir bei 130.000 Aufrufen."
230 Euro für einen Millionenerfolg
Gemessen an weltlichen Maßstäben, also an der erzielten Aufmerksamkeit, hat man die Produktionskosten zigtausendfach eingespielt. Als Gage für die Stewardess-Schauspielerin fielen 200 Euro an, 30 Euro zahlte man einem Kostümverleih.
Für die Arbeit im Bereich Social Media bezeichnet es Jens Albers als großes Glück, dass man im Bistum Essen einen Bischof und einen Generalvikar habe, die soziale Medien wie selbstverständlich auch selber nutzen. Und ergo wissen, wie auf diesen Kanälen kommuniziert wird.
"Aber ansonsten ist das Ganze natürlich eingebettet in unsere komplette Kommunikationsarbeit", so Albers. "Es liegt eine Social Media Strategie zu Grunde, die das Ganze natürlich auch auf solide Füße stellt. Und es ist immer wichtig, dass das Ganze augenzwinkernd ist.
Aber es darf nicht belanglos oder lächerlich werden. Und mein Chef sagt immer so schön: die zehn Prozent, die jeden Sonntag zur Kirche gehen, müssen es nicht peinlich finden. Und die restlichen 90 Prozent sollten sagen: ‚Das hätten wir vom Bistum Essen nicht erwartet!‘"
Neues Publikum für die Kirche
Die 40-Jährige Sarah Fitzek jedenfalls, die sich seit langem in ihrer Gemeinde in Dortmund engagiert, verfolgt die Social-Media-Auftritte des Bistums Essen inzwischen regelmäßig. Denn das sei eine:
"Gute Art, Kirche zu zeigen: Hey, wir sind auch Alltag. Also: Wir können auch so wie ihr mit der Zeit gehen und cool sein. Das find ich ganz, ganz kreativ."
Sarah Fitzek gehört dem Pfarrgemeinderat an, ist aktiv in der Messdienerleitung und wird als Kommunionhelferin angelernt. Gerade Jüngere, ist sie überzeugt, könne auch die Kirche über soziale Medien erreichen: "Kirche kann nur weiterleben, wenn neue Leute nachkommen. Und ich glaube, Kirche wird sich vielleicht auch verändern, wird gar nicht mehr so sein wie wir es kennen."
Einziger Darsteller: ein Pferd
An den Social Media-Auftritten des Bistums Essen könne man sich darum ein Beispiel nehmen, meint Sarah Fitzek, deren Heimatstadt Dortmund zum Bistum Paderborn gehört: "Man muss ja nicht immer in die Kirche gehen, um zu glauben oder um zu beten. Manchmal reicht auch so ein Anreiz. Ich find das ist eine tolle Möglichkeit, das auch so in den Alltag einzubeziehen."
Wie etwa ein kurzer Video-Clip in schwarz-weiß vom Bistum Essen zu einem traditionellen Fest, dem selbst Menschen, die der Kirche eigentlich kritisch gegenüberstehen, noch verhaftet sind, da sie es noch aus ihrer Kindheit kennen. Zu sehen ist nur ein einziger Darsteller. Ein Pferd.
"Nachtsichtsensoren, blasmusikresistent, Stress-immune Bordelektronik, integriertes Laternenausweichsystem, imposante Karosserie…"
James Bond und St. Martin
Und dann purzeln aus dem britischen Edelauto-Markenemblem Aston Martin die Buchstaben A, O und N. Übrig bleibt noch: St. Martin. Eine Idee, die das Team um Jens Albers anlässlich eines neuen James-Bond-Filmes umsetzte, in dem 007 einen Aston fährt: "Und da kam halt in einem kreativen Prozess raus, dass man aus Aston Martin auch St. Martin machen kann."
Kirche hat frohe Botschaften zu vermitteln, sagt Jens Albers, der übrigens auch der Expertengruppe Social Media der Deutschen Bischofskonferenz angehört. Und Kirche nehme inzwischen zur Kenntnis, dass Social Media nichts Aufgesetztes sei, sondern die Realität präge.
"Und ich glaube, wenn wir als Kirche mit der Maßgabe unterwegs sind, wir wollen für die Menschen da sein, wir wollen für die Menschen ansprechbar sein, dann müssen wir auch dort ansprechbar sein, weil die Menschen dort einen großen Teil ihrer Online-Zeit verbringen."
Digitale Kommunikation ist gleichwertig
Ob mit unterhaltsamen Video-Clips, täglichen WhatsApp-Botschaften oder Kontaktangeboten im Internet. In einer zunehmend vernetzten Welt, so Jens Albers, könne die Kirche auf neue Kommunikationswege nicht verzichten:
"Ein persönliches Gespräch, Auge in Auge, oder ein Social-Media-Gespräch ist sicherlich nicht gleich. Aber es ist gleichwertig. Also es hat beides seinen Stellenwert und es gibt Menschen etwas. Und ehrlich gesagt: die Zahl derer, die wissen, wo das Pfarrbüro ist oder dass sie zu einem Pfarrbüro gehören, wird halt auch immer geringer."