Das wäre ein schrittweiser Einstieg in die Möglichkeit, dass das Publikum über öffentlich-rechtliche Kanäle und Plattformen nicht nur konsumiert, sondern auch interagiert, kommentiert und letztlich vielleicht auch eigene Inhalte teilt.
Alternative zu Twitter & Co.
Wie könnten Alternativen zu den kommerziellen großen US-Plattformen aussehen? © Getty Images / Boris Zhitkov
Wie die Öffentlich-Rechtlichen „social“ werden können
11:08 Minuten
Elon Musk übernimmt Twitter. Damit gehört eine weitere große Plattform einem US-Milliardär. Der Ökonom und ZDF-Verwaltungsrat Leonhard Dobusch nimmt dies zum Anlass, eine öffentlich-rechtliche Alternative zu kommerziellen sozialen Medien zu fordern.
Wie könnten Alternativen zu den großen kommerziellen US-Plattformen aussehen? Es gehe ihm nicht darum, morgen ein öffentlich-rechtliches Twitter zu launchen, erklärt Leonhard Dobusch seinen Vorschlag.
Der Professor für Organisation an der Universität Innsbruck ist neuerdings ZDF-Verwaltungsrat und kritisiert Geschäftsmodell und Design der dominierenden Social-Media-Plattformen.
„Ich glaube auch, dass das schwierig ist, so etwas zu kopieren und zu glauben, dass man dann damit Erfolg hat“, gibt er zu bedenken. „Aber ich glaube, dass es an der höchsten Zeit ist, dass die bestehenden öffentlich-rechtlichen Angebote im Netz ‚social‘ werden.“
Neue Features für die Mediatheken
So könne man den Nutzerinnen und Nutzern, die die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen bereits mit einem Profil nutzen, schrittweise weitere Features und Möglichkeiten bieten: Dieses Profil etwa auch zu veröffentlichen oder eigene kuratierte Playlists zu erstellen, die man mit anderen teilen kann, erklärt er.
Der Wirtschaftswissenschaftler sieht ARD und ZDF durchaus in der Lage, diesen Richtungswechsel zu schaffen. Ihm als Österreicher, der in Deutschland in Rundfunkgremien tätig ist, falle besonders auf, wie viel sich in den letzten Jahren im öffentlich-rechtlichen Sektor getan habe.
Das Jugendangebot "Funk", das ausschließlich auf Drittplattformen wie YouTube, Instagram und TikTok ausgespielt wird und dort inzwischen relevante Reichweiten in einer schwierigen jungen Zielgruppe erreicht, nennt er als Beleg dieser Entwicklung. Auch dass sich ARD und ZDF im Jahr 2021 entschlossen haben, den technischen Unterbau ihrer Mediathek gemeinsam zu entwickeln.
„Die Leute sind schon dort“
Er setze darauf, dass ein öffentlich-rechtliches Angebot sich weder kommerziell ausrichten noch seine Kundinnen und Kunden monetarisieren müsse. „Die sind bereits über einen Rundfunkbeitrag finanziert“, erklärt Dobusch. Daher könne man eine solche Plattform viel offener gestalten, auch in Bezug auf die Verwendung von Algorithmen.
Dass es einer solchen Plattform an Beteiligung und Kommentaren fehlen würde, glaubt er nicht. Ganz im Gegenteil, denn die Öffentlich-Rechtlichen hätten online bereits viele Nutzerinnen und Nutzer.
Jeden Tag loggen sich Millionen Menschen in der Mediathek ein, weil sie dort Inhalte konsumieren wollen. Das heißt, die Leute, die sind schon dort. Und die Leute, das ist ja das Interessante, die wollen sich austauschen, über die Inhalte, die sie schauen.
Wer aber heute zum Beispiel Jan Böhmermann und sein „ZDF Magazin Royale“ kritisieren oder feiern wolle, müsse wegen der fehlenden Möglichkeit aus der Mediathek zu YouTube wechseln und die entsprechende Ausgabe dort suchen. „Das tun Tausende Leute bei jeder Folge“, sagt er.
Das Anfangsproblem eines völlig neuen sozialen Mediums hätten die Öffentlich-Rechtlichen gerade nicht. Die Menschen würden am liebsten direkt auf der Plattform, wo sie Inhalte konsumieren, auch über diese Plattform und über diese Inhalte reden. Er verspreche sich viel von einem schrittweisen, langsamen Ausbau dieses Angebots. „Natürlich brauchst du eine Lernkurve“, so Dobusch.